< Sams Ratten 1

V. Die Handlung

1. Akt:

Der erste Akt dient der Exposition, der Vorstellung der Thematik und der Hauptfiguren Direktor Hassenreuter und Frau John. Probleme und bevorstehende Konflikte werden angerissen.
Die Szenenkomposition des ersten Aktes hat fast schon einen komödiantischen Grundcharakter. Viele verschiede Personen verabreden und treffen sich am gleichen Tag im gleichen Raum, so dass ein für den Zuschauer komisch wirkendes Versteckspiel entsteht, und ihm durch seinen übergeordneten Blickwinkel lustig erscheint. Dialog zwischen Frau John und Pauline. Zuerst wird Pauline die Mißlichkeit ihrer Lage aufgezeigt, und dann wird ihr das Angebot gemacht, das Kind wegzugeben, und sich auf einen Schlag “aller Probleme zu entledigen. Frau John hat dabei ihren Bruder Bruno dazu angehalten, Pauline mit seiner Erscheinung und seinem Auftreten einzuschüchtern.

2. Akt:

Familie John hat nun ein Kind, ist glücklich, und schließt sich gegen die Aussenwelt ab. Frau John baut eine Scheinwelt auf, in der sie ihr Glück und ihre Zufriedenheit jedoch nicht ausleben kann, da sie ein schlechtes Gewissen und der daraus resultierende innere Konflikt beschäftigt. Sie versucht ihre Angst, Selbstzweifel und Schuldgefühle mit übertriebenem und überzogenem Muttergefühl zu überspielen.
Ausserdem flüchtet sie sich in einen Wahn, indem sie die Haare ihres verstorbenen Kindes mit dem von Pauline vergleicht, und dieses als “genau das selbe Kind“ bezeichnet, weil es die gleiche Haarfarbe hat.

3. Akt:

Die Handlung des dritten Aktes ist allgemein recht bruchstückhaft. Es sind viele kurze Sequenzen und Szenen, die nicht aus einem Guss kommen. Das Motiv der Ratten und Gespenster tritt immer wieder auf.
Generell lässt sich die Handlung jedoch in drei Abschnitte einteilen:
  1. Hassenreuter erteilt seinen Schülern dramatischen Schauspielunterricht, und es entsteht alsbald eine literarisch, wissenschaftliche Diskussion übers Theaterspielen zwischen Hassenreuter (vertritt die klassische Theaterform) und Spitta (vertritt den Naturalismus). Zentrale Aussage zum Thema Naturalismus und Tragikomödie. Hassenreuter: “Da kommt ihre tragische Muse Spitta!....Danken sie Gott Frau John, wenn Ihr stilles, eingezogenes, friedliches Leben Sie zur tragischen Heldin ungeeignet macht...“ (Seite 70)
  2. Diskussion der beiden Väter
  3. In einem letzten Teil befinden sich die beiden Mütter Knobbe und Pauline mit einem Säugling, der schließlich stirbt, bei Hassenreuter.

4. Akt:

Vorgänge des 3. Aktes werden von Quaquaro und Herr John nochmals durchgesprochen, und auch in einem etwas anderen Blickpunkt wiedergegeben.
Bei Johns findet eine ausführliche Reflexion statt; sie erinnern sich nochmals an ihr erstes Treffen und die Heirat. Frau John weiss, dass sie mit ihrem Plan nicht durchkommen wird, und die Geschichte mit dem Kind früher oder später aufgedeckt werden würde. Um jedoch trotzdem die Erwünschte Bindung ihres Mannes an sich zu erreichen, bringt sie das Thema “Amerika“ nochmals zur Sprache. Herr John lehnt jedoch ab, da er ja nun keinen Grund mehr darin sieht.
Ein Gespräch über Bruno findet statt, und schließlich taucht dieser auch noch auf. Nachdem Herr John nach einem Konflikt, während dem er sogar droht Bruno zu erschießen die Wohnung verlassen hat, erzählt Bruno seiner Schwester von seinem Mord an Pauline, woraufhin diese große Schuldgefühle bekommt. Als Bruno gegangen ist, versucht Frau John zu beten, aber sie bringt nur die Worte hervor: “Ick bin keen Mörder, det wollte ick nich...“.

5. Akt:

Der seelische Druck führt bei Frau John zu psychischen Ausnahmezuständen. Sie verhält sich wie in Trance, manchmal im Schlaf sprechend, manchmal tagträumend.
Showdown: Am Ende befinden sich quasi alle wichtigen Personen (ausser dem gesuchten Bruno und der ermordeten Pauline) auf der Bühne. Schicksale werden geklärt und Handlungsfäden zu ende geführt. Herr John wendet sich sofort von dem vormals so geliebten Kind ab als er erfährt, dass es tatsächlich nicht sein eigenes ist.
Am Ende wird (durch Spitta und Hassenreuter) über das Kind als literarischen Fall diskutiert, und nicht über das eigentliche Problem, nämlich über das Kind selbst und dessen Zukunft.
Anders als Hassenreuter wird Frau John die Situation, in der sie sich befindet, bewusst. Doch die Ironie des Schicksals bringt ihm einen unverdienten Aufstieg und eine Änderung des Lebens (durch die Anstellung in Straßburg), für Frau John dagegen bedeutet es den Untergang.

2. Handlungslinien und Stränge:

Der Johnsche Handlungsteil steht für die tragische Seite der Tragikomödie, und spielt sich im Milieu und in niedrigen Gesellschaftskreisen ab. Mit dieser Konstellation schafft Gerhart Hauptmann etwas Neues, denn bisher in Literatur und Dramatik waren die niedrigen Stände im Allgemeinen eher durch den komödiantischem Inhalt vertreten, und die edlen Adligen, und das höhergestellte Bürgertum wurde meist mit dem tragischen Teil bedacht.
Das Konfliktpotential entsteht erst durch die Rückkehr Paulines, die ihr Kind zurückfordert. Die Entwicklung von Frau John nimmt in jedem Akt an Tragik zu:
Die Ausgangssituation zeigt eine Frau John, die Pauline das Kind wegnehmen will. Die Fortführung des Handlungsfadens beschreibt folgende Entwicklung: Der Hassenreutersche Handlungsteil steht für die komische Seite der Tragikomödie, und wird von dem gebildeteren Teil der Personen dargestellt, was wiederum einen tragischen Einfluss auf das Stück hat, denn sie, die eigentlich in der Lage dazu wären den einfachen, ungebildeten Leuten zu helfen, können ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nur kaum wahrnehmen.
Natanael Jettel und Alice Rütterbusch sind nur dazu konzipiert, um Hassenreuters Charakter aufzuzeigen, und seine Art deutlicher herauszuarbeiten. Für fortlaufende Handlung spielen sie ansonsten eine untergeordnete Rolle.
Hassenreuter versteht die eigentliche Problematik nicht, und soll sie auch nicht verstehen. Der ganze Hassenreutersche Handlungsteil wirkt auf den ersten Blick wie “aufgesetzt“, und ist in den eigentlichen Handlungsteil, nämlich der Geschichte um Frau John eigentlich nicht aktiv involviert. Er nimmt die Funktion ein dem Zuschauer die Situation zu vereinfachen.

John und Familie Hassenreuter und Familie
  • Dialekt
  • Tragische Seite
  • wünscht sich, und kämpft um Kinder
  • Hochdeutsch
  • Komödiantische Seite
  • verstößt Kinder,u.bricht mit ihnen

Genau umgekehrt wie im bisherigen Theater.

Diese beiden Stränge stehen sich also gegenüber: Hassenreuter macht mit dem Engagement in Straßburg eine Aufwärtsbewegung, wohingegen Frau John sich mit den Lügen um das Kind verstrickt und schließlich endgültig kapitulieren muss, im Wahnsinn den Tod findet.

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