Traditionelle
Kleidung spielt in Japan eine wichtige Rolle. Zwar tragen viele
Japaner heutzutage westliche Kleidung, aber für bestimmte zeremonielle
Anlässe erinnert man sich gerne seiner kulturellen Wurzeln. Das
auch im Westen bekannteste und beliebteste japanische Kleidungsstück
ist der Kimono, wörtlich übersetzt Gegenstand zum anziehen (ki
= anziehen, mono = Gegenstand). Ursprünglich aus China stammend,
entwickelte sich der Kimono ab dem 13. Jahrhundert zur japanischen
Nationalkleidung. Seine heutige Form erhielt er in der Edo-Zeit
(1603 - 1868).
Ein Kimono wird grundsätzlich nur aus gerade zugeschnittenen
Stoffbahnen zusammengenäht, und es gibt folglich keine gerundeten
Nähte. Etwa 15 Meter Stoff sind in einem Kimono verarbeitet. Durch
den Schnitt bedingt, entstehen tableauar-tige Partien, auf deren
künstlerische Gestaltung ebenso viel Augenmerk gelegt wurde (und
wird) wie bei der Malerei oder anderen kunsthandwerklichen Objekten.
Folglich entwarfen zahlreiche Maler die Dessins für diese prächtigen
Kleidungsstücke. Ein Kimono wird lediglich gebunden, verfügt also
über keinerlei Verschlüsse wie Knöpfe, Haken u.a., und wird mit
einer reich verzierten, meist aus Brokat bestehenden Schärpe,
dem sogenannten obi, drapiert. Das Anlegen eines Kimonos bedarf
besonderer Kenntnisse und nimmt etwa zwei Stunden in Anspruch.
Der Schnitt für Männer und Frauen unterscheidet sich unmerklich
und hat mehr oder minder ein einheitliches Maß; lediglich für
Sumo-Ringer gibt es Sondergrößen. Länge und Weite werden also
allein durch das Binden reguliert. Stets wird die linke Hälfte
dieses mantelartigen Kleidungsstückes über die rechte Seite gelegt,
so dass diese nur teilweise sichtbar ist. Die einzige Ausnahme
bilden Beerdigungen, bei denen die schlichter gestaltete rechte
Seite über der linken getragen wird.
Trotz des einheitlichen Schnittes zählt der Kimono zu den differenziertesten
Kleidungsstücken, denn seine farbliche und motivische Gestaltung
vermag detaillierte Auskünfte über folgende Merkmale seines Trägers
zu geben :
- Geschlecht
- Sozialer Stand
- Alter
- Familiärer Stand
- Zeremonieller Anlass
- Jahreszeit
Männerkimonos unterscheiden sich von den Frauenkimonos durch
ihre Farbgebung, Musterung, die Weite der Ärmel sowie die sehr
viel geringere Breite des obi.
Schon von jeher ließ sich der soziale Status des Trägers an den
verwendeten Materialien und dem Aufwand der Verzierung ablesen,
und die prächtigsten Kimonos wurden am Kaiserhof, dem Hof des
Shoguns sowie von den Feudalherren (daimyos) getragen. Aber auch
heute ist der Kimono immer noch ein Statussymbol. Er wird in der
Regel von Hand gefertigt, weshalb sein Anschaffungspreis zwischen
5.000 und 20.000 Euro betragen kann.
Mit zunehmendem Alter der Trägerin werden die Farben gedeckter,
d.h. jüngere Frauen tragen Kimonos in kräftigen, leuchtenden Farben
mit gegenständlichen Motiven wie Blumen und Vögeln, ältere Frauen
meist kleinteiliger und abstrakt gemusterte Kimonos in Blau, Grün,
Braun oder Grau.
An der Form bzw. Länge der Ärmel lässt sich der familiäre Status
einer Frau ablesen. So tragen unverheiratete Frauen Kimonos mit
sehr langen Ärmeln, sogenannte furisode.
Auch der Anlass, zu dem ein Kimono getragen wird, bestimmt entscheidend
dessen Aussehen. So tragen verheiratete Frauen zu festlichen Anlässen
oft schwarze Kimonos, die im unteren Bereich mit bunten, figürlichen
Motiven bestickt sind. Eine besondere Stellung nimmt der Brautoder
Hochzeitskimono ein, der aus einem weißen Untergewand mit Mustern,
dem sogenannten shiromuku, besteht und direkt nach der Trauungszeremonie
durch ein farbenprächtiges und reich verziertes Übergewand, das
sogenannte uchika-ke, ergänzt wird. Dieser Hochzeitskimono wird
im Unterschied zu anderen Kimonos offen getragen, wodurch ein
obi entbehrlich ist. Kennzeichnend für ihn ist ebenfalls eine
mit einem gefütterten Wulst abschließende Schleppe. Bis zur Edo-Zeit
war der uchikake der formelle Kimono von Samurai-Frauen und anderen
Adeligen.
Muster von Kimonos werden durch zahlreiche traditionelle japanische
Dekorationstechniken hervorgerufen, indem Stoffe - meist Seide,
aber auch Leinen und andere Bastfasern oder Baumwolle - mit Mustern
gewebt, bemalt, gefärbt oder bestickt werden. Dies alles geschieht
wohlgemerkt von Hand und erklärt die unglaublichen Summen, die
ein Japaner für den Erwerb eines Kimonos bezahlen muss. Weitaus
am teuersten sind wegen ihrer aufwendigen Verzierung die Hochzeitskimonos,
die heutzutage deshalb gerne ausgeliehen werden, ein Procedere,
das man auch bei uns bei Brautkleidern feststellen kann.
Vor allem Hochzeitskimonos werden mit glückverheißenden Symbolen
verziert, und so findet man Motive wie Kraniche und Pflaumenblüten,
die beide für ein langes Leben stehen, Päonien als Symbol für
Wohlstand, sowie Chrysanthemen als Symbol für die ewige Liebe.
Solche Motive werden in der Regel mit Gold- und Silberfäden aufgestickt
und dabei unterfüttert, um besonders plastisch zu wirken.
Auch die Farbigkeit eines solchen Hochzeitskimonos ist symbolträchtig,
stellen doch Rot oder Orange und Weiß Glücksfarben dar.
Der im Besitz der Textilsammlung Max Berk befindliche Hochzeitskimono
besteht aus einem Seidenbrokat mit eingewebtem Wellenmuster, dem
sogenannten rinzu. Der größte Teil des weißgrundigen Stoffes wurde
mit dem Pinsel rot bemalt; lediglich über der linken Schulter
blieb ein schmaler Streifen in dem Originalfarbton erhalten. Ganz
in der Tradition ist der Hochzeitskimono über und über in Gold-
und Silberstickerei verziert und mit applizierten, wellenartigen
Goldbändchen versehen, die Assoziationen an einen Fluss hervorrufen.
Neben den üblichen, glückverheißenden Motiven wie Kranich, Pflaumenblüte,
Päonie und Chrysantheme bilden die Stickereien auch Wagenmotive,
die in ihrer Form auf Illustrationen im Genji-Monogatari zurückgehen.
Diese Liebesgeschichte aus dem frühen 11. Jahrhundert stellt einen
der ersten Romane der japanischen Literaturgeschichte dar und
schildert die amourösen Abenteuer des Prinzen Genji. Ob die in
dem vorliegenden Kimono dargestellten Wagen als Transportmittel
für Personen oder als Schatztruhen, wie in der Literatur über
Hochzeitskimonos manchmal beschrieben, dienten, ist nicht eindeutig
zu beantworten
Kristine Scherer
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