[Hübner,
Tobias]: Beschreibung der Reiß : Empfahung deß Ritterlichen
Ordens : Vollbringung des Heyraths : vnd glücklicher Heimführung
: Wie auch der ansehnlichen Einführung : gehaltener Ritterspiel
und Frewdenfests : Des Durchleuchtigsten / Hochgebornen Fürsten
vnd Herrn / Herrn Friederichen deß Fünften / Pfaltzgraven
bey Rhein [...] Mit der auch Durchleuchtigsten / Hochgebornen
Fürstin / vnd königlichen Princessin / Elisabetheñ [...]
Mit schönen Kupfferstücken gezieret. In Gotthardt Vögelins
Verlag. Anno 1613.
Mit dem Titel gibt der Autor gleichsam eine kurze Inhaltsangabe.
So berichtet er nicht nur von der im Februar 1613 in London stattfindenden
Hochzeit des im siebzehnten Lebensjahr stehenden calvinistischen
Kurprinzen Friedrich V. von der Pfalz (1596-1632) mit Elisabeth
Stuart (1596-1662), der gleichaltrigen Tochter des englischen
Königs Jakobs I., sondern beginnt mit der Reise Friedrichs
nach London und schildert auch die Heimführung der jungen
Kurfürstin nach Heidelberg und die dort zu ihrem Empfang
veranstalteten Festlichkeiten.
Die im Impressum genannten „schönen Kupfferstücke“ können
teilweise dem bekannten Kupferstecher und Verleger Johann Theodor
de Bry, dem späteren Schwiegervater Matthäus Merians,
zugeordnet werden. Weitere Blätter, u. a. die Darstellung
des grandiosen „Triumphfewerwercks“, mit dem man
Elisabeth in Heidelberg willkommen hieß, stammen von dem
gebürtigen Frankfurter Kupferstecher und Maler Georg Keller.
Die Illustrationen des Bandes konzentrieren sich auf Motive
der triumphalen Heimführung der jungen Kurfürstin -
wie die in Oppenheim, Frankenthal und Heidelberg errichteten
Ehrenpforten, das Feldlager und den Empfang Elisabeths bei Ladenburg,
das genannte erste „Neckarfeuerwerk“ sowie Figuren
und Wagen der festlichen allegorischen Inszenierungen. Die Zahl
und auch die Platzierung der Illustrationen konnte von Band zu
Band variieren.
Verlegt wurde die „Reiß“ bei Gotthardt Vögelin
in Heidelberg, der wie viele Heidelberger schließlich mit
der Erstürmung der Stadt 1622 im Dreißigjährigen
Krieg all seine Habe verlor und später verarmt in Worms
lebte.
Die Autorenschaft dieser offiziellen Festchronik wird dem in
Halle als Sohn eines anhaltischen Rats geborenen Literaten Tobias
Hübner zugeschrieben. Hübner kam 1600 zum Studium der
Jurisprudenz nach Heidelberg und stand dann in anhaltischen Diensten,
bevor er die Heimführung der englischen Prinzessin in die
Kurpfalz als Chronist begleitet haben soll. Als ehemaliger Hofmeister
des Erbprinzen Joachim Ernst von Anhalt-Dessau verstand er sich
auf höfische Sitten, die französische Sprache und die
Kunst des Turnierreitens. Möglicherweise war er auch an
der Inszenierung der in der Reiß geschilderten allegorischen
Umzüge und der Reiterspiele beteiligt.
Der Bedeutung dieser Jahrhunderthochzeit - der „Hochzeit
von Themse und Rhein“ - angemessen
gab es neben der „Reiß“ weitere Publikationen
wie beispielsweise eine im Zuge der Hochzeitsfeierlichkeiten
in London 1613 entstandene Flugschrift Jan Janszoons. Anders
als die „Reiß“ beschränkten sich diese
Berichte jedoch auf einzelne Aspekte der „Brautfahrt“ und
waren zumeist sehr kurz gefasst. So wies die genannte Flugschrift
lediglich neun Textseiten auf, während der Verfasser der „Reiß“ sich
den Ereignissen mit insgesamt 26 Kapiteln auf 205 Seiten widmet
und seine Ausführungen noch um einen 99 Seiten umfassenden
Anhang erweiterte, der u. a. die vom Hofprediger Scultetus anlässlich
der Heimkehr des Paares gehaltene Dankespredigt enthält.
Wie eingangs erwähnt beginnt der Bericht der „Reiß“ 1612
mit der Abreise Friedrichs, der Heidelberg im September mit großem
Gefolge verließ. Ausführlich beschreibt der Chronist
den Verlauf der Reise, die festlichen Empfänge mit militärischen
Ehren in den Residenzen, die Bankette, die Geschenke.
Im Oktober 1612 erreichte Friedrich mit seinem Gefolge London,
um hier erstmals seiner Braut zu begegnen. Bei seiner künftigen
Gemahlin und der Königsfamilie hinterließ er mit seinen
höfischen Umgangsformen und guten Französischkenntnissen
einen guten Eindruck und machte, verbunden mit seinem angenehmen Äußeren,
wohl im wahrsten Sinne des Wortes „eine gute Figur“.
Der kostspielige Lebensstandard, das Bestreben, am englischen
Hof durch ein möglichst prachtvolles Auftreten zu beeindrucken,
stellte die pfälzische Delegation bald vor finanzielle Probleme
und so drängte man auf eine rasche Heirat. Als Zeichen seines
durch die bevorstehende Heirat erhöhten Ranges sprach man
bei Hofe von Friedrich fortan nicht mehr vom „Palsgrave“,
sondern vom „Prince Palatine“, und als weiteren Ausdruck
besonderer Wertschätzung verlieh Jakob I. seinem zukünftigen
Schwiegersohn den Hosenbandorden. Am Valentinstag 1613 traute
der Erzbischof von Canterbury Friedrich und Elisabeth in anglikanischer
Zeremonie in der Palastkapelle von Whitehall.
Nach ausgedehnten Hochzeitsfeierlichkeiten trat man im April
die Heimreise in die Kurpfalz an und erreichte schließlich
im Juni Heidelberg. Der Einzug des Kurfürstenpaares in Heidelberg
bot ein glanzvolles Schauspiel. Nach Salutschüssen wurde
der feierliche Zug in die Stadt geleitet und dort festlich empfangen – so
hatten die vier Fakultäten der Universität, Magistrat
und Hof zahlreiche Triumphbögen von der Brücke bis
zum Schloss hinauf errichten lassen. Nach dem Gottesdienst und
einem Festbankett beschloss man den Tag der Heimkehr mit Tanz
und Turnier auf dem Schloss.
Einen weiteren festlichen Höhepunkt bildete das einen Tag
mit großem Turnier im Herrengarten und Bankett auf dem
Schloss krönend beschließende opulente Feuerwerk auf
dem Neckar, von dem der Chronist besonders eingehend berichtet. „Nach
dem Nacht Imbiß ist diesen abend umb Eilff Uhrn / ein schoen
Fewerwerck uff dem Necker / oberhalb der Bruecken uff drey underschiedlichen
Floeßen […] durch den kunstreichen Wolfgang Harnistern
den Juengern von Straßburg / angeben außgefertigt
und aufgericht / angezuendet und nach dem es ueber zwo stund
gewehret / gluecklichen und wol geendet worden. [...]“.
Ergänzt wurden die drei großen Feuerwerke durch etliche
hundert „[...] Rageten / so theils mit starcken schlaegen theils
anderen außfahrenden Stern und Regenfewern“.
Mit den etwa zwei Wochen währenden Festlichkeiten anlässlich
der Heimführung der Kurfürstin endet der Bericht der „Reiß“,
der in seinen letzten Kapiteln letztlich den großartigen
Auftakt zu dem verfeinerten, prächtigen Hofleben, das sich
auf dem Heidelberger Schloss entfalten sollte, beschreibt.
Anja-Maria Roth
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