Der Staat erhöhte die Geldmenge durch die Ausgabe von Denaren,
deren Silbergehalt stark verringert wurde. Dadurch war der reale
Wert der Münze viel geringer als ihr nominaler Wert. Dazu kam
eine Katastrophe von außen, die Kaiser Alexander Severus (222
- 235 n. Chr.), der Truppen aus Obergermanien und Raetien abgezogen
hatte, um gegen die Perser zu ziehen, offenbar völlig unerwartet
traf. Die Schwächung der nördlichen Reichsgrenze nutzten nämlich
Germanen 233 n. Chr., um plündernd und brandschatzend über den
Limes bis an den Rhein und das Alpenvorland vorzustoßen. Mit einem
eindrucksvollen Fundhorizont von vergrabenen Münzen und Sachwerten
des Jahres 233 fassen wir den Beginn einer Entwicklung, die aus
unserer heutigen Sicht durchaus als Zeitenwende betrachtet werden
darf.
Auch für die römische Siedlung in Heidelberg waren die letzten
Jahrzehnte römischer Herrschaft ein Kommen und Gehen von Not,
Gewalt und neuem Anfang. Wirtschaftliche Schwierigkeiten gingen
einher mit der äußeren Bedrohung durch die Germanen. Ausgedehnte
Brandschichten zeigen an, dass der Vicus um die Mitte des 3. Jahrhunderts
durch mehrere Brandkatastrophen stark zerstört wurde, die vielleicht
in direktem Zusammenhang mit den großen Einfällen der Alamannen
stehen. Wie auch in anderen Gegenden des römischen Reiches reagierte
die Bevölkerung auf die äußere Bedrohung mit dem Versuch, ihre
Wertsachen in Sicherheit zu bringen.
Zu einem der bedeutendsten dieser Versteckfunde gehört ein Münzschatz
aus Neuenheim, der 1953 dort, wo heute der Kastellweg von der
Jahnstraße nach Norden verläuft, entdeckt wurde. Nahe dem Westtor
des römischen Steinkastells hatte der ehemalige Besitzer seine
Ersparnisse in einem Topf verborgen, der mit einem übergestülpten
zweiten Gefäß verschlossen war. Die Münzen hatte er zuvor in einem
Stoffsäckchen gesammelt, von dem sich an den Münzen anoxidierte
Gewebereste erhalten haben. Dann grub er ein etwa 1,60 m tiefes
Loch, um darin mit Steinen des zu dieser Zeit bereits aufgelassenen
Steinkastells eine Kiste zu bauen. Zum Schluss stellte er die
Gefäße in die Kiste und deckte alles mit einer Steinplatte ab.
Erst 1800 Jahre später wurde sein - der Erde anvertrautes - Eigentum
wiederentdeckt.
Der Schatzfund umfasst 87 Silber- und Bronzemünzen römischer Kaiser
von Nero (54 - 68 n.Chr.) bis Alexander Severus (222 - 235 n.Chr.).
Folgende Prägeherren sind vertreten: Nero (1 Denar), Vespasian
(2 Sesterzen), Domitian (2 Sesterzen, 1 Dupondius), Trajan (4
Sesterzen), Hadrian (10 Sesterzen, 2 Dupondien), Antoninus Pius
(7 Sesterzen), Marc Aurel (6 Sesterzen), Lucius Verus (1 Sesterz),
Commodus (1 Sesterz), Septimius Severus (9 Denare, 1 Sesterz),
Cara-calla (6 Denare), Elagabal (17 Denare), Alexander Severus
(17 Denare). 80 Münzen wurden in Rom selbst geprägt, vier im syrischen
Emesa und drei in Antiochia, der Hauptstadt der Provinz Syrien.
Die Vorderseite zeigt regelmäßig die Büste des Prägeherren oder
dessen Ehefrau (so Antoninus Pius für Faustina die Ältere), Tochter
(Antoninus Pius für Faustina die Jüngere), Sohn (Septimius Severus
für Caracalla) oder Bruder (Marc Aurel für Lucius Verus). Die
Rückseite diente häufig der Reichspropaganda, war politischen
Ereignissen oder den Tugenden des Herrscherhauses gewidmet. So
treten etwa unter den Heidelber-
ger Münzen bei den "Friedenskaisern" Hadrian und Antoninus Pius
besonders häufig die Götter Jupiter und Neptun auf sowie die Personifikationen
von Gleichheit (Aequitas), Glück und Segen (Felicitas bzw. Fortuna),
Sicherheit (Securitas), Fröhlichkeit (Hilaritas) und Güte (Indulgentia).
Dagegen tauchen seit den Markommanenkrie-gen des Marc Aurel verstärkt
die Götter Mars und Minerva und Personifikationen wie etwa die
des Sieges (Victoria), der Tapferkeit (Virtus) und des Friedens
(Pax) auf. Die Frauen des Kaiserhauses wiederum identifizieren
sich besonders mit den Göttinnen Juno, Vesta und Venus und mit
den Tugenden der Frömmigkeit (Pietas) und Fruchtbarkeit (Fecunditas).
Die 50 Denare (Silber), 34 Sesterzen (Bronze) und drei Dupondien
(Bronze) stellen einen beträchtlichen Wert dar. Das Wertverhältnis
der einzelnen Nominale zueinander hatte feste Relationen. So hat
der Denar einen Silberwert von vier Sesterzen bzw. 16 Dupondien.
Der Gesamtwert beträgt also insgesamt 235 Sesterzen. Der Gegenwert
in heutiger Zeit wird verständlicher, stellt man diesen 235 Sesterzen
beispielsweise den Tagelohn eines Arbeiters im Weinberg gegenüber,
der - wie der Evangelist Matthaeus im Neuen Testament berichtet
- pro Tag einen Denar erhielt. Von Caesar ist überliefert, dass
er jedem seiner Soldaten als Belohnung für ausgestandene Strapazen
ein einmaliges Donativ in Höhe von 200 Sesterzen auszahlte.
Die jüngsten, zum Teil sehr gut erhaltenen, d.h. kaum umgelaufenen
Silbermünzen des Alexander Severus datieren den Zeitpunkt der
Vergrabung des Heidelberger Schatzfundes in die 30er Jahre des
3. Jahrhundert. Starke Abnutzungsspuren zeigen dagegen die lange
in Umlauf gewesenen Bronzemünzen, die fast alle in den Jahren
vor 169 n.Chr. geprägt wurden. Es ist daher sehr wahrscheinlich,
dass der Münzschatz in den Wirren des ersten großen Alamanneneinfalls
von 233 n. Chr. versteckt wurde. Warum der Besitzer seinen Schatz
nicht mehr heben konnte, bleibt ungewiss, jedenfalls blieb für
ihn sein vergrabenes Vermögen für immer verloren.
Renate
Ludwig
|