Neue
Sonderausstellung "Die 'Dame von Kirchheim/Ries' - Gewand und
Schmuck der alamannischen Frau" im Alamannenmuseum Ellwangen
16.7.2004-
9.1.2005
Knapp
drei Jahre nach der Eröffnung des Ellwanger Alamannenmuseums im
September 2001 und im Anschluss an die Eröffnungsausstellung "Die
Reiterkrieger von Pfahlheim", die vom Germanischen Nationalmuseum
in Nürnberg übernommen wurde und die bis Januar 2004 mehr als
25.000 Besucher gesehen haben, präsentiert das Museum bis zum
9. Januar 2005 nun die erste von ihm selbst entwickelte Sonderausstellung.
Ihr Titel lautet "Die Dame von Kirchheim am Ries - Gewand und
Schmuck der alamannischen Frau".
Das
Thema ist ganz bewusst gewählt: Zum einen folgen auf die "Reiterkrieger"
nun die alamannischen Frauen, die im Mittelpunkt der Ausstellung
stehen und dem Ausstellungsbesucher mit Ihren Schmuckstücken und
anderen wertvollen Grabbeigaben einen wahren Augenschmaus bieten.
Zum anderen behandelt das Museum mit Kirchheim am Ries nach Pfahlheim
einen weiteren bedeutenden alamannischen Fundort im Ellwanger
Raum, der in der Forschung Rang und Namen hat. Zwischen 1962 und
1964 wurde in Kirchheim am Ries beim Bau der heutigen Alemannenschule
der mit 570 Bestatteten bis dahin größte alamannische Reihengräberfriedhof
im nördlichen Württemberg ausgegraben. Die verschiedenen Teile
des Gräberfelds wurden von der Mitte des 6. Jahrhunderts bis ins
beginnende 8. Jahrhundert belegt.
Gegen
Ende des 7. Jahrhunderts ist eine führende Adelsfamilie in Kirchheim
dazu übergegangen, ihre Toten auf einem eigenen, kleinen Friedhof
zu bestatten. Leider ist die Mehrzahl dieser ursprünglich prunkvollen
Gräber bereits früh beraubt worden. Eine Ausnahme bildet das reiche
Frauengrab 326, in dem eine Christin beerdigt war und das eine
Vorstellung vom Reichtum beim alamannischen Adel im westlichen
Ries gibt. Dieses Grab, das Grab der so genannten "Dame von Kirchheim"
aus der Zeit um 680 n. Chr., steht im Mittelpunkt der Ausstellung,
und die Grabbeigaben dieser Frau sind so umfangreich, dass sie
allein zwei der neun Ausstellungsvitrinen füllen. In den anderen
Vitrinen präsentieren sich weitere wertvolle Grabbeigaben aus
Kirchheimer Frauengräbern, die meisten davon sind zum ersten Mal
öffentlich zu sehen, manches wurde eigens für die Ausstellung
restauriert. In Ellwangen ist man erfreut darüber, dass sich das
Württembergische Landesmuseum in Stuttgart für ein halbes Jahr
von seinen wertvollen Beständen trennen konnte, so dass die Funde
nun, 40 Jahre nach Ihrer Entdeckung, erstmals wieder in den Ostalbkreis
zurückgekehrt sind.
Die
gesamte Region zwischen Aalen und Ellwangen im Westen sowie dem
Nördlinger Ries im Osten war zur Zeit der Alamannen offenbar dicht
besiedelt, wovon zwei Dinge bis heute überliefert sind: zum einen
die große Zahl der hier gefundenen alamannischen Reihengräberfelder,
zum anderen die noch zahlreicheren -ingen- und -heim-Orte, deren
Gründung fast immer in die Zeit der Alamannen fällt. Die Grundlage
des Reichtums der in Kirchheim Bestatteten waren offensichtlich
die fruchtbaren Böden des Nördlinger Rieses und der damit verbundene
große Grundbesitz der führenden Geschlechter. Zu allen Zeiten
war das Ries als Kornkammer berühmt.
Ausgehend
von den Grabbeigaben der "Dame von Kirchheim" wird in der Ausstellung
versucht, eine Vorstellung vom Aussehen der alamannischen Frauen
im 6. und 7. Jahrhundert zu geben, insbesondere was ihre Kleidung
und ihren Schmuck betrifft. Besonders kennzeichnend sind in diesem
Zusammenhang die schon in der Antike als "fibula", also als Fibeln
bezeichneten Gewandspangen. Diese dienten nicht nur als Kleiderverschluss
und Schmuck, sondern waren auch ein Standesabzeichen. Bis in die
Mitte des 6. Jahrhunderts waren vier Fibeln üblich, zwei Kleinfibeln
(oft Vogel- oder S-Fibeln) in der oberen Körperhälfte und zwei
Bügelfibeln, die offenbar an einer um die Hüfte geschwungenen
Schärpe befestigt waren. In der Zeit des Friedhofs von Kirchheim
am Ries war man bereits dazu übergegangen, stattdessen zwei Scheibenfibeln,
später dann eine einzelne Scheibenfibel auf der Brust zu tragen.
Fingerringe
wurden bei sechs Frauen im Kirchheimer Gräberfeld angetroffen.
Auf der Schmuckplatte eines Bronzerings aus dem Grab 243 befindet
sich ein Monogramm, bestehend aus einem "S" und einer dieses durchkreuzenden
Zickzacklinie, das auch als Kreuzzeichen angesehen werden kann.
Der goldene Ring aus dem Grab der Dame von Kirchheim trägt einen
Amethyst und war der Größe nach ein Daumenring, so dass man ihn
gleichzeitig als ein Standesabzeichen zu werten hat. Einen solchen
Ring trug auch die fränkische Königin Arnegunde, die um 580 n.
Chr. in der Kirche St. Denis nördlich von Paris bestattet wurde
und in deren Grab sich umfangreiche Kleidungsreste erhalten haben.
Ein
fester Bestandteil der alamannischen Frauentracht sind Gürtel-
und Ziergehänge, an denen außer Gebrauchsgerät wie Messer, Kamm
und Schlüssel zahlreiche Schmuck- und Amulettanhänger getragen
wurden. Die farbenprächtigen Perlen wurden, soweit sie nicht zu
Halsketten gehören, welche in Kirchheim in großer Zahl gefunden
wurden, als Perlengehänge im Hüftbereich oder an den Beinen getragen.
Die "Dame von Kirchheim" besaß allein vier Gehänge: An einem eisernen
Stangengürtel trug sie ein Kettengehänge aus Bronze, dessen beide
Verteiler langovale menschlichen Masken mit Augen, Augenbrauen
und Nase zeigen, ergänzt um Tierköpfe. Als Fruchtbarkeitsamulett
trug sie eine exotische Tigermuschel bei sich, dazu eine Bronzezierscheibe
mit der Darstellung von Menschen mit beim Nachbarn eingehakten
Armen. Dass sie bereits christianisiert war, zeigt die verschließbare
silberne Kugelkapsel mit den vier silbernen, kreuzförmigen Beschlägen
von der Aufhängung, die im Bereich des Oberkörpers aufgefunden
wurden. Zu den besonderen Ausstellungsstücken zählen auch Kreuzanhänger
sowie eine Fibel mit der Darstellung zweier Engel zu beiden Seiten
eines mit einem Kreuz geschmücktenen Stabes als Zeichen der beginnenden
Hinwendung zum Christentum.
Der
zweite Teil der Ausstellung behandelt Kleidung, von der sich nur
vereinzelt Textilreste erhalten haben. In Kirchheim sind an einigen
Eisengegenständen Gewebereste durch den Rost konserviert worden,
wie sich in der Ausstellung an mehreren Beispielen feststellen
lässt. Für ihre Herstellung spielte der Flachs, auch Lein genannt,
die größte Rolle. Schon seit alters her bildete außerdem die Schafzucht
die Grundlage für eine ausgeprägte Textilproduktion. Vor allem
im Bereich der östlichen Schwäbischen Alb und der angrenzenden
Donauniederung um Dillingen wird ein alamannisches Wollzentrum
vermutet. Daneben eigneten sich auch andere Pflanzenfasern zur
Herstellzung von Stoffen. So wird in der Ausstellung ein Brennnesselstoff
als Stoffballen zum Anfassen gezeigt, wie er heute nur noch in
Nepal hergestellt wird. Für kräftige Rot- und Blautöne sorgten
schließlich Färbepflanzen wie Krappwurzel, auch als Färberröte
bekannt, und Waid, ein Indigofarbstoff. Das Besondere hierbei:
Die Färbelösung ist gelblich-grün, auch die gefärbte Faser ist
zunächst gelblich-grün und wird erst durch den Sauerstoff an der
Luft langsam blau.
Für
Gruppen und Schulklassen bietet das Museum ein umfangreiches museumspädagogisches
Begleitprogramm an. Am Sonntag, 1.8.2004 findet um 11 Uhr eine
öffentliche Führung in der Sonderausstellung statt, zu der keine
Anmeldung erforderlich ist. Führungen für Schulklassen und andere
Gruppen können jederzeit unter Tel. 07961/969747 vereinbart werden.
Für Schüler in Schulklassen und Gruppen ab 12 Personen gelten
ermäßigte Eintrittspreise; die Gebühr für eine Führung beträgt
30 Euro.
Text:
Museum
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