"Die Farben sind für mich das Wichtigste." (S.K.,1970)
"Ich komme ganz und gar von der Farbe, habe mir in vielen
Jahren Malerei meinen eigenen Umgang mit der Farbe erarbeitet.
Bei der Farbe ist man auf die Kraft des Augenblicks angewiesen."
(S.K., 1988)
"Alles wird durch die Farbe erklärt." (S.K., 1996)
Auf Sigrid Kopfermanns
1969 gemaltem Bild strömt dem Betrachter diese Farbe in unzähligen
Pinselschlägen entgegen, kleine und größere Farbflecken überziehen
die fast quadratische Leinwand. Die "Kraft des Augenblicks" ist
in den Pinselspuren, der Steigerung vom stumpfen Pinselwischer
zur gesättigten, stofflichen Paste sichtbar geworden Der Bildgrund
leuchtet im Dreiklang der Grundfarben, einleuchtendes Rot, vom
Zinnober ins Karminrot changierend, ein helles Kadmiumgelb, ins
Orangefarbene und Weißliche variierend, helles Ultramarinblau.
Pure Augenlust, sinnliches Vergnügen an der Farbe teilt sich dem
Betrachter mit, war der Malerin selbst Stimulanz: Das Aufleuchten
der reinen Farbe im getrübten Umfeld kleiner und kleinster Farbflecken
von bräunlichem Weiß und Spuren der Komplementärfarben Grün und
Blauviolett. Nicht recht lokalisierbar ist die Quelle dieser Farbströme,
aus der Bildmitte, vom rechten oberen Bildrand nach unten, über
die Bildränder Sigrid Kopfermann besetzt ihr Format gleichhinweg,
springen große und kleine Farbgruppen. sam mehrstimmig, in dem
die Grundfarben als "Solisten" hervortreten.
Den Prozesscharakter des Malens kann der Betrachter über die
Bildränder hinaus fortsetzen: Wie im schichtenden Überlagern
von Farben und Formen, im fleckhaften Ausbreiten, im Verschmelzen
der Spuren und Ebenen ein eigengesetzlicher Bildraum und Rhythmus
entsteht; wie aus räumlichen und rhythmischen Bewegungmomenten
auch die Zeit als Dimension des Bildes Konturen gewinnt. Diese
Methode prozesshafter Bildentwicklung bei S. Kopfermann schafft
erst die Voraussetzung dafür, dass sich die Wechselwirkungen der
Farbe so reich entfalten können.
Die Malerin bearbeitet ihre Themen als Serien. Zwischen 1956
und 1986 entstanden Bildserien wie Wald - Kreise - Strömungen
- Flechtungen - Berge/Berge - Rosenbilder - Raumandeutung Barock.
Auch "Strömungen", gemalt 1969, ist innerhalb einer Bildreihe
entstanden, kein Bild nimmt dabei einen festen Platz in der Serie
ein, sie arbeitet an mehreren Formaten gleichzeitig. Anstelle
des Bestimmten, Abgeschlossenen zielt sie ab auf Ambivalenz, offene
Struktur, formatübergreifende Bewegung, entwicklungsoffene Formzustände.
Die Geduld, abzuwarten, und die Substanz des Augenblicks, im "Unterbewusstsein
alles, was ich über die Malerei zu wissen glaube", prägen den
Malvorgang, ein "vom Grund her kommendes, sich ausbreitendes Farbwissen."
(S.K.)
Die Impressionisten hatten entdeckt, wie Farbe als Erscheinungsweise
des Lichts mit Hilfe divisionistischer Farbsetzung und optischer
Farbmischung malerisch umzusetzen war und im Bezug zum Gegenstand
eine nie zuvor dagewesene Selbständigkeit gewinnen konnte. Die
Künstler forschten nach neuen Grundprinzipien und Gesetzmäßigkeiten.
Bereits 1798 mutmaßte Goethe: "Vielleicht bestätigt sich die Vermutung,
daß die farbigen Natureinwirkungen so gut als die magnetischen
und elektrischen auf einer Dualität, einer Polarität,oder wie
man Erscheinungen dieser Art nennen mag, beruhen." Dieses Wissen
äußert sich bei der zeitgenössischen Malerin in der Erkenntnis,
daß es keine Definition von Farbe an sich gibt, Farbmischungen
entstehen aus vielfältigen Formen der Interaktion, Farbe lebt,
gewinnt Ausdruck auch aus dem jeweiligen Umfeld. Sigrid Kopfermann
will die Farbe so setzen, dass "sie stimmt, dass sie funktioniert
wie ein lebendiges Gefüge." (S.K.1983)
Die "Natureinwirkung" auf die Arbeit Sigrid Kopfermanns
ist verhalten sichtbar. Sie hat sich als Malerin abstrakter Landschaften
einen Namen gemacht, sie kann als wagemutige Koloristin bezeichnet
werden. Dennoch spricht sie vom "Malen nach der Natur". Sie hält
den Bezug zum sinnlich Wahrnehmbaren, zerstört nicht Wirklichkeit,
sondern wandelt sie imaginativ. Sind aus früheren Arbeiten noch
Landschaften, Stilleben zu sehen, verdichtet sie die Farbe, ihre
visuellen Erfahrungen auf der Leinwand zu "Bewegungsbildern":
groß und klein, schnell und langsam, hell und dunkel, Blätter
und Blüten, Wolken und Wasser, Tag und Nacht. Die Fülle der Farbe
bringt die Prozesse des Wachsens, Welkens, Vergehens in Form.
Bei S.K. scheint Form etwas Flüchtiges, Schwebendes zu sein. Auf
dem Gemälde, das 1972 im Kabinett Hanna Grisebach vom Freundeskreis
des Museums für das Kurpfälzische Museum erworben wurde, ist die
Form sichtbar als Farbbewegung, die Malerin hat sich befreit
vom Zwang, die Natur direkt abzubilden. Der Betrachter wiederum
formt mit eigenschöpferischem, nicht nur registrierendem Sehen
für sich das Bild. Die Naturassoziationen sind nahezu getilgt,
nicht Wasser oder Luft, sondern: Gleiten, Schweben, Fließen. Sigrid
Kopfermann bändigt die Kräfte, die alles hervorbringen, was in
der Natur ist, bannt sie auf ihre Leinwände. "Alles wird durch
die Farbe erklärt", sagt sie, zu einem farbigen Fest der "Interaction
of Colour" (J. Albers). Expressive und informelle Einflüsse hat
sie integriert und zu einer ganz eigenen, unverwechselbaren Bildsprache
geformt, sie geht ihre eigenen Farbwege.
"Mich faszinieren in der Malerei die Möglichkeiten, ganz subjektive
Dinge - Erfahrungen - Ordnungen - Risiken - zu objektivieren.
Ich genieße es, in einen Arbeitsprozess eingebunden zu sein, der
mich festhält, der mich führt, und den ich manchmal führe. Ich
habe das Gefühl, dass das Malen für mich eine lebenslange, konstante,
oft schwierige und mich manchmal beglückende Partnerschaft ist."
(S.K.1983)
Angelika Dirscherl
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