Kunstwerk des Monats
Juni 2005

Mandarinfächer mit chinoiser Genreszene

Der Fächer ist viel mehr als nur ein Ding, mit dem man sich handgemachte Kühlung verschafft. Unter all den Accessoires, die die Mode im Lauf der Jahrhunderte erfand, nimmt er eine besondere Stellung ein. Wie der Schirm oder die Tasche als Beiwerk zur Kleidung hat er über die Jahrhunderte hinweg den Charakter eines zusätzlichen Instrumentes beibehalten. Der kühle Luftzug ist nur eine seiner Aufgaben, er war Teil höfischer Umgangsformen, diente als anmutiges Spielzeug, als amouröse Waffe der Dame: Der Fächer galt als das Szepter der Frau.


Die ersten Faltfächer kamen im frühen 16. Jahrhundert mit portugiesischen Handelsschiffen aus China nach Europa. Nach Frankreich direkt kamen chinesische Fächer erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit französischen Schiffen. Sie verhalfen dem "gout chinois" zum Erfolg beim Adel, der diese Fächer, die bei speziellen Auktionen zu großen Pyramiden aufgetürmt waren, in Mengen kaufte. Ludwig XIV. und Madame de Maintenon förderten die um sich greifende Chinamode, zumal Madame Großaktionärin der "Companie des Indes" mit mehreren Handelsschiffen war.
Zuvor kannte man Federfächer, die eher Federwedel waren. Katharina von Medici hatte sie nach ihrer Heirat mit dem französischen Thronfolger Heinrich II. aus Italien nach Frankreich mitgebracht. Der Faltfächer wurde erst unter Heinrich III. am Hof getragen, zuerst sowohl von den Damen als auch von den Herren.
Zahlreiche Arbeitsschritte waren notwendig, bis ein Fächer zum Auffalten bereit war. Bis zu 20 Handwerker und Künstler waren mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten befasst. In Frankreich waren es vor allem die Möbelhändler, die aus- und inländische Fächer vertrieben. Sie beauftragten Kunsttischler, Maler, Vergolder..., die arbeitsteilig in der Zunft der Fächermacher (eventaillistes) organisiert waren. Unter Ludwig XIV. schlössen sich die Pariser Fächermacher zur "Corps & Communaute de Maitres Eventaillistes, Faiseurs, Compositeurs & Monteurs d' Eventailles de la Ville, Faubourg & Banlieu de Paris" zusammen. Gut organisiert, konnten die Eventaillisten den anspruchsvollen Wünschen des französischen Hofes nach luxuriösen Ac-cessoires nachkommen.
Das Fächerblatt unseres chinesischen Faltfächers misst 15 cm, er ist 28 cm lang. Es ist doppelt montiert, d.h.die Stäbe des Gestells sind zwischen zwei bogenförmig geschnittene, gelbliche Papierblätter eingeklebt.
Die Vorderseite zeigt drei Chinesen in einem Garten. Ein Mann sitzt auf einem Felsen, eine Dame mit einem Saiteninstrument in der Hand zeigt mit der anderen auf einen blühenden Kirschblütenzweig, ein ostasiatisches Symbol für Reinheit. Ein kleingemalter Chinese an ihrer Seite, ihr Diener, scheint sie zu bewachen. Diese Figurengruppe ist flächig mit Wasserfarben in das mittlere Fächersegment aufgemalt. Eingerahmt wird sie von einem Baum, drei Blumenvasen und einem kleinen Felsen. Rankenartige Bäumchen trennen die Dame und den Herren. Ihre Gesichter sind aus kleinen Elfenbeinplätt-chen ausgeschnitten, mit feinstem Pinsel linear bemalt und auf die gemalten Körper aufgeklebt worden. Pünktchen von Blattsilber und -gold schmücken die Gewänder. Kleine Federchen aus Glanzpapier lassen ihre Kopfbedeckungen im Licht schimmern. Die Blätter der Ranken-bäumchen sind mit paillettenartig glänzenden Partikeln dekoriert. Die Figuren stehen wie auf einer Bühne, auf einer unregelmäßig gezogenen Horizontlinie. Das Auf und Ab des Landschäft-chens wird durch goldene, punktierte Doppellinien angedeutet.
Die umlaufenden Klebestellen an den Fächerblatträndern sind mit zarten Goldleisten und Ranken verziert. Mitten auf der Rückseite des Fächerblattes sind zwei miteinander verschränkte, dunkelrote Ranken aufgemalt.
Das Fächergestell besteht aus geschnitztem Elfenbein: 12 mit goldenen Pflanzenmotiven belegte Stäbe und zwei Deckstäbe (leicht beschädigt). Diese weisen mit zwei in Reliefschnitzerei
gearbeiteten Saiteninstrumenten auf die kleine Gartenmusik im Innern des Fächers hin.
Solche Fächer waren häufig Geschenke von Verehrern oder auf Festen und Hochzeiten. Nicht nur die Braut, auch alle anwesenden Damen erhielten einen Fächer "in vorgeschriebener Weise nach Rang und Stand gewissenhaft verteilt".
Im barocken Hofzeremoniell hatte der Fächer seinen festen Platz. In Gegenwart des Souveräns war es nicht erlaubt, den eigenen Fächer zu öffnen. Als flachgehaltenes "Tablett" konnte er aber benutzt werden, um dem Fürsten oder der Fürstin etwas hinzureichen. In der Beziehung zwischen Mann und Frau entwickelte sich seit dem 17. Jahrhundert die Vorstellung von der "galanten Liebe". Rücksichtnahme des Mannes und "Zügelung seiner Begierden" wurden erwartet. Das bedeutete eine "Kultivierung des sozialen Umgangs" (Elias). Der Fächer spielte hierbei keine unbedeutende Rolle.
Seit dem 18. Jahrhundert benutzten nur noch Frauen einen Fächer, in nahezu allen gesellschaftlichen Schichten. Sich Luft zuzufächeln gehörte zu den einfachsten Übungen, die enggeschnürten Kleider, die hygienischen Gewohnheiten machten das erforderlich. Aber der gekonnte Umgang mit dem eigenen Fächer war das wichtigste. Er wurde regelgerecht erlernt. Verschiedene Fächerschläge mussten graziös geführt werden, um Wirkung zu zeigen. Die lautlosen Botschaften der Fächersprache galten als diskreteste Form für eine Verabredung, Liebeserklärung oder Zurückweisung. So hieß den Fächer am äußersten Rand mit dem Finger berühren: Ich möchte mit dir sprechen. Oder langsam fächeln: Ich bin verheiratet. Oder ihn mit dem kleinen Finger abgespreizt haltend: Auf Wiedersehen.

Angelika Dirscherl

Literatur:

Ohm, Anneliese: Fächer. Reallexikon der dt. Kunstgeschichte, Bd.6., S. 879 - 931, München 1973 Küster, Christian: Zauber des Fächers. Ausst. Katalog Alto-naer Museum, Hamburg 1974
Brinker, Helmut: Zauber des chinesischen Fächers. Ausst. Katalog Museum Rietberg, Zürich 1979 Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation, Bd.1, Frankfurt 1979
Kopplin, Monika: Kompositionen im Halbrund. Ausst. Katalog Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart 1983 Kammerl, Christi: Der Fächer. München 1989 Mesmer, Philippe: Die geheime Sprache der Fächer. New York 2002

 

Elfenbein, geschnitzt, Papier, bemalt und gefaltet, Blattsilber, Blattgold
Frankreich um 1770
Inv. Nr. GV 29

Bild: Museum
 
 
siehe auch:  
zurück zur Übersicht

weiter:  Juli 2005


Hauptmenü | Heidelberg | Kurpfälzisches Museum | Register | Impressum | ZUM |
© Text und Abbildung Kurpfälzisches Museum 2005
© Gestaltung Badische Heimat 2005

-

Impressum · Datenschutz