Kunstwerk des Monats
März 2005
Sammlungsblatt

Amphitrite
Modell von Franz Conrad Linck (17301793)

Die griechische Meeresgöttin Amphitrite war die Tochter des heiteren und das Recht liebenden greisen Meeresgottes Nereus und seiner Gemahlin Doris, die ihren Wohnsitz im Ägäischen Meer hatten. Dem Paar wurden fünfzig Töchter, die sogenannten Nereiden, geboren. Diese freundlichen und wohltätigen Nymphen bewohnten die Tiefe des Meeres, waren den Menschen wohlgesinnt und halfen bei Seenot in stürmischer See, wenn man sie anrief. Eine der Töchter war Amphitrite, um die der Meeresgott Poseidon heftig warb. Vor seinem Ungestüm floh sie zu dem Titanensohn Atlas, der als Strafe für seine Mitwirkung am Titanenkampf das Himmelsgewölbe auf seinem Haupt tragen musste. Dort oben wähnte sie sich sicher. Auf dem Wege aber erspähte sie ein Delphin und trug sie zu Poseidon. Als Dank dafür wurde der Delphin unter die Sterne versetzt. Als Gattin Poseidons standen die Geschöpfe des Meeres unter ihrer Hut. Ihre Macht bestand darin, die großen Wogen zu bewegen und gegen die Felsen zu schlagen.

In späterer Zeit wurde die Verehrung der Amphitrite durch den Kult der schaumgeborenen Aphrodite verdrängt, die ebenfalls als Göttin des Meeres gefeiert wurde.
Der kurpfälzische Hofbildhauer Franz Conrad Linck (1730 1793) entstammte einer Speyerer Bildhauerfamilie und erhielt seinen Unterricht in der väterlichen Werkstatt. Nach einem Aufenthalt in Würzburg und dem Studium an der k.u.k. Hofakademie der Malerei in Wien wurde er Mitglied in der Werkstatt des berühmten Georg Franz Ebenhecht in Potsdam. 1757 nach Speyer zurückgekehrt wurde er 1762 als Modelleur der Manufaktur Frankenthal in die Dienste des Kurfürsten Carl Theodor berufen.
Das Interesse der höfischen Gesellschaft galt in dieser Zeit des erwachenden Klassizismus besonders den Metamorphosen des Ovid, die in galanter Form antike Mythologie mit pulsierender Erotik verbanden. Die Ausbildung in Wien durch den Frühklassizisten Schletterer und die Zusammenarbeit mit Ebenhecht in Potsdam, der den französischen " gout grec" vertrat, befähigten Linck zu ersten Schöpfungen, die sowohl die Grazie des Rokoko als auch die Kühle des neuen Stiles in sich trugen und das Kurfürstenpaar entzückten. Schon 1763 wurde er zum Hof bildhauer ernannt. Dieser Titel ermöglichte es ihm, ohne die Bindungen an die Zunft zu arbeiten und eine eigene Werkstatt zu führen.
1766 verließ Linck die Manufaktur, um unter Nicolas de Pigage den bildhauerischen Schmuck des Schwetzinger Schlossgartens zu vollenden. Seine Bindung an die Manufaktur aber blieb erhalten. Mit einem jährlichen Gehalt von 250 fl. verpflichtete er sich, weiterhin neue Modelle zu liefern.
Unsere kleine Plastik benutzt den in der Manufaktur seit Karl Gottlieb Lück üblichen Rasensockel mit Rocaillerahmung, wobei hier der Rasen durch sanft bewegte Wellen ersetzt ist. Muscheln und Seegetier versinnbildlichen das weite Meer. Auf diesen Wellen lagert in eleganten Windungen ein Delphin, dessen Maul ein Wasserschwall entströmt. Im FigurenFormenverzeichnis wird diese Gruppe als "nackte Figur auf einem Wallfisch sitzend" beschrieben. War Linck gebildet genug, den historischen Mythos genau zu kennen und als Tier den Delphin zu wählen, war der Schreiber des Verzeichnisses mit den zoologischen Merkmalen wohl nicht vertraut.
Die Figur der Amphitrite lehnt sich in eleganter Torsion an eine schon klassizistisch gestaltete Vase auf einem halbhohen Sockel. Die Vase ist als Potpourrivase ausgebildet und nimmt damit keinen Bezug auf das Element Wasser. Der Deckel ist verloren gegangen. Die Vase selbst existiert aber als real existierende Potpourrivase im Angebot der Manufaktur und bildet damit einen Wiedererkennungseffekt und Anreiz zum Kauf einer Kamindekoration als Einzelstück oder Vasensatz. Die Oberfläche des Porzellans ist zum Teil mit leichten Pickeln versehen, was dazu geführt haben könnte, sie weiß zu belassen. Das Datum der Ausformung, 1775, verweist aber auch in eine Zeit des Frühklassizismus, in der unbemalte Porzellane modisch werden. Diese kleine Gruppe, die wie eine marmorne Parkplastik gestaltet ist, konnte mühelos in eine Tafeldekoration eingebunden werden, deren Thema eine große Parklandschaft mit mythologischem Inhalt war. Damit wäre ein bewusster Verzicht auf eine Bemalung denkbar. Lincks große Aufgaben waren ja die Figurenprogramme der Schlossgärten. Hier haben wir es mit einer Reduktion einer großen Plastik zu tun, die alle Kleinteiligkeit der porzellanenen Rokokoplastik weit hinter sich lässt.
Carl Ludwig Fuchs

Literatur
Hofmann, Friedrich H.: Frankenthaler Porzellan, München
1911
Heuser, Emil: Porzellan aus Straßburg und Frankenthal im
18ten Jahrhundert, Original 1922, Facsimile Landau 1988
Maria Christiane Werhahn: Der kurpfälzische Hofbildhauer
Franz Conrad Linck (1730 -1793), Neuss 1999
 
Porzellan glasiert, H 26 cm
Frankenthal 1775, Modell vor 1770,
Inv. Nr. Po 251
Bild: Museum (E. Kemmet)
 
 
siehe auch:  
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