Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

April 2000
  - Sammlungsblatt -

Terra Nigra - das schwarze Geschirr der Römer

Auch in römischer Zeit unterlag das "Pfennig-Produkt" Keramik einem relativ hohen Bruchrisiko, entsprechend hoch waren dessen Transportkosten. Deshalb entstanden bereits mit der ersten Welle von Siedlungsgründungen in zahlreichen obergermanischen Orten sozusagen verbrauchernahe Töpferwerkstätten, in einigen Fällen kann man sogar von regelrechten Töpferdörfern sprechen. Meist lagen die Töpfereien EXTRA MUROS und bildeten mit anderen feuergefährlichen Betrieben ein eigenes Gewerbegebiet. Auch in Heidelberg entstand neben den Kastellanlagen zu beiden Seiten des Neckars ein ausgedehntes Töpferzentrum, in dem seit dem Ende des 1. Jahrhunderts bis in das 3. Jahrhundert alle Arten von Gefäßen produziert wurden.

Bis heute wurden über 60 Töpferöfen nachgewiesen, die sich besonders am Westrand von Neuenheim im Bereich der Berliner Straße, auf dem Gelände des ehemaligen Ostkastells im Bereich der Ladenburger- und Werderstraße sowie in Bergheim auf dem Gelände des Altklinikums konzentrierten, also auch hier an der Peripherie der Bebauung.

Von den Brennöfen findet sich meist nur noch der untere Teil, mit Feuerungskanal und Heißluftkammer, stets durch eine Zwischenmauer unterteilt. Mitunter ist auch die hierauf ruhende Lochtenne erhalten, auf der das Brenngut gestapelt war, während sich von der eingestürzten Lehmhaube meist nur stark ver-ziegelte Bruchstücke finden. Die birnenförmigen Öfen waren selten höher als 3m und größer als 2m im Durchmesser; dies hing im wesentlichen mit der Lehmbauweise zusammen. Oft mussten sie auch ausgebessert oder gänzlich neu gebaut werden, wenn ein Ofen unbrauchbar geworden war; man findet dann die Spuren von drei oder vier übereinan-derliegenden Öfen, die nacheinander in Gebrauch waren. Immer sind Töpferöfen daran erkennbar, dass sich in ihrem Umkreis große Halden mit Fehlbränden und Keramikabfall gebildet haben. Solche Ausschussware, die nicht für den Verkauf geeignet war, wurde nämlich direkt auf dem Töpfereigelände entsorgt. In Heidelberg-Bergheim wurde ein aufgegebener Brunnenschacht auf einer Höhe von mehreren Metern mit dem Schutt von etwa zweitausend fabrikneuen Gefäßen verfüllt, die wohl aus dem zerstörten Warenlager eines in unmittelbarer Nähe arbeitenden Töpfers stammten. Die Anlage der Gewerbesiedlung im VICUS von Heidelberg wurde von zwei wichtigen Aspekten begünstigt. Dies waren einmal die ergiebigen Tonvorkommen auf dem Gebiet des heutigen Ziegelhausen sowie die zum Brennen benötigten Holzvorräte aus dem waldreichen Odenwald, die durch Abflößen auf dem Neckar herangeschafft werden konnten. Dazu erleichterte die verkehrsgeografisch günstige Lage an zwei römischen Fernstraßen mit dem wichtigen Übergang über den Neckar den Vertrieb der Töpferwaren. Heidelberger Geschirr wurde nämlich nicht nur für den regionalen Bedarf, sondern auch für den Export produziert und bis in die Siedlungen am Oberrhein und mittleren Neckar, aber auch in die Kastelle am Limes verhandelt. Nach wenigen Jahren konnte von hier aus der gesamte Geschirrbedarf, von den rauwandigen Waren für Herd, Küche und Vorratskeller bis hin zu fein engobiertem Tischgeschirr, gedeckt werden. Die keramische Ware, die in den Öfen Bergheims und Neuenheims gebrannt wurde, war vielgestaltig. Über lange Zeit bevorzugten die hiesigen FIGVLI (Töpfer) auffallend konservative Gefäßformen und -Verzierungen, die ihre Wurzeln in der gallisch-germanischen Kultur hatten. Offensichtlich hing die im Unteren Neckarland ansässige suebisch-germanische Bevölkerung beharrlich an Althergebrachtem. Und so hielt sich überliefertes Formengut trotz eines Marktes, der mit einem reichen Warenangebot an genuin römischer Keramik regelrecht überschwemmt war, über viele Jahrzehnte. Auch Terra Nigra (ihrem Ursprung nach aus Nordgallien, der Belgica und den Rheinlanden stammend) wurde in Heidelberg hergestellt. Sie ist ein schönes Beispiel für die Vermischung einheimischer und römischer Elemente und gilt als Synonym für provinzial-römisches Kunstschaffen in unserem Raum. Die starke Verwandtschaft zum latenezeitlichen Formengut zeigt besonders deutlich die große Flasche mit dem konischen Gefäßkörper, der im oberen Wandungsteil stark einzieht und in einem sehr hohen horizontal gerillten Hals endet. Die scharfkantige Profilierung des doppelkonischen Napfes dagegen verrät Einflüsse römischer Gefäßtoreutik. Solche Knickwandtöpfe blieben auch zu Zeiten ihrer größten Verbreitung im Vergleich zu anderen Nigraformen Einzelstücke mit einem streng umrissenen Abnehmerkreis. Der kleine bauchige Becher mit Schrägrand war um die Mitte des 1. Jahrhunderts weit verbreitet und gilt auch in Heidelberg als einer der bekanntesten Gefäßformen. Die sehr beliebte und daher weit verbreitete, technologisch aber verhältnismäßig aufwendige Warengruppe kam in trajanisch-hadrianischer Zeit außer Mode. Die Entstehung des für die Terra Nigra so typischen metallisch schwarz glänzenden Überzuges lässt sich an Hand der zahlreichen Heidelberger Fehlbrände recht genau rekonstruieren. Die Flasche, der recht dünnwandige doppelkonische Napf und der kleine Becher wurden aus einem gut geschlämmten Ton gefertigt und unterlagen einem technologisch anspruchsvollen Herstellungsprozess. Vor dem Brand wurden die lederhart getrockneten Gefäße mit einer dicken, aber feinteiligen weißen Engobe überzogen, die Oberfläche danach mit einem Spachtel oder Glättstein poliert und somit veredelt. Dieser mechanischen Oberflächenbehandlung verdankt die Terra Nigra ihren intensiven Glanz. Im reduzierenden Brand (d.h. Drosselung der Sauerstoffzufuhr auf ein Mindestmaß) und möglicherweise durch Zufuhr von Rauch in den Töpferofen erzielte der Töpfer einen hellgrauen bzw. grauschwarzen Tonscherben und den glänzend schwarzen Überzug. Besonders die Flasche zeigt diese ursprüngliche Oberfläche noch an mehreren Stellen.

Renate Ludwig, Kurpf. Museum

Literatur:

Berndmark Heukemes: Römische Keramik aus Heidelberg. Materialien zur römischgermanischen Keramik 8 (Bonn 1964)
Gertrud Lenz-Bernhard: Die Neckarsweben. In: Ladenburg. Aus 1900 Jahren Stadtgeschichte (Ubstadt-Weiher 1998) S. 43-73
Zur spätantiken Nigraware:
Robert Koch: Terra Nigra Keramik und angebliche Nigra-Ware aus dem Neckargebiet. Fundbericht aus Baden-Württemberg 6,1981,5. 579-602
Helmut Bernhard: Studien zur spätrömischen Terra Nigra zwischen Rhein, Main und Neckar. Saalburg Jahrbuch 40/41,1984/85, S. 34-120

 
Das Objekt:
Glanzton, mattglänzend grauschwarz, 1. Jh. n. Chr.
gefunden in Heidelberg-Neuenheim
Inv. Nr. HD-Neu 1969/98a, HD-Neu 1989/1007a, HD-Neu 1989/1013c
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weiter: Mai 2000


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