Ausstellungsnotizen
1848
- Aufbruch zur Freiheit
Zentrale"
Ausstellung zur Revolution in Frankfurt
Am
18. Mai 1848 schien sich der Traum der deutschen Liberalen
zu verwirklichen: Das erste Parlament, das die gesamte deutsche
Nation vertrat, kam in der Frankfurter Paulskirche zusammen.
Dass dieser hoffnungsvolle Ansatz von schweren Schatten
begleitet wurde, mochte dem revolutionären Aufbruch
des Frühjahrs zugute gehalten werden. Die Barrikadenkämpfe
in Berlin und Wien hatten die Ergebnisse gebracht, die in
Baden bereits vorher durch Konzessionen des Großherzogs
erreicht waren. Die Spaltung der liberalen Bewe-gung allerdings
hatte sich im April im Volkszug Friedrich Heckers von Konstanz
über den Schwarzwald gezeigt, und die auf Kompromiß
ausgelegte gemäßigte Richtung hatte sich durch
kompromißloses Verhalten gegenüber den Radikalen
ins Zwielicht gebracht.
Die
Ausstellung in der Frankfurter Schirn" thematisiert
allerdings mehr als nur diesen hoffnungsvollen parlamentarischen
Ansatz. Die deutsche Revolution von 1848 wird als europäisches
Ereignis begriffen und außer mit ihrer Vorgeschichte
auch mit ihrem bis in die Gegenwart wirkenden Erbe präsentiert.
So stehen nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen der -
letztlich gescheiterten - Parlamentsarbeit im Vordergrund,
sondern die langfristige Vorbildwirkung für die Formulierung
von Grundrechten in der Weimarer Verfassung und letztlich
auch im Grundgesetz. Darüber hinaus wird die Revolution
als europäisches Ereignis begriffen und als wesentliche
Station zu einem Europa der Menschen- und Bürgerrechte,
der individuellen Selbstbestimmung und der sozialen Gerechtigkeit
gewürdigt.
Der
Besucher betritt die Ausstellung über einen eigens
für die Präsentation im langgestreckten Gebäude
der Schirn" errichteten Freiheitssteg" - die
römischen Ruinen des Domplatzes unter sich, den gotischen
Dom vor sich, und die Paulskirche hinter sich. 140 Meter
Chronologie mit 700 Ausstellungsstücken liegen vor
ihm. Die Ausstellungsmacher haben dabei das Wagnis unternommen,
auf an die Wand genagelte Geschichtsbücher" zu
verzichten (so der Kurator, Prof. Lothar Gall) - und hoffen,
dass der Besucher in der Lage ist, die Exponate durch ihre
eigene Aussage und durch das Zusammenspiel mit ihrer Umgebung
zu erkennen und einzuordnen. Für alle Fälle gibts
mit der Eintrittskarte ein Führungsheft dazu.
Es
ist durchweg die europäische Dimension der Ereignisse,
die den Besucher in den Bann zieht. Freiheitskampf der Griechen
als Vorgeschichte, Revolutionen in Paris, in Mailand, in
Budapest, dann die Barrikadenkämpfe in Wien und Berlin.
Der Weg des Besuchers wird immer wieder unterbrochen, um
ihm die Bedeutung der Ereignisse in der Gegenwart vor Augen
zu führen - das Andenken der Märzgefallenen in
Berlin wurde besonders in der Arbeiterbewegung und in der
DDR gepflegt. Zwei Darstellungen der Germania stehen sich
gegenüber: Zum einen die Erwachende Germania",
ein zum ersten Mal in Deutschland gezeigtes Gemälde
von Christian Köhler (1849), das die unglaubliche nationale
Begeisterung jener Jahre symbolisiert. Zum anderen in der
Rotunde des Gebäudes, die der Paulskirchenversammlung
gewidmet ist, die erwachte und gewappnete Germania",
die schon 1848 dem Sitzungssaal zierte. Auch sie, von Philipp
Veit 1848 gemalt, wurde eigens für diese Ausstellung
aus den Depots herausgeholt und sorg-fältig restauriert.
Die Ankündigung verspricht in dieser Nachbildung des
Sitzungssaales das Stimmengewirr hitziger Parlamentsdebatten"
als Hörcollage. Die hitzigen" Debatten werden
allerdings etwas müde vorgetragen.
Der
Sieg der Gegenrevolution wird vor allem an Exponaten aus
Österreich dargestellt; was Preußen angeht, wird
er auf die Person des Oberkommandierenden der Marken, General
von Wrangel, reduziert. Hier zeigt sich ein subjektiv erlebter
Mangel der Ausstellung, der auf die Beschränkung der
Ausstellungsfläche zurückgeführt werden mag:
Das Doppelspiel des Preußenkönigs durchzieht
die gesamte Revolutionszeit und hat unter anderem maßgeblichen
Anteil am Scheitern dieses Aufbruchs zur Freiheit".
Schlußpunkt
der Ausstellung ist eine Inszenierung, die für sich
spricht: ein Schiffsbug, vor dem die Freiheitsstatue (im
Terrakottamodell) steht, symbolisiert die Freiheit, die
nach 1849 nur durch Auswanderung ins gelobte Land erreicht
werden konnte. Der Vergleich zum Titanic-Rummel drängt
sich auf.
Der
Rückweg mündet in einen lichten Saal, der dem
Fortwirken der Ziele und Ideale von 1848 gewidmet ist. Die
Gegenüberstellung der Grundrechte von 1848 und 1949
vor einer großen Fensterfront beschwört die Kraft
des Erbes, verweist aber auch auf die eklatanten Verletzungen
dieser Rechte bis in die unmittelbare Gegenwart hinein.
Erst
beim Verlassen der Ausstellung wird der letzte der Bezüge,
der von der Erwachenden Germania" von 1849 zur Revolution
des Volkes und der nationalen Auf-bruchstimmung von 1989
hergestellt.
Die
Ausstellung greift auch multimediale Neuerungen auf, indem
sie im Keller virtuelle Modelle der Paulskirche von 1848,
des Reichs-tags von 1894 und des Bundestags von 1999 präsentiert
- dreidimen-sional und in Virtual reality" begehbar.
Man wird gespannt sein, wie sich Schulklassen um den einen
steuernden Joystick streiten.
Und
Schulklassen kommen dank einer Initiative des Bundesverbandes
deutscher Zeitungsverleger zu hauf. Kostenlose Fahrt wird
ihnen geboten, und wer länger als dreieinhalb Stunden
Anfahrtszeit hat, bekommt ein Hotelzimmer. 50000 Anmeldungen
konnten noch vor Beginn der Ausstellung verbucht werden.
Der
Katalog ist mit 448 Seiten und 500 Abbildungen eine wahre
Fundgrube. In der Ausstellung ist er zum absoluten Tiefpreis
von 1998 Pfennigen zu haben (Buchhandelspreis DM 68.-).
Auch er verweist in den Abschnitten auf gelbem Papier auf
die Probleme, die seit 1848 und bis in die Gegenwart hinein
unsere Existenz bestimmen.
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