Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Dezember 2002
- Sammlungsblatt -

„Die Schäfer auf den Alpen“ (Tafelaufsatz)
(1776/ 1780)

Die rundplastische Gruppe stellt einen Felsengipfel dar, der mit dürrem Gras und einem knorrigen Baum bewachsen ist. Eine kleine Schar heiterer Schäfer und Schäferinnen hat den Gipfel erklom-men, um dort zu rasten. Picknickkörbe und Mu-sikinstrumente verweisen auf eine amüsante und ausgelassene Geselligkeit, die hier auf dem Berggipfel stattfinden soll. Auf kleinen Felsvorsprüngen klettern Lämmchen, einige werden von Schäfern vorsichtig getragen.

Das ganze Ensemble verdeutlicht auf sehr an-schauliche Weise die neue Begeisterung für die Alpenwelt, die literarisch seit Beginn des 18. Jahr-hunderts durch „Die Alpen" Albrecht von Hallers (1732), durch die „Idyllen" Salomon Geßners (1756 und 1772) sowie Rousseaus „La Nouvelle Heloise" vorbereitet war. Johann Wolfgang von Goethe unternahm 1775 eine erste und 1779 zusammen mit dem Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und dem Kammerherren J.A.M. von Wedel eine zweite Reise in die Schweiz. Seine Briefe lösten eine neue Sicht der Naturbetrachtung aus, die frei war von den rokokohaften Arabesken, wie sie das Publikum bisher gewohnt war.

Die Umsetzung dieser großartigen Naturschilderungen wird allerdings hier, fern von den Gebirgen, in eine niedliche, den „Idyllen" angepasste Form gebracht, die in idealer Weise den höfischen Schäferspielen und somit auch der künstlichen Umwelt der pfälzischen Aristokratie in Mannheim, Schwetzingen und Oggersheim entsprach. So wurden auch die einzelnen Figuren nicht etwa nach Schweizer Vorbildern in entsprechenden Volkstrachten neu modelliert, sondern es wurde ein Bergmodell mit Einzelfiguren anderer Modelleure aus dem Repertoire der Manufaktur besetzt. Neu ist nur der Felsgipfel sowie Arrangement und Auswahl der bekannten Modelle auf dem Felsengrund.

Diese Verfahrensweise verdeutlicht die schwierige Situation in der Manufaktur, als nach dem Tode des begabten Karl Gottlieb Lück der Manufaktur ein geeigneter Porzellanmodelleur fehlte. Adam Bauer war nicht der Künstler, der in dieser schwie-rigen Zeit der Wende vom Rokoko zum Klassizismus mit genialem Können eine neue Sichtweise in der Porzellanplastik schaffen konnte. Die figürliche Plastik war Ausdruck des bewegten Rokoko, das statuarische, farblose und marmorhaft Kühle des nachfolgenden Stiles Louis Seize konnte er sich nicht zu eigen machen und verließ deshalb auch schon nach kurzer Zeit die Manufaktur.

Als nachfolgender genialer Künstler erhielt der aus Höchst kommende Johann Peter Melchior dessen Stelle. Mit ihm vollzog sich der Wandel der Stile. Vorbilder waren jetzt antike Plastiken, die sich als Originale oder Kopien erhalten haben. Die Ähnlichkeit mit diesen Bildwerken wird durch die Verwendung des Biskuitporzellans, das auf Glasur und Bemalung verzichtet, noch gesteigert.

Über Adam Bauer sind sehr wenig Nachrichten erhalten. Er wurde um 1743 in Ludwigsburg geboren und wird 1758 als Schüler von Pierre Francois Lejeune erwähnt. Auf Grund seines Talents wurde er bald danach zum „Hoffiguristen", spätestens 1772 zum Hauptlehrer und ab 1774 zum Professor für Bildhauerkunst auf der Solitude ernannt. Von dort floh er 1777 nach Mannheim und wurde zum Modellmeister in Frankenthal ernannt. Noch 1780 finden wir ihn in den Akten der Manufaktur, er scheint aber ab 1778 nicht mehr modelliert zu haben.

Unter Balthasar Wilhelm Stengel soll er an der Plastik des Saarbrücker Schlosses beschäftigt gewesen sein, danach in Wien als Mitarbeiter Johann Christian Wilhelm Beyers.

Neben diesen „Schäfern auf den Alpen" haben sich im Repertoire der Manufaktur nur noch eine Darstellung des Parnasses und einige Allegorien erhalten, bei denen der Berg als Ort des Gesche-hens wichtig ist. Wenig später jedoch, im Jahre 1804, wird in dem ehemals pfälzischen Schloss Schwetzingen ein Raum neu dekoriert, der die wirkliche Alpenlandschaft zum Thema hat. Die neu aufgespannte Panoramatapete der Firma Zuber aus Rixheim entstand nach Zeichnungen des Malers P. A. Mongin, der eigens in die Schweiz reiste, um naturgetreue Ansichten zu schaffen. Das Ergebnis war jedoch eine Zusammenstellung der schönsten Gegenden der Schweizer Alpenlandschaft, die auf diese Weise wieder zu einem romantisch verklärten Kunstwerk ohne Bezug zur Realität wurde. Zusammen mit dem neugotischen Mobiliar und den völlig zugehängten Fenstern verkörpert dieser Raum den Traum nach einem Arkadien in einer anderen Welt zu einer anderen Zeit und ist damit auf der gleichen Stufe anzusiedeln wie das Schäferstück des Rokoko.

Carl Ludwig Fuchs

Literatur:

F.H. Hofmann, Frankenthaler Porzellan, München 1911

E. Heuser, Porzellan aus Straßburg und Frankenthal im 18.Jh., Neustadt 1922

P.W. Enders, Der Bildhauer Johann Adam Bauer und seine Modellentwürfe für die Porzellanmanufaktur Frankenthal, in: Keramos 1969 (45) S. 18 - 38

C.L.Fuchs, Schloß Schwetzingen, amtlicher Führer, S. 61

siehe auch: Frankenthaler Porzellan
Modell von Johann Adam Bauer, 1776
Porzellan, glasiert, bemalt und vergoldet
Frankenthal, Ausformung 1780, Inv. Nr. Po 636

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