| Judenfeindliche 
              Propaganda stützt sich in Deutschland auf eine lange Tradition. 
              Bereits aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit sind Abbildungen 
              bekannt, die die gängigen Klischees über Juden aufgreifen. 
              Die Bandbreite reicht dabei vom vermeintlich harmlosen Spott bis 
              hin zu Verunglimpfung, Herabsetzung und zur Hetze. Mit dem Aufkommen 
              der Postkarte bot sich der Bildpropaganda auf diesem Gebiet ein 
              ganz neues Betätigungsfeld.  Die Postkarte 
                stellt kommunikationssoziologisch die Möglichkeit dar, unter 
                Verzicht auf gewählte, anspruchsvolle (Gruß- und Abschieds-)Floskeln 
                und auf komplexere syntaktische Strukturen einfache Mitteilungen" 
                zu verschicken. Insofern war die Postkarte (oder Korrespondenzkarte") 
                ein Medium, das den einfacheren Sprach- und Mitteilungsformen 
                der kleinbürgerlichen Schichten entgegenkam. Auf einer Postkarte 
                genügte bereits ein Liebe Berta! Wir sind gut angekommen. 
                Es geht uns gut!" 
                Von Anfang 
                an war die Postkarte auch Träger von Bild-Informationen. 
                Kurorte und Sommerfrischen hatten die Möglichkeit, sich so 
                darzustellen. Objekte wurden auf Postkarten gebracht, die man 
                heute auf diesem Medium längst vergebens sucht. Der schnelle 
                Gruß aus der Sommerfrische kam in Mode. Der Autor dieser 
                Zeilen erinnert sich noch gut an die großmütterlichen 
                Kreuze auf Urlaubskarten: Hier wohnen wir!" 
                Das wilhelminische 
                Deutschland ist nun (unter anderem) sowohl durch eine Zunahme 
                der Mobilität in der Bevölkerung durch raschen Ausbau 
                des Eisenbahnnetzes als auch durch industrielle Fertigung dieser 
                Bildpostkarten in Massenauflagen gekennzeichnet. Von der inneren 
                Struktur her trägt es den Geburtsfehler in sich, das Selbstverständnis 
                der Nationsbildung aus einem Feindbild heraus, und die Staatsbildung 
                aus dem Kampf gegen diesen Feind herzuleiten. Wenn aber ein Feind 
                herhalten muss, um die Nation zusammemzuhalten, ist das Selbstverständnis 
                der Nation auf Intoleranz gebaut. Wenn dann der äußere 
                Feind besiegt ist, oder wenn es inopportun ist, das äußere 
                Feindbild zu pflegen, dann wächst schnell ein innerer Feind 
                heran, gegen den sich die guten" Kreise der Nation zusammenschließen 
                müssen. Das ist eine Seite des wilhelminischen Antisemitismus, 
                das ist genauso eine Seite des bismarckschen Kampfes gegen die 
                Sozialisten. 
                Die Ausstellung 
                zeigt nun, in welch rasantem Tempo auch die antisemitische Propaganda 
                sich dieses Mediums bemächtigte - und möglicherweise 
                gerade durch die Vorliebe kleinbürgerlicherer Kreise für 
                die Bild-Postkarte gefördert wurde. Sie zeigt weiterhin, 
                mit welchen - zumTeil uralten -Klischees die antisemitische Propaganda 
                arbeitete. 
                Besonders 
                hervorstechend ist dabei die klischeehafte Überzeichnung 
                der Eigenschaften, die man propagandistisch den Juden zuschrieb. 
                Die Darstellung der Juden entsprang immer derselben Typologie: 
                gedrungener Körperbau, rundes Gesicht, krumme Nase - und 
                der spezifische" Charakter zeigte sich in verzerrten Gesichtszügen. 
                
                Diese Erkenntnisfähigkeit" 
                gegenüber der jüdischen Bevölkerung wurde auch 
                im jüdischen Witz karikiert, als während der Musterung 
                der Arzt feststellt: Nase: gerade". Als jedoch auf die Frage 
                nach der Religion mosaisch" genannt wird, streicht der Arzt 
                das gerade" wieder und setzt krumm" ein. Ausflüsse 
                dieser Erkenntnisfähigkeit" sind in der Ausstellung 
                ebenfalls vertreten. 
                Besonders 
                zu nennen ist für dieses Klischee vom häßlichen 
                Juden" das Plakat aus der Frühzeit des Nationalsozialismus, 
                das diese Karikatur eines typischen" Juden hinter der reinen" 
                deutschen Jungfrau zeigt - und beide über einem offenen Sarg. 
                
                Die Lösung 
                für alle Probleme, die man den Juden zuschrieb, lag schon 
                früh in ihrer Ausgrenzung, dann in der Entfernung aus dem 
                reinen" deutschen Volkskörper, aus dem Hotel, aus dem 
                Seebad, aus dem Dorf, aus dem Land. Und schließlich auch 
                in ihrer physischen Auslöschung. 
                Der Berliner 
                Sammler Wolfgang Haney, der selbst als Mischling 1. Grades" 
                nach 1933 verfolgt wurde, konnte innerhalb recht kurzer Zeit, 
                vor wenigen Jahren noch, auf dem Sammlermarkt über 1000 judenfeindliche 
                Bildpostkarten aus der Zeit zwischen 1880 und 1940 erwerben - 
                mit der ausdrücklichen Absicht, hier einen Teil der Wurzeln 
                zu zeigen, aus denen der Anisemitismus der Nationalsozialisten 
                seien Nahrung zog. Die Ausstellung wird präsentiert vom Jüdischen 
                Museum und dem Museum für Kommunikation, beide in Frankfurt/Main, 
                und von der Bundeszentrale für politische Bildung und der 
                Heinrich Böll-Stiftung unterstützt. Zur Ausstellung 
                ist ein umfangreiches Kataloghandbuch im Umschau/Braus-Verlag 
                erschienen. 
                
                Kurpfälzisches 
                Museum Heidelberg 
                2. April 
                - 12. Juni 2000 
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