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27.12.1999

Manuskript:
Der Jahrhundert-Orkan

Wie aus heiterem Himmel zog der Winter-Orkan Lothar über Westeuropa. Keine Vorwarnung, nichts. Das schwere Sturmtief richtete vor allem in Frankreich, der Schweiz und in Süddeutschland ein Bild der Verwüstung an. Orkanböen mit Spitzengeschwindigkeiten von über 250 Stundenkilometern wurden an einigen Orten gemessen. Feuerwehrleute waren im Dauereinsatz, um die Schäden zu beseitigen. Viele Flüge wurden ersatzlos gestrichen.

Sturm "Lothar" über Deutschland

In Deutschland war vor allem der Südwesten betroffen. Auf dem Hohentwiel am Bodensee zum Beispiel wurde die höchste je in Deutschland gemessene Windgeschwindigkeit gemessen: 272 Stundenkilometer - eine volle Hurrikan-Stärke!

In einigen Orten Baden-Württembergs und Bayerns war zeitweilig der Strom ausgefallen. Teile des Nordschwarzwalds waren zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten. 15 Menschen hat "Lothar" in Deutschland in den Tod gerissen.

Die ganze Nacht über waren Feuerwehr und Rettungsdienste im Einsatz. Allein in Baden-Württemberg sperrten sie mehr als einhundert Straßen. Baumstämme und Äste hatten Autofahrer und Spaziergänger erschlagen. Elf tödliche Unfälle musste das Innenministerium in Stuttgart registrieren, mindestens vier waren es in Bayern. Mehr als einhundert Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Trotz Warnungen der Polizei.

Erwin Hetger, Polizei Baden-Württemberg:
"Im Ergebnis ist es so, dass die Leute oft den Eindruck haben, sie sind nicht gemeint, andere sind gemeint. Aber wie die Schadensbilanz heute uns belehrt, muss man derartige Warnungen sehr, sehr ernst nehmen."

Keine Schuld aber traf die Bewohner eines Wohnhauses in Stuttgart. Sie waren daheim, als ein umstürzender Kran ihr Dach spaltete. Verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Im Schwarzwald sprang die Lok eines Personenzuges aus den Gleisen. Stundenlang dauerte es, bis die Insassen befreit waren. Eine lebensgefährliche Aktion für die Helfer, denn immer wieder stürzten Bäume zu Boden. Überall in Süddeutschland wurden Bahnstrecken vorübergehend gesperrt.

Mehrere Tage werden die Aufräumarbeiten auf den Spuren "Lothars" dauern. In München hob der Sturm reihenweise Straßenbahnhäuschen aus den Angeln. In Raubling bei Rosenheim zerfetzte er das Dach eines Gymnasiums. Geschwindigkeiten von bis zu 215 Stundenkilometern erreichte der Wind über dem nahen Feldberg.

In eine endlose Wartepartie verwandelte sich für viele der Weihnachtsausflug. Auf Autobahnen und Landstraßen staute sich der Verkehr stundenlang, stellenweise bis in den Montagmorgen. Und auch jene Reisenden, die in die Sonne wollten, brauchten viel Geduld: Auf dem Münchner Flughafen fielen rund 40 Starts aus. Die Reisenden saßen fest. Zumindest aber im Trockenen.

Sturmschäden in Europa

Ein erster Kontrollflug über Frankreich nach dem Orkan zeigt: Dächer von alten Häusern wurden abgedeckt genauso wie von ganz neu gebauten. Im Nordwesten Frankreichs starben zwei Menschen, als ihr Haus in sich zusammenfiel. Andere Opfer wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen. Dutzende Straßen im ganzen Land sind noch immer blockiert. Überall wird aufgeräumt.

Etwa eine Stunde lang hatte Orkan Lothar in Frankreich gewütet. Der Schock sitzt den Menschen noch in den Knochen.

Mann:
"Ich weiss auch nicht, wie das genau kam. Von dort drüben kam plötzlich der Wind. Ich wollte nur ein paar Meter. Das ging aber nicht. Wie ein Tornado schoss der Sturm hier durch. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr vom Fleck bewegen, ich bin einfach nicht vorwärtsgekommen."

Der Orkan war in der Nacht über Frankreich hereingebrochen. Mit ungeheurer Wucht fegte der Wind auch durch die Straßen der Hauptstadt Paris, riss alles mit sich, was nicht genug Widerstand leistete: Bäume samt Wurzeln, Kioske, Litfasssäulen. Ganze Fassadenteile stürzten herab. Viele der weltberühmten Bauten an der Prachtstraße Champs Elysees wurden schwer beschädigt, die Straße gesperrt. Die Rettungsteams rückten zu rund 10-Tausend Einsätzen aus. Der Verkehr auf Bahnhöfen und Flughäfen war lahmgelegt. Bis zu eineinhalb Millionen Menschen in Frankreich waren zeitweise ohne Strom.

In Belgien brachte der Orkan so heftigen Regen mit sich, dass ganze Landstriche unter Wasser standen. Die Flüsse traten über die Ufer. Das Wasser versperrte Straßen und überflutete die Häuser. Viele Menschen mussten evakuiert werden.

Im Schweizer Wintersportort Crans Montana stürzte eine Skigondel ab. Zwei junge Skifahrer starben. Die Wetterstationen registrierten in den Alpen bisher nicht gemessene Windgeschwindigkeiten.

Ausnahmezustand herrschte auch rund um den Genfer See. Gewaltige Windböen brachten sogar Steinmauern zum Einstürzen.


Der Jahrhundert-Orkan


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