Kunstwerk des Monats
Juni 2007
Sammlungsblatt

Hochzeitskimono (uchikake)

 

Traditionelle Kleidung spielt in Japan eine wichtige Rolle. Zwar tragen viele Japaner heutzutage westliche Kleidung, aber für bestimmte zeremonielle Anlässe erinnert man sich gerne seiner kulturellen Wurzeln. Das auch im Westen bekannteste und beliebteste japanische Kleidungsstück ist der Kimono, wörtlich übersetzt Gegenstand zum anziehen (ki = anziehen, mono = Gegenstand). Ursprünglich aus China stammend, entwickelte sich der Kimono ab dem 13. Jahrhundert zur japanischen Nationalkleidung. Seine heutige Form erhielt er in der Edo-Zeit (1603 - 1868).

Ein Kimono wird grundsätzlich nur aus gerade zugeschnittenen Stoffbahnen zusammengenäht, und es gibt folglich keine gerundeten Nähte. Etwa 15 Meter Stoff sind in einem Kimono verarbeitet. Durch den Schnitt bedingt, entstehen tableauar-tige Partien, auf deren künstlerische Gestaltung ebenso viel Augenmerk gelegt wurde (und wird) wie bei der Malerei oder anderen kunsthandwerklichen Objekten. Folglich entwarfen zahlreiche Maler die Dessins für diese prächtigen Kleidungsstücke. Ein Kimono wird lediglich gebunden, verfügt also über keinerlei Verschlüsse wie Knöpfe, Haken u.a., und wird mit einer reich verzierten, meist aus Brokat bestehenden Schärpe, dem sogenannten obi, drapiert. Das Anlegen eines Kimonos bedarf besonderer Kenntnisse und nimmt etwa zwei Stunden in Anspruch.

Der Schnitt für Männer und Frauen unterscheidet sich unmerklich und hat mehr oder minder ein einheitliches Maß; lediglich für Sumo-Ringer gibt es Sondergrößen. Länge und Weite werden also allein durch das Binden reguliert. Stets wird die linke Hälfte dieses mantelartigen Kleidungsstückes über die rechte Seite gelegt, so dass diese nur teilweise sichtbar ist. Die einzige Ausnahme bilden Beerdigungen, bei denen die schlichter gestaltete rechte Seite über der linken getragen wird.

Trotz des einheitlichen Schnittes zählt der Kimono zu den differenziertesten Kleidungsstücken, denn seine farbliche und motivische Gestaltung vermag detaillierte Auskünfte über folgende Merkmale seines Trägers zu geben :

  1. Geschlecht
  2. Sozialer Stand
  3. Alter
  4. Familiärer Stand
  5. Zeremonieller Anlass
  6. Jahreszeit

Männerkimonos unterscheiden sich von den Frauenkimonos durch ihre Farbgebung, Musterung, die Weite der Ärmel sowie die sehr viel geringere Breite des obi.

Schon von jeher ließ sich der soziale Status des Trägers an den verwendeten Materialien und dem Aufwand der Verzierung ablesen, und die prächtigsten Kimonos wurden am Kaiserhof, dem Hof des Shoguns sowie von den Feudalherren (daimyos) getragen. Aber auch heute ist der Kimono immer noch ein Statussymbol. Er wird in der Regel von Hand gefertigt, weshalb sein Anschaffungspreis zwischen 5.000 und 20.000 Euro betragen kann.

Mit zunehmendem Alter der Trägerin werden die Farben gedeckter, d.h. jüngere Frauen tragen Kimonos in kräftigen, leuchtenden Farben mit gegenständlichen Motiven wie Blumen und Vögeln, ältere Frauen meist kleinteiliger und abstrakt gemusterte Kimonos in Blau, Grün, Braun oder Grau.

An der Form bzw. Länge der Ärmel lässt sich der familiäre Status einer Frau ablesen. So tragen unverheiratete Frauen Kimonos mit sehr langen Ärmeln, sogenannte furisode.

Auch der Anlass, zu dem ein Kimono getragen wird, bestimmt entscheidend dessen Aussehen. So tragen verheiratete Frauen zu festlichen Anlässen oft schwarze Kimonos, die im unteren Bereich mit bunten, figürlichen Motiven bestickt sind. Eine besondere Stellung nimmt der Brautoder Hochzeitskimono ein, der aus einem weißen Untergewand mit Mustern, dem sogenannten shiromuku, besteht und direkt nach der Trauungszeremonie durch ein farbenprächtiges und reich verziertes Übergewand, das sogenannte uchika-ke, ergänzt wird. Dieser Hochzeitskimono wird im Unterschied zu anderen Kimonos offen getragen, wodurch ein obi entbehrlich ist. Kennzeichnend für ihn ist ebenfalls eine mit einem gefütterten Wulst abschließende Schleppe. Bis zur Edo-Zeit war der uchikake der formelle Kimono von Samurai-Frauen und anderen Adeligen.

Muster von Kimonos werden durch zahlreiche traditionelle japanische Dekorationstechniken hervorgerufen, indem Stoffe - meist Seide, aber auch Leinen und andere Bastfasern oder Baumwolle - mit Mustern gewebt, bemalt, gefärbt oder bestickt werden. Dies alles geschieht wohlgemerkt von Hand und erklärt die unglaublichen Summen, die ein Japaner für den Erwerb eines Kimonos bezahlen muss. Weitaus am teuersten sind wegen ihrer aufwendigen Verzierung die Hochzeitskimonos, die heutzutage deshalb gerne ausgeliehen werden, ein Procedere, das man auch bei uns bei Brautkleidern feststellen kann.

Vor allem Hochzeitskimonos werden mit glückverheißenden Symbolen verziert, und so findet man Motive wie Kraniche und Pflaumenblüten, die beide für ein langes Leben stehen, Päonien als Symbol für Wohlstand, sowie Chrysanthemen als Symbol für die ewige Liebe. Solche Motive werden in der Regel mit Gold- und Silberfäden aufgestickt und dabei unterfüttert, um besonders plastisch zu wirken.

Auch die Farbigkeit eines solchen Hochzeitskimonos ist symbolträchtig, stellen doch Rot oder Orange und Weiß Glücksfarben dar.

Der im Besitz der Textilsammlung Max Berk befindliche Hochzeitskimono besteht aus einem Seidenbrokat mit eingewebtem Wellenmuster, dem sogenannten rinzu. Der größte Teil des weißgrundigen Stoffes wurde mit dem Pinsel rot bemalt; lediglich über der linken Schulter blieb ein schmaler Streifen in dem Originalfarbton erhalten. Ganz in der Tradition ist der Hochzeitskimono über und über in Gold- und Silberstickerei verziert und mit applizierten, wellenartigen Goldbändchen versehen, die Assoziationen an einen Fluss hervorrufen. Neben den üblichen, glückverheißenden Motiven wie Kranich, Pflaumenblüte, Päonie und Chrysantheme bilden die Stickereien auch Wagenmotive, die in ihrer Form auf Illustrationen im Genji-Monogatari zurückgehen. Diese Liebesgeschichte aus dem frühen 11. Jahrhundert stellt einen der ersten Romane der japanischen Literaturgeschichte dar und schildert die amourösen Abenteuer des Prinzen Genji. Ob die in dem vorliegenden Kimono dargestellten Wagen als Transportmittel für Personen oder als Schatztruhen, wie in der Literatur über Hochzeitskimonos manchmal beschrieben, dienten, ist nicht eindeutig zu beantworten

Kristine Scherer

Japan, 2. Hälfte 20. Jahrhundert
Inv.-Nr. 1/238

 

Ausgewählte Literatur:
The Great Japan Exhibition: Art of the Edo Period 1600 -1868;
Royal Academy of Arts, 1981
Kimonos Japanischer Textilkünstler. Ausstellungskatalog
Textilmuseum Max Berk, Heidelberg 1991
Bräutigam, Herbert/Cornelia Morper: "...über den ziehenden
Wolken der Fuji...", Ausst.kat., Gotha 2000
http://www.japan-access.de/japanische-kultur/artikel/kimono_01.html

http://webworld.unesco.org/genji/en/
http://marquise.de/de/ethno/japan/colours.shtml
http://www.kyotokimono.com/

 
 
siehe auch:

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