Die Bedrohung wächst
"Aktion lesender Klosterschüler - jüdisches
Mädchen"
(Teil III, Kapitel 19 - 28, S. 52 - 100)
Beschreibung:
- Alle Fluchtpläne scheitern oder sind zunehmend bedroht:
- Judith gelingt es nicht, auf das schwedische Schiff zu
gelangen. Der Wirt sitzt ihr im Nacken und will sie anzeigen.
- Der Junge resigniert mit seiner Absicht, auf einem Schiff
anzuheuern; er möchte nach Sansibar, den Erwachsenen und
deren enger Welt entrinnen.
- Knudsen verweigert sich sogar dem Parteiauftrag, die
Holzplastik nach Schweden zu bringen. Für ihn birgt das
Warten - die anderen Fischer kommen bereits vom Fang
zurück - große Gefahren.
- Selbst Helander überlegt, ins rettende Krankenhaus zu
gehen und die Plastik "den Anderen" auszuliefern
(Unterrichtsschritt 1).
- Mit Gregors Entscheidung zur "privaten Aktion" beginnt die
Wende. Durch sein Hingezogensein zu Judith erweitert er seinen
Rettungsplan zur "Aktion lesender Klosterschüler -
jüdisches Mädchen" (Unterrichtsschritt 2).
- Es hängt nun an Knudsen, dem Fischer, ob das Netz
trägt: "Aber nur einer konnte das Netz auswerfen: Knudsen.
Wenn Knudsen nicht wartete, zerfiel das Abenteuer wie Staub. Wenn
er kniff, zerriß das Netz (Kap. 22, S. 67)"
(Unterrichtsschritt 3).
Hinweis: Hier wäre es nun gut möglich, die
Charakteristiken zu dem Jungen, zu Knudsen und Judith
einzufügen.
Unterrichtsschritt 1: Die Fluchtvorhaben von dem Scheitern
Sammeln, wodurch die Fluchtvorhaben bedroht sind, auf das
Schülerarbeitsblatt. Die Vorarbeit kann entweder durch die
"Spezialistenteams" arbeitsteilig oder in Form einer vorbereitenden
Hausaufgabe erfolgen.
Ergebnis:
Person
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Die wachsende Bedrohung
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Junge
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Mutter will ihn nicht als Matrose anheuern lassen. Er
findet den dritten Grund, Rerik zu verlassen: Er möchte
über die offene See nach Sansibar.
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Judith
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Wirt besteht auf Paß; Anzeige nach
Auseinandersetzung mit Schweden droht; Rückkehr ins
"Wappen von Wismar" unmöglich; Versuch, auf das
schwedische Schiff zu gelangen, scheitert.
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Knudsen
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fällt zunehmend auf; andere Fischer kommen bereits
vom Fang zurück; nehmen ihm seine Ausrede ("krank")
nicht ab.
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Gregor
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Knudsen widersetzt sich dem "Parteibefehl", die Plastik
in Sicherheit zu bringen; damit wäre seine "private
Aktion" unmöglich; möchte auch Judith
retten:"Aktion lesender Klosterschüler - jüdisches
Mädchen".
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Helander
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Knudsen lehnt seine Bitte erneut ab; Beinstumpf stark
entzündet; er selbst zweifelt, ins Krankenhaus zu
gehen, statt den Klosterschüler zu retten.
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Auswertung:
Aus der Strukturübersicht "Die Bedrohung" (diese könnte
auch mit Hilfe der Vorlage nun neu auf die Situation erstellt werden)
wird herausgestellt:
- Gregor hat trotz Knudsens "Nein" mit Helander vereinbart, den
Klosterschüler um Mitternacht abzuholen.
- Durch die Begegnung mit Judith erweitert er die Aktion zur
"Aktion lesender Klosterschüler - jüdisches
Mädchen"
- Ohne die Mitarbeit Knudsens ist das Fluchtvorhaben zum
Scheitern verurteilt.
Unterrichtsschritt 2: Schreibanlaß Knudsen - "stummer oder
toter Fisch?"
Exemplarisches Einüben eines Schreibanlasses - und dessen
inhaltliche Korrektheit
Die Schülerinnen erhalten den Auftrag, über Knudsens
Lage in Form eines Abschiedsbriefes an Bertha zu schreiben. Darin
soll sein Verhalten, seine Motive - und weshalb er schließlich
doch zustimmt, die Plastik nach Schweden zu bringen,
berücksichtigt werden.
Schreibanlaß:
"Schreibe einen Abschiedsbrief, in dem Knudsen seiner
Frau Bertha erläutert, weshalb er doch Gregors
Anweisung, den Klosterschüler in Sicherheit zu bringen,
befolgen wird."
- Kläre dabei, weshalb Knudsen überhaupt zum
Treffen mit Gregor geht. Berücksichtige auch die
Situation seiner Frau Bertha und Knudsens Haltung zur
Partei und zu Gregor. Deute auch die Gedanken Knudsens
(S. 84/85), in denen er überlegt, "kein stummer
Fisch" sein zu wollen.
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Hilfestellung:
- Das Plakat des "Schülerteams Knudsen" bzw. Vortrag zu
Knudsen
- Hintergrundinformation zur "Euthanasie im Nationalsozialismus
- Hinweise zum Anforderungsprofil eines Schreibanlasses (siehe
Kapitel "Schreibanlässe und ihre Bewertung")
- Korrekturblatt mit inhaltlichen und stilistischen Merkmalen
zur Bewertung der Ergebnisse
Lösung: mögliche Inhalte des Briefes
- Wenn ich nicht zu dem Treffen gegangen wäre, hätte
der Instrukteur mich gar nicht erst beauftragen können. Du
und ich wären nicht in Gefahr geraten.
- Dann hätte ich nur Dorsche und Heringe fangen
können, einfach nur Fischer sein können.
- Ich konnte aber nicht hingehen und dann die Anweisungen der
Partei nicht ausführen.
- Da ich mich jedoch mit Gregor getroffen habe, bin ich nun
selbst ein "Fisch vor der Angel": Ich habe begonnen mitzumachen.
- Auf diesen Köder (Aufträge, Maßnahmen,
Widerstand der Partei) habe ich mein Leben lang angebissen
(mitgemacht).
- Immer hat der Haken weh getan: Es war schwer für mich,
überhaupt noch mitzumachen, wo ich die Partei schon lange
nicht mehr verstanden habe (ihr Zögern, ihr zaghafter
Widerstand).
- Aber das Arbeiten in der Partei hat mich in die Luft gerissen,
in der man die Schrei der (anderen) Fische sonst nicht hören
konnte: Die Anderen tun viel Unrecht an Unschuldigen und
Wehrlosen. Irgend jemand, auch ich, muß sich wehren.
- Als ein "stummer Fisch" (schweigend) alles hinnehmend wie die
anderen Fischer, die nicht mehr aktiv sind) könnte ich nicht
leben.
- Dies verdanke ich der Partei; einmal noch will ich mich am
Widerstand beteiligen.
- Auch wenn ich Gregor nicht leiden kann - junger Mann, der nur
Anweisungen gibt, selbst aber fliehen will, Repräsentant der
Parteiführung ist, deren Wege ich ablehne -, ich muß
mich wehren.
- Bertha - ich liebe Dich sehr, meine Liebe zu Dir wäre
lustlos und voller Gewissensbisse, wenn ich jetzt kneifen
würde.
- Verzeih mir, wenn es schiefgeht. Ich hoffe, Du verstehst mich
und akzeptierst meine Entscheidung.
- Vernichte den Brief, sobald Du ihn gelesen hast.
Formansprüche:
- Persönlicher Brief in Ichform;
- Schreibhaltung: ohne Ausschmückungen, Knudsen ist direkt
und eher wortkarg;
- Die Bildvergleiche "Fisch, Haken" müssen für Bertha
verständlich sein, d.h. direkter erklärt werden;
- Knudsen liebt eine harte, direkte Sprache gegenüber
seinen Mitmenschen und der Partei; dennoch ist er sehr
feinfühlig gegenüber Bertha;
- Abschiedsanrede an Bertha, etwa folgendermaßen: "Wenn es
schiefgeht, ..."
Nach dem Vorlesen und/oder Aushängen einer Lösungen
könnten diese verglichen werden. Entsprechend der
Vorschläge im Kapitel "Korrekturhilfen" kann eine intensive
Auswertung besprochen und transparent gemacht werden. Wichtig ist zu
beachten, daß nicht alle inhaltlichen
Unterrichtsschritte für eine gelungene Leistung notwendig sind.
Ein Briefschreiber führt keine streng gegliederte Argumentation.
Auch die stilistischen Merkmale sind nicht insgesamt zu erwarten.
Unterrichtsschritt 3: Gregor und Judith
Beschreibung:
Gregor, der klare Analytiker und Beobachter, entwickelt sich durch
den Einfluß des Klosterschülers zum "kalten Romantiker".
Einerseits spinnt er wie ein Regisseur das Netz der Flucht zu allen
Beteiligten, andererseit gibt er sich seinen Gefühlen an Judith
hin.
Er erweitert seine "private Aktion" um die Rettung der jungen
Jüdin. Im entscheidenden Moment bricht er die ihm ungewohnte
Stimmungslage und damit eine mögliche Bindung an Judith ab. Er
küßt sie nicht. Er tritt nicht aus seiner Rolle des
distanzierten Analytikers und Pragmatikers heraus.
Das Verlieben in Judith muß auch im Hinblick auf den
Schluß untersucht werden:
- Hätte er sich seinen Gefühlen hingegeben, wäre
er mit Judith nach Schweden gefahren.
- Indem er sich nicht an sie bindet, bleibt er frei - auch im
Sinne des Klosterschülers: aufstehen, weggehen, lesen, ohne
Auftrag leben, ...
Fragestellung: Warum rettet Gregor Judith?
Leseauftrag: Textpassage S. 112
- In der Kirche erklärt Gregor Judith den Fluchtplan.
Die Passage "Der Pfarrer wird in einer Viertelstunde kommen, .."
bis hin zu "Sie würden mir also nicht helfen, wenn Sie nicht
gerade dieser Figur zu helfen hätten?" wird gelesen.
Die Schüler/innen geben in einem ersten Schritt eine Antwort
an Gregors Stelle. Diese wird durchaus kontrovers ausfallen. Die
Meinungen werden am Text überprüft. Gregors
Zwiespältigkeit zeigt die folgende Übersicht:
Tafelbild 1:
Gregor und Judith
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einerseits
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andererseits
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- hingezogen zu Judith
- findet sie attraktiv und hübsch
- Mitgefühl zu ihr wegen ihrer Mutter
- Judiths Hilflosigkeit weckt seinen
Beschützerinstinkt
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- abgestoßen, da aus großbürgerlichem
Elternhaus
- sieht Judith als verwöhntes Mädchen
- will sich nicht durch die Liebe zu einer Frau von
seiner geistigen Souveränität ablenken lassen
- will überlegen sein
- will sich kontrollieren: "Kuriere sind Mönche"
- Erinnerung ans Franziskas Verschwinden von der
Akademie in Moskau
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Gregor anwortet - nach langem Nachdenken: "O ja, sagte Gregor und
vergaß alle Kontrollen, ich würde Ihnen auch helfen, wenn
es diese Figur nicht gäbe (S. 114)".
Im weiteren Verlauf wird diskutiert, weshalb er Judith nicht
küßt, nicht mit ihr flieht. Dazu wird das Gespräch
zwischen Judith und Gregor im Beiboot auf dem Haff gelesen und
besprochen:
"Ich verstehe Sie nicht, sagte Judith, ...; man kann alles richtig
machen und dabei das Wichtigste versäumen (S. 127).
Tafelbild 2:
Alles richtig machen ...
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das Wichtigste vergessen
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Knudsen überzeugen, nach Schweden zu fahren
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Knudsen über Judith täuschen
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Judith vor der Verhaftung schützen (in der
Wirtschaft)
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Judith küssen
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Judith und Klosterschüler in Sicherheit bringen
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gemeinsam mit Judith fliehen
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in gefährlicher Zeit als kritischer Mensch
überleben
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sich vor der Partei lösen; frei lesen; sich neu
orientieren, was richtig, gerecht und wichtig ist
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sich eng an eine Frau binden, eine Familie gründen
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Den Abschluß bildet der Versuch, den Roman mündlich
verändert zuende zu erzählen. Gregor hat sich in Judith
verliebt. Er möchte mit ihr nach Schweden fliehen.
- Die Handlungsentwicklung wird mündlich oder schriftlich
skizziert.
- Im Vergleich mit dem Romanende werden die Unterschiede
herausgestellt.
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