Die ersten Faltfächer kamen im frühen 16. Jahrhundert mit portugiesischen
Handelsschiffen aus China nach Europa. Nach Frankreich direkt
kamen chinesische Fächer erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit
französischen Schiffen. Sie verhalfen dem "gout chinois" zum Erfolg
beim Adel, der diese Fächer, die bei speziellen Auktionen zu großen
Pyramiden aufgetürmt waren, in Mengen kaufte. Ludwig XIV. und
Madame de Maintenon förderten die um sich greifende Chinamode,
zumal Madame Großaktionärin der "Companie des Indes" mit mehreren
Handelsschiffen war.
Zuvor kannte man Federfächer, die eher Federwedel
waren. Katharina von Medici hatte sie nach ihrer Heirat mit dem
französischen Thronfolger Heinrich II. aus Italien nach Frankreich
mitgebracht. Der Faltfächer wurde erst unter Heinrich III. am
Hof getragen, zuerst sowohl von den Damen als auch von den Herren.
Zahlreiche Arbeitsschritte waren notwendig, bis ein Fächer zum
Auffalten bereit war. Bis zu 20 Handwerker und Künstler waren
mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten befasst. In Frankreich
waren es vor allem die Möbelhändler, die aus- und inländische
Fächer vertrieben. Sie beauftragten Kunsttischler, Maler, Vergolder...,
die arbeitsteilig in der Zunft der Fächermacher (eventaillistes)
organisiert waren. Unter Ludwig XIV. schlössen sich die Pariser
Fächermacher zur "Corps & Communaute de Maitres Eventaillistes,
Faiseurs, Compositeurs & Monteurs d' Eventailles de la Ville,
Faubourg & Banlieu de Paris" zusammen. Gut organisiert, konnten
die Eventaillisten den anspruchsvollen Wünschen des französischen
Hofes nach luxuriösen Ac-cessoires nachkommen.
Das Fächerblatt
unseres chinesischen Faltfächers misst 15 cm, er ist 28 cm lang.
Es ist doppelt montiert, d.h.die Stäbe des Gestells sind zwischen
zwei bogenförmig geschnittene, gelbliche Papierblätter eingeklebt. Die
Vorderseite zeigt drei Chinesen in einem Garten. Ein Mann sitzt
auf einem Felsen, eine Dame mit einem Saiteninstrument in der
Hand zeigt mit der anderen auf einen blühenden Kirschblütenzweig,
ein ostasiatisches Symbol für Reinheit. Ein kleingemalter Chinese
an ihrer Seite, ihr Diener, scheint sie zu bewachen. Diese Figurengruppe
ist flächig mit Wasserfarben in das mittlere Fächersegment aufgemalt.
Eingerahmt wird sie von einem Baum, drei Blumenvasen und einem
kleinen Felsen. Rankenartige Bäumchen trennen die Dame und den
Herren. Ihre Gesichter sind aus kleinen Elfenbeinplätt-chen ausgeschnitten,
mit feinstem Pinsel linear bemalt und auf die gemalten Körper
aufgeklebt worden. Pünktchen von Blattsilber und -gold schmücken
die Gewänder. Kleine Federchen aus Glanzpapier lassen ihre Kopfbedeckungen
im Licht schimmern. Die Blätter der Ranken-bäumchen sind mit paillettenartig
glänzenden Partikeln dekoriert. Die Figuren stehen wie auf einer
Bühne, auf einer unregelmäßig gezogenen Horizontlinie. Das Auf
und Ab des Landschäft-chens wird durch goldene, punktierte Doppellinien
angedeutet. Die umlaufenden Klebestellen an den Fächerblatträndern
sind mit zarten Goldleisten und Ranken verziert. Mitten auf der
Rückseite des Fächerblattes sind zwei miteinander verschränkte,
dunkelrote Ranken aufgemalt. Das Fächergestell besteht aus geschnitztem
Elfenbein: 12 mit goldenen Pflanzenmotiven belegte Stäbe und zwei
Deckstäbe (leicht beschädigt). Diese weisen mit zwei in Reliefschnitzerei
gearbeiteten Saiteninstrumenten auf die kleine Gartenmusik im
Innern des Fächers hin. Solche Fächer waren häufig Geschenke von
Verehrern oder auf Festen und Hochzeiten. Nicht nur die Braut,
auch alle anwesenden Damen erhielten einen Fächer "in vorgeschriebener
Weise nach Rang und Stand gewissenhaft verteilt". Im barocken
Hofzeremoniell hatte der Fächer seinen festen Platz. In Gegenwart
des Souveräns war es nicht erlaubt, den eigenen Fächer zu öffnen.
Als flachgehaltenes "Tablett" konnte er aber benutzt werden, um
dem Fürsten oder der Fürstin etwas hinzureichen. In der Beziehung
zwischen Mann und Frau entwickelte sich seit dem 17. Jahrhundert
die Vorstellung von der "galanten Liebe". Rücksichtnahme des Mannes
und "Zügelung seiner Begierden" wurden erwartet. Das bedeutete
eine "Kultivierung des sozialen Umgangs" (Elias). Der Fächer spielte
hierbei keine unbedeutende Rolle. Seit dem 18. Jahrhundert benutzten
nur noch Frauen einen Fächer, in nahezu allen gesellschaftlichen
Schichten. Sich Luft zuzufächeln gehörte zu den einfachsten Übungen,
die enggeschnürten Kleider, die hygienischen Gewohnheiten machten
das erforderlich. Aber der gekonnte Umgang mit dem eigenen Fächer
war das wichtigste. Er wurde regelgerecht erlernt. Verschiedene
Fächerschläge mussten graziös geführt werden, um Wirkung zu zeigen.
Die lautlosen Botschaften der Fächersprache galten als diskreteste
Form für eine Verabredung, Liebeserklärung oder Zurückweisung.
So hieß den Fächer am äußersten Rand mit dem Finger berühren:
Ich möchte mit dir sprechen. Oder langsam fächeln: Ich bin verheiratet.
Oder ihn mit dem kleinen Finger abgespreizt haltend: Auf Wiedersehen.
Angelika
Dirscherl
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