Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Dezember 2001

- Sammlungsblatt -

Abraham Storck: Seestück, um 1670

Die Marine von der Hand Abraham Storcks beschreibt eine vor vieltürmiger Hafenstadt (Amsterdam?) unter hohem hellblauen und locker bewölkten Himmel liegende Flotte. Das kontrastierend tiefdunkle Meer ist nur mäßig bewegt, durch helle Lichtstreifen akzentuiert und von zahlreichen Hochsee- und Küstenschiffen besetzt.
Die tonale Farbigkeit des Bildes ist durch Wimpel und die rot-weiß-blau gestreiften Nationalflaggen der Niederländischen Generalstaaten belebt, die auf die Stärke und den Wohlstand der holländischen seefahrenden Republik zu verweisen scheinen, deren Handelsflotten dreimal jährlich mit circa 250 Schiffen ausliefen, um Kolonialwaren mitzubringen, nachdem sich 1602 die sieben Provinzen zur Ostindischen und 1621 zur Westindischen Compagnie zusammengeschlossen hatten.

Der Blick des Betrachters fällt im Bildzentrum auf ein großes Handelsschiff, einen sog. "Ostindienfahrer". Dieses spezielle Frachtschiff, das im 17. Jahrhundert den Kriegsschiffen ähnelte, konnte bis zu 50 Meter Länge erreichen und zwischen 500 und 1000 Tonnen fassen. Rechts davon segelt ein von den behördlichen Kollegien der Republik genutztes "Dienstfahrzeug" mit verziertem Achterschiff, eine "Staatenjacht", im Vordergrund ein Frachtschiff für die Küstenschiffahrt, ein "Bojer", und mittig vorne wird ein mit 4 Mann besetztes Boot gerudert, das zur Ausrüstung eines Handelsschiffes gehörig sowohl ab Bord benutzt wurde, mit dem aber auch vom Festland Personen oder Gegenstände transportiert werden konnten. Das Seestück, das als autonomes Genre um 1600 in den Niederlanden entstand, lässt sich nicht nur als Quelle der Maritimgeschichte des Landes lesen, sondern gibt auch Auskunft über das Selbstverständnis der neuen Republik. Gute Kunden der Seemaler waren Stadträte, Admiralitäten und Hafenbehörden, worauf nicht zuletzt die oft großen Formate der Auftragswerke für öffentliche Gebäude hindeuten - z.B. einzelne "Schiffsporträts" oder komplexere "Gruppenporträts" von Flotten, Ansichten wohlhabender Häfen. Beliebtes Thema der Aktivitäten zu Wasser war die Kriegsführung auf See, heldenhafte Schlachten, bei denen die Niederländer während ihres 80jährigen Befreiungskrieges Siege über die Flotten derBesatzungsmacht Spanien, über England und Frankreich errangen. Solche mittels detaillierter, vermeintlich porträthafter Schiffsarchitekturen scheinbar realistisch vorgetragenen Zeugnisse tatsächlicher Ereignisse entpuppen sich bei genauerer Betrachtung jedoch meist im Kern als Fiktionen, Rekonstruktionen oder freie Neuschöpfungen.

Weitere häufig dargestellte Kategorien des Seestückes umfassen politische Geschehnisse mit maritimem Dekor wie zeremonielle Ankünfte und Abfahrten hochgestellter Würdenträger. Hierzu zählte z.B. die Hochzeit Friedrichs V. von der Pfalz mit Elisabeth Stuart 1613, ein Geschehen, das erst 10 Jahre später in zahlreichen Gemälden dokumentiert wurde, die wohl als (Werbe-)Geschenke der Städte an den im komfortablen niederländischen Exil lebenden Pfälzer überreicht wurden, um ihre Bündnistreue zu unterstreichen. Szenen von Schiffbrüchen an zerklüfteten felsigen Küsten und Sturmszenen auf dem offenen Meer illustrieren dagegen meist keine identifizierbaren realen Ereignisse, sondern sind dramatische Fiktionen, die virtuos in Komposition und Lichtführung beliebten konventionellen Darstellungsschemata folgen. In der Tradition metaphorischer Bildsprache, die dem 17. Jahrhundert durch klassische und antike Quellen, biblische Texte, emblematische Literatur und volkstümliche Sprichwörter vertraut war, konnten sie vom zeitgenössischen Bildbetrachter z.B. allgemein mit der schicksalhaften Reise und der Unbill des Lebens, den Stürmen der Leidenschaft, dem gefährdeten Staatsoder Kirchenschiff wie auch der Beständigkeit im Glauben assoziiert werden.

Daneben widmeten sich die auf das maritime Genre spezialisierten Künstler auch dem Sujet der niederländischen Handelsschiffahrt, war doch der Handel eine wichtige Einnahmequelle des Landes, der auch andere Wirtschaftszweige, -z.B. die Heringsfischerei und den Walfang, den Schiffsbau und den Bau von Lagerhäusern, - zum Erblühen brachte. Da die Handelsrouten den Schutz vor ausländischen Feinden benötigten, kam es zum Bau einer großen Kriegsflotte, deren Kapitäne zu nationalen Helden avancierten und ihre Erinnerung mit aufwendigen Grabdenkmälern festgehalten wurde.

Neben den genannten Historien-Themen der Seemalerei gab es Maler wie J. Porcellis, J. van Goyen oder S. de Vlieger aus der tonalen Phase der Seemalerei, die gleichsam als maritime Landschaftsmaler in kleinem Format und mit reduzierter Farbpalette atmosphärisch dicht das beschauliche, von Flüssen und Kanälen durchzogene wasserreiche Land, seine Küsten und Uferbefestigungen mit der Vielfalt unspektakulärer alltäglicher Fischerei und Schiffahrt auf kleinen Binnenschiffen, Fischer- und Fährbooten schildern.

Der erste auf das Seestück spezialisierte Maler war Hendrick Vroom (1566-1640), seine wichtigsten Vertreter Willem van de Velde d.Ä. (1611-1693) und d.J. (1633-1707) und Ludolf Backhuysen (1630-1708). Als letzter bedeutender Marinemaler des 17. Jahrhunderts muss Abraham Storck angesehen werden, der 1644 als dritter Sohn des Amsterdamer Feinmalers Jan Jansen Sturck geboren wurde; dessen Sozialverhalten gab mehrfach Anlass zu Klagen und seine zweite Frau bezeichnete ihn als "een oude schelm ende oude guijt ende Susannaboeff" - einen alten Schurken, alten Taugenichts und Halunken. Abraham lebte noch 1663 im Haushalt seines Vaters; 1688 ist er auf der Mitgliederliste der St. Lukasgilde seiner Heimatstadt geführt, 1708 fand er auf dem dortigen Sint Anthoniskerkhof seine letzte Ruhestätte. Abraham Storck hatte früh Kontakte zur Familie des Künstlers Jan Beerstraten, der ihn möglicherweise anregte, Maler zu werden. Stilistisch wurde er beeinflusst von L. Backhuysens Hafen-, See- und Küstenstücken.

Storcks maritime Themenpalette war vielfältig, er malte auch Sujets, an denen deutlich wird, dass die strengen Grenzen der Spezialisierung niederländischer Maler des 17. Jahrhunderts zunehmend verschwammen: Da sonnige italienische Landschaften eher Absatz fanden, passte er sich den Gegebenheiten an und machte die fremdländische Küste mit klassischen Ruinen zu seinem Hauptthema, wobei in ungewöhnlicher Kombination doch oft noch eine Wasserfläche mit großem Segelschiff zu sehen ist. Im Gegensatz zu seinen zumeist topographisch genauen Ansichten der holländischen Küsten- und Hafenstädte wirken diese Darstellungen von Mittelmeerhäfen und italienischen Küsten wie aus Einzelelementen zusammengesetzt, so dass man kaum von einer Italienreise Storcks ausgehen kann. Oft taucht hier (wie auf dem zweiten Gemälde seiner Hand im KMH, "Italienische Hafenlandschaft", Inv. Nr. G 667) als kosmopolitisches Element in der alltäglichen Geschäftigkeit der Mittelmeerhäfen ein Turbanträger als Staffagefigur und Verkörperung des levantinischen Händlers auf. Zur gleichen Zeit malte Abraham Storck aber auch beschauliche Ansichten von den Amsterdamer Grachten, auf denen Schiffe nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

Annette Frese

Literatur:

F. C. Willis: Die niederländische Marinemalerei, Leipzig 1911 L. Preston: Sea and River Painters of the Netherlands in the Seventeenth Century, London / New York / Toronto 1937 R. Preston: The Seventeenth Century Marine Painters of the Netherlands, Leigh-on-Sea 1974 L. J. Bol: Die holländische Mannemalerei des 17. Jahrhunderts, Braunschweig 1973

L. 0. Goedde: Tempest and Shipwreck in Dutch and Flemish Art, University Park, London 1989 Herren der Meere - Meister der Kunst. Das holländische Seebild im 17. Jahrhundert.

Hrsg. V. J. Giltaij und J. Kelch. Ausst. Katalog, Museums Boijmans Van Beuningen Rotterdam, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie im Bodemuseum, 1996-1997

Abraham Storck (Amsterdam 1644 - 1708 Amsterdam):
Seestück, um 1670
Öl auf Leinwand, 63,5 x 79,6 cm
Inv.Nr.  G 666

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