Stefan Casta: Wir waren nie Freunde

240 Seiten, Fischer Taschenbuch Verlag 1999, aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt, 13 - 15 Jahre

Setting:

Die Geschichte spielt in Schweden, der Ich-Erzähler heißt Kim und ist ein vietnamesisches Adoptivkind; dieses Faktum wird dem Leser aber erst auf der letzten Seite bekannt gemacht. Der Stiefvater, Jim, ist ein farbiger Amerikaner, der in Vietnam war und sich dann als Deserteur in Schweden niederließ. Er arbeitet als Lehrer, seine Frau als Kindergärtnerin, vermutlich in Stockholm. Kim ist ein etwas anderer Junge, nicht nur weil er anders aussieht, sondern auch weil er eine nachdenkliche "Leseratte“ ist, die Abende gerne bei seinen Adoptiveltern zuhause verbringt, sich auch nicht trend-mäßig anzieht und sich wenig aus Video-Abenden macht. Seine große und erste Liebe heißt Tove: "Tove, my love".

Handlung:

Die Geschichte beginnt damit, dass eine Gruppe von Freunden über Ostern eine Radtour in die Berge durchführt, um die Auerhahnbalz zu erleben. Der Anführer ist Philip, der sich mit Vögeln gut auskennt, mit von der Partie sind dessen Freund Manny, dessen Freundin Pia-Maria, sowie Kim und Tove. Tatsächlich erleben sie auch die Auerhahnbalz, ein gespenstisches nächtliches Ereignis im Wald, am nächsten Tag wollen Kim und Tove noch ein anderes Mädchen und deren Hund abholen, welche zu der Gruppe später hinzukommen wollte. Dabei verirren sie sich und gelangen erst nach zwei Tagen wieder zum Basislager der anderen. Dort hat sich die Lage aber verändert: Philip, Manny und Pia-Maria sind von mitgebrachtem Selbstgebrannten betrunken und als Kim sich weigert, einen Joint mitzurauchen, fallen sie über ihn her, er wird nicht nur geprügelt, sondern auch mit einem Messer verwundet und bleibt bewusstlos zurück, während die anderen das Gelände fluchtartig verlassen.

Während diese Ereignisse aus der Erinnerung erzählt werden, immer wieder unterbrochen von Erzähl-Einschüben aus einer noch unklaren Jetztzeit, wird nun in Buch II die Jetztzeit geschildert, nämlich wie Kim aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, wie er sich allein wiederfindet, wie er sich Überlegensstrategien zurechtlegt, seine Stichwunde verbindet, sich Wasser besorgt, ein Feuer in Gang bringt, auch etwas zum Essen findet, wie er deliriert und Visionen hat.

Buch III: Zeitsprung, es ist Herbst, Kim war in den USA gewesen und ist nun wieder zurück. Er hat die anderen nicht angezeigt, hat sich auch nicht bei ihnen gemeldet; aber er erfährt, dass die Ereignisse an den anderen nicht spurlos vorbeigingen; Schritt für Schritt werden schließlich in abwechselnden Monologen von Tove und Kim die auf die Gewalttat folgenden Ereignisse enthüllt ...

Und eines Tages steht dann auch Tove vor Kims Haus ...


Sekundärliteratur, Besprechungen, Unterrichtsvorschläge, Links, Informationen:
  • Kurzkommentar: Das Buch ist spannend, die Lektüre stimmt aber auch nachdenklich und in der Mitte sogar wütend. Es geht um Gewalt in verschiedenen Formen (psychisch und physisch) und an verschiedenen Orten in der Welt (Vietnam, Palästina), es geht um einen Lebensstil junger Menschen, die nicht gefestigt sind, die zwar nicht alleine sind, aber alleine gelassen in unklaren Erziehungsverhältnissen, trotz materieller Sorglosigkeit. Hierzu stellt Kim schöne Überlegungen und Beobachtungen an, vom Aufwachsen ohne Erwachsene, vom sich Verlieren in medialen Spiegelwelten.
    Neben Gewalt gibt es auch ein wenig Sex, so z.B. wird Kim von Tove mehr oder weniger verführt, deren Verhältnis zu Kim bleibt aber die ganze Zeit offen, auf keinen Fall scheint sie die Liebe, die Kim für sie empfindet, zu teilen, sie probiert wohl eher ihre Anziehungskraft aus und so einer wie Kim ist das Opfer.
    Die Sprache des Erzählers kann poetisch genannt werden, die Erzählweise ist gekennzeichnet von Sprüngen sowohl in der Zeit als auch in den Handlungsorten, das macht den Einstieg nicht einfach, der Leser muss sich in die Handlung hineinfinden, mehr: hineinarbeiten, aber je mehr sich die Handlung entfaltet, desto stärker ist auch der Sog. Viele wichtige Informationen werden vorenthalten und nur in Andeutungen gegeben, so z.B. dass Kim auch äußerlich ein Außenseiter ist, dass seine Eltern anders leben und denken, als die schwedische Mittelstandsgesellschaft (repräsentiert durch die Eltern der Freunde), man muss es erraten, dass Kims Vater ein Farbiger ist usw.
  • Klappentext: STEFAN CASTA wurde 1949 in Vadstena, Schweden, geboren. Bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, arbeitete er zunächst als Reporter und Produzent beim Radio und Fernsehen. 2002 erhielt er für sein bisheriges Gesamtwerk den Astrid-Lindgren-Preis.
    Ein sehr atmosphärischer Roman über eine Gewalttat unter Freunden – ergreifend und beklemmend, zart und brutal. Ausgezeichnet mit dem August-Preis und der Nils-Holgerson-Plakette.

Zum Anfang - Zum Inhaltsverzeichnis - Klaus Dautel - ZUM Internet e.V

20 09

Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.