Kunstwerk des Monats
September 2008
- Sammlungsblatt -

„Beschreibung der Reiß : Empfahung deß Ritterlichen Ordens [...]“

 

[Hübner, Tobias]: Beschreibung der Reiß : Empfahung deß Ritterlichen Ordens : Vollbringung des Heyraths : vnd glücklicher Heimführung : Wie auch der ansehnlichen Einführung : gehaltener Ritterspiel und Frewdenfests : Des Durchleuchtigsten / Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn Friederichen deß Fünften / Pfaltzgraven bey Rhein [...] Mit der auch Durchleuchtigsten / Hochgebornen Fürstin / vnd königlichen Princessin / Elisabetheñ [...] Mit schönen Kupfferstücken gezieret. In Gotthardt Vögelins Verlag. Anno 1613.

Mit dem Titel gibt der Autor gleichsam eine kurze Inhaltsangabe. So berichtet er nicht nur von der im Februar 1613 in London stattfindenden Hochzeit des im siebzehnten Lebensjahr stehenden calvinistischen Kurprinzen Friedrich V. von der Pfalz (1596-1632) mit Elisabeth Stuart (1596-1662), der gleichaltrigen Tochter des englischen Königs Jakobs I., sondern beginnt mit der Reise Friedrichs nach London und schildert auch die Heimführung der jungen Kurfürstin nach Heidelberg und die dort zu ihrem Empfang veranstalteten Festlichkeiten.

Die im Impressum genannten „schönen Kupfferstücke“ können teilweise dem bekannten Kupferstecher und Verleger Johann Theodor de Bry, dem späteren Schwiegervater Matthäus Merians, zugeordnet werden. Weitere Blätter, u. a. die Darstellung des grandiosen „Triumphfewerwercks“, mit dem man Elisabeth in Heidelberg willkommen hieß, stammen von dem gebürtigen Frankfurter Kupferstecher und Maler Georg Keller.

Die Illustrationen des Bandes konzentrieren sich auf Motive der triumphalen Heimführung der jungen Kurfürstin - wie die in Oppenheim, Frankenthal und Heidelberg errichteten Ehrenpforten, das Feldlager und den Empfang Elisabeths bei Ladenburg, das genannte erste „Neckarfeuerwerk“ sowie Figuren und Wagen der festlichen allegorischen Inszenierungen. Die Zahl und auch die Platzierung der Illustrationen konnte von Band zu Band variieren.

Verlegt wurde die „Reiß“ bei Gotthardt Vögelin in Heidelberg, der wie viele Heidelberger schließlich mit der Erstürmung der Stadt 1622 im Dreißigjährigen Krieg all seine Habe verlor und später verarmt in Worms lebte.

Die Autorenschaft dieser offiziellen Festchronik wird dem in Halle als Sohn eines anhaltischen Rats geborenen Literaten Tobias Hübner zugeschrieben. Hübner kam 1600 zum Studium der Jurisprudenz nach Heidelberg und stand dann in anhaltischen Diensten, bevor er die Heimführung der englischen Prinzessin in die Kurpfalz als Chronist begleitet haben soll. Als ehemaliger Hofmeister des Erbprinzen Joachim Ernst von Anhalt-Dessau verstand er sich auf höfische Sitten, die französische Sprache und die Kunst des Turnierreitens. Möglicherweise war er auch an der Inszenierung der in der Reiß geschilderten allegorischen Umzüge und der Reiterspiele beteiligt.

Der Bedeutung dieser Jahrhunderthochzeit - der „Hochzeit von Themse und Rhein“ - angemessen gab es neben der „Reiß“ weitere Publikationen wie beispielsweise eine im Zuge der Hochzeitsfeierlichkeiten in London 1613 entstandene Flugschrift Jan Janszoons. Anders als die „Reiß“ beschränkten sich diese Berichte jedoch auf einzelne Aspekte der „Brautfahrt“ und waren zumeist sehr kurz gefasst. So wies die genannte Flugschrift lediglich neun Textseiten auf, während der Verfasser der „Reiß“ sich den Ereignissen mit insgesamt 26 Kapiteln auf 205 Seiten widmet und seine Ausführungen noch um einen 99 Seiten umfassenden Anhang erweiterte, der u. a. die vom Hofprediger Scultetus anlässlich der Heimkehr des Paares gehaltene Dankespredigt enthält.

Wie eingangs erwähnt beginnt der Bericht der „Reiß“ 1612 mit der Abreise Friedrichs, der Heidelberg im September mit großem Gefolge verließ. Ausführlich beschreibt der Chronist den Verlauf der Reise, die festlichen Empfänge mit militärischen Ehren in den Residenzen, die Bankette, die Geschenke.

Im Oktober 1612 erreichte Friedrich mit seinem Gefolge London, um hier erstmals seiner Braut zu begegnen. Bei seiner künftigen Gemahlin und der Königsfamilie hinterließ er mit seinen höfischen Umgangsformen und guten Französischkenntnissen einen guten Eindruck und machte, verbunden mit seinem angenehmen Äußeren, wohl im wahrsten Sinne des Wortes „eine gute Figur“. Der kostspielige Lebensstandard, das Bestreben, am englischen Hof durch ein möglichst prachtvolles Auftreten zu beeindrucken, stellte die pfälzische Delegation bald vor finanzielle Probleme und so drängte man auf eine rasche Heirat. Als Zeichen seines durch die bevorstehende Heirat erhöhten Ranges sprach man bei Hofe von Friedrich fortan nicht mehr vom „Palsgrave“, sondern vom „Prince Palatine“, und als weiteren Ausdruck besonderer Wertschätzung verlieh Jakob I. seinem zukünftigen Schwiegersohn den Hosenbandorden. Am Valentinstag 1613 traute der Erzbischof von Canterbury Friedrich und Elisabeth in anglikanischer Zeremonie in der Palastkapelle von Whitehall.

Nach ausgedehnten Hochzeitsfeierlichkeiten trat man im April die Heimreise in die Kurpfalz an und erreichte schließlich im Juni Heidelberg. Der Einzug des Kurfürstenpaares in Heidelberg bot ein glanzvolles Schauspiel. Nach Salutschüssen wurde der feierliche Zug in die Stadt geleitet und dort festlich empfangen – so hatten die vier Fakultäten der Universität, Magistrat und Hof zahlreiche Triumphbögen von der Brücke bis zum Schloss hinauf errichten lassen. Nach dem Gottesdienst und einem Festbankett beschloss man den Tag der Heimkehr mit Tanz und Turnier auf dem Schloss.

Einen weiteren festlichen Höhepunkt bildete das einen Tag mit großem Turnier im Herrengarten und Bankett auf dem Schloss krönend beschließende opulente Feuerwerk auf dem Neckar, von dem der Chronist besonders eingehend berichtet. „Nach dem Nacht Imbiß ist diesen abend umb Eilff Uhrn / ein schoen Fewerwerck uff dem Necker / oberhalb der Bruecken uff drey underschiedlichen Floeßen […] durch den kunstreichen Wolfgang Harnistern den Juengern von Straßburg / angeben außgefertigt und aufgericht / angezuendet und nach dem es ueber zwo stund gewehret / gluecklichen und wol geendet worden. [...]“. Ergänzt wurden die drei großen Feuerwerke durch etliche hundert „[...] Rageten / so theils mit starcken schlaegen theils anderen außfahrenden Stern und Regenfewern“.

Mit den etwa zwei Wochen währenden Festlichkeiten anlässlich der Heimführung der Kurfürstin endet der Bericht der „Reiß“, der in seinen letzten Kapiteln letztlich den großartigen Auftakt zu dem verfeinerten, prächtigen Hofleben, das sich auf dem Heidelberger Schloss entfalten sollte, beschreibt.

Anja-Maria Roth

 

 

Literatur
Bilhöfer, Peter: Nicht gegen Ehre und Gewissen. Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz – der Winterkönig von Böhmen (1596-1632), in: Rhein-Neckar-Kreis. Bausteine zur Kreisgeschichte. Bd. 7, Heidelberg 2004. Goetze, Jochen: Das Traumpaar der Reformierten: Friedrich
V. und Elisabeth Stuart, in: Sigrun Paas (Hrsg.): Liselotte von
der Pfalz, Heidelberg 1996, S. 1-6.
Kirchhoff, Albrecht: Beiträge zur Geschichte des deutschen
Buchhandels. Bd. 2. Das XVII. und XVIII. Jahrhundert.
Leipzig 1853.
Schmitz, Götz: Die Hochzeit von Themse und Rhein, in:
Daphnis, Bd. 22, Amsterdam 1993, S. 265-309.


 

Oktav
Inv. Nr. HS 39 (304 S.; 22 Ill.)

 
 
siehe auch:

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