Schwerpunktthema

Heidelberg

Die Vergangenheit ist die Schwester der Zukunft

Eine Heidelberger Frauenstadtgeschichte

Pünktlich zum Internationalen Frauentag am 8. März 1996 und anläßlich der 800-Jahr-Feier Heidelbergs erschien ein Buch zur Frauengeschichte. Auf Initiative des Amtes für Frauenfragen hat eine Gruppe von Frauen unter wissenschaftlicher Leitung von Petra Nellen recherchiert und aufgeschrieben. Hier wird einmal nicht von Königinnen und Fürstinnen berichtet, weil sie diesen oder jenen Fürsten heiraten und ihm einen Sohn gebären sollten; nicht von der Nonne sowieso, die zur Heiligen erklärt wurde. Es wurde der Versuch unternommen, über die vielfältige Existenz von Frauengestalten und deren Möglichkeiten in der Vergangenheit zu berichten - bis heute ein Manko in den Geschichtsbüchern.

Das Buch wendet sich nicht hauptsächlich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern an alle, die sich mit Frauen- und Stadtgeschichte beschäftigen: interessierte Laien, gebürtige Heidelbergerinnen und Heidelberger, Heimatkundlerinnen und Heimatkundler ... Das Buch ist nicht streng chronologisch geordnet. Zeitabläufe werden mit inhaltlichen Zusammenhängen verwoben. So sind sieben thematische Kapitel entstanden, die in sich den Faden der Zeit verfolgen.

Der Bogen spannt sich vom weiblichen Alltag über das Leben von Nonnen und Schriftstellerinnen bis hin zur Ausbildung von Mädchen über 400 Jahre hinweg zu den ersten Studentinnen und weiter zu Frauenbündnissen des vergangenen und die-ses Jahrhunderts. Wir erfahren von Hexenprozessen im Heidelberger Raum, von Frauenberufen im Mittelalter, von fahrenden Händlerinnen und Diebinnen im 19. Jahrhundert, von literarischen Damenzirkeln und Flüchtlingsfrauen nach dem 2. Weltkrieg. Ein Kapitel ist der Neuen Frauenbewegung Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre gewidmet, ein anderes stellt den Heidelberger Frauenverein vor, der nach dem Weltkrieg von engagierten Frauen gegründet wurde und die Interessen der Frauen vertreten sollte; kurz - ein breit gefächertes Band von Frauenschicksa-len. Das Leben der Frauen in verschiedenen Epochcn zieht an uns vorüber und zeigt ihre Aufgaben und Fä.higkeiten. Da ist z.B. die Rede von Susanna von Manssbach, einer Nonne, die im 18. Jahrhundert das Dominikanerinnen-Weißnonnenkloster in der Schießtorstraße gründete und in äußerst couragierter und selbstbewußter Art für ihr Kloster kämpfte; von Olympia Fulvia Morata, der älte-sten bekannten Schriftstellerin Heidelbergs im 16. Jahrhundert, die hochgebildet war und von der man annimmt, daß sie fast einen Ruf an die Universität erhaten hätte; von Marianne Weber, die als eine der ersten Frauen in ein deutsches Parlament einzog und sich dennoch in erster Linie ìhrem Mann Max Weber verpflichtet fühlte; von Sophie Kraft, einer der bekanntesten Heidelberger Marktfrauen, die durch ihren Humor zu einem Original wurde und so weiter. Dieses Buch ist der Beginn einer geschriebenen Heidelberger Frauenstadtgeschichte, und es gibt immense Lücken zu schließen. Wer macht weiter?

Das Buch ist geschmückt mit vielen interessanten schwarz/weißen und farbigen Fotos, historischen Brief-, Zeitungs- und Buchausschnitten,Statistiken etc.

-ms


Nelle, Petra u.a.: Die Vergangenheit ist die Schwester der Zukunft. 800 Jahre Frauenstadt-geschichte in Heidelberg. Herausgegeben von der Stadt Heidelberg . 320 Seiten, 130 Abb. broschiert. Ubstadt-Weiher: verlag regionalkultur, 1996. DM 34.-
Nachrichten & Notizen 6/96

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