Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Dezember 2003
  - Sammlungsblatt -

Minerva, die Beschützerin von Kunst und Wissenschaft

Im Jahre 1738 gewannen die Brüder Dubois und Francois Gravant, alle drei ehemals in der Manufaktur von Chantilly beschäftigt, den Intendanten der französischen Finanzen Orry deVigory und dessen Bruder Orry de Fulvy für die Neugründung einer Porzellanfabrik. Obwohl ihnen das Geheimnis der Herstellung von Hartporzellan nicht bekannt war, erhielten sie im Schloss von Vincennes geeignete Räumlichkeiten für eine Produktion. Wie schon in Chantilly wurde hier Weichporzellan hergestellt, die "Porcellaine de France".

1745 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft mit 25 % igem Anteil des Königs umgewandelt und erhielt den Namen: "Manufacture royale des Porcelaines de France". Im gleichen Jahr hatte man eine hervorragende Masse entwickelt, aus der sich Frittenporzellan bester Qualität herstellen ließ. Ein ständiger Zuschuss des Staates ließ die Manufaktur prosperieren, sodass sie sich zu einer ernsthaften Konkurrenz zu Meißen entwickelte. Es waren vor allem die leuchtenden Farben der Bemalung, die unter der Glasur des Weichporzellans so emailhaft erstrahlten, und die Blumenproduktion, die sich in diesen Jahren größter Beliebtheit erfreuten. Der Hofgoldschmied Louis XV.', Jean Claude Chambellan Duplessis (1690-1774), und der Maler Jean Jacques Ba-chelier (1724- 1806) sorgten für ungewöhnlich qualitätvolle und künstlerische Entwürfe sowohl für die Geschirre als auch für Skulpturen.

Vincennes erhielt das Privileg, als einzige französische Manufaktur Buntmalerei betreiben zu dürfen. Im Jahre 1756 wurde das Unternehmen in ein neu erbautes Gebäude nach Sevres verlegt, das den Vorteil hatte, dass der Hof auf den Wegen von und nach Versailles diesen Standort berührte. Louis XV. nahm so lebhaften Anteil an der Porzellanherstellung, dass er sich ein Appartement in diesem Anwesen einrichten ließ. Im Jahre 1759 übernahm er die Manufaktur auf eigene Rechnung.

Protektorin wurde die Marquise de Pompadour, unter deren geschmacklichem Regiment die Qualität sich rasch verbesserte.

Bei der Herstellung der überaus beliebten Porzellanplastiken stieß man auf schier unüberwindliche Schwierigkeiten. Das Frittenporzellan erhielt nach dem ersten Brand eine sehr zähflüssige und dicke transparente Glasur, die sich wunderbar zum Bemalen eignete, die aber im figürlichen Bereich die scharfen Formen der Plastiken wie Gesichter und Haare sowie Hände und Füße viel zu unscharf erscheinen ließ.

Nach einer Reihe vergeblicher Versuche, die Glasur zu verändern, entwickelte man das Biskuitver-fahren, in dem das Porzellan unglasiert zweimal gebrannt wird und so eine marmorartige stumpfe Oberfläche erhält. Die so entstandenen Plastiken wirken wie Verkleinerungen von Marmorfiguren und kamen dem sich wandelnden Geschmack in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts entgegen.

Es war der Bruder der Marquise de Pompadour, der Marquis de Marigny, der von einer Studienreise nach Italien zurückkommend das Todesurteil über den Rocaillestil aussprach. Die Antike mit ihren vielen stilistischen Facetten wurde zum Leitmotiv aller künstlerischen Äußerungen, obwohl man zu dieser Zeit noch nicht zwischen griechischer und römischer Kunst unterscheiden konnte und auch Werke der Renaissance für antik gehalten wurden.

So wurde das Interesse des Publikums auf die antike Plastik gelenkt, die man in Gestalt einer Biskuitstatuette der Manufaktur Sevres erwerben und in dieser reduzierten Form auch noch in die Innenraumkunst einfügen konnte. Als man dann 1768 eigene Kaolinvorkommen entdeckte und auch Hartporzellan brennen konnte, blieb man, dem veränderten Geschmack entsprechend, bei der Produktion von figürlichem Biskuitporzellan.

Als Modellmeister wurden die berühmtesten Künstler Frankreichs verpflichtet. So schuf Etienne Maurice Falconet (1716-1791) zwischen 1757 und 1766 eine Reihe von Modellen, zum Teil als Reduzierungen seiner erfolgreichen Marmorskulpturen. Auch Augustin Pajou (1730-1809), Jean Baptiste Pigalle (1714-1785), Claude Michel gen. Clodion (1738-1814), Jean Jacques Caffieri (1725-1792) und andere haben ihre Kräfte in den Dienst der Manufaktur gestellt.

In Sevres selbst aber wurden auch Modellmeister angestellt, die hauptberuflich die Entwürfe für die Porzellanplastik schufen.

Für die Entwicklung des neoklassischen Stiles war der Modelleur Louis-Simon Boizot (1743-1809) maßgeblich verantwortlich. Als Schüler des Bildhauers Michel-Ange Slodtz (1705-1764) erhielt er 1761 den ersten Preis für Bildhauerei und war von 1765 - 1770 Stipendiat der Ecole Royale in Rom. Zurückgekehrt widmete er sich dekorativen Arbeiten im "gout grec" und wurde von 1773 bis zum Jahre 1800 Leiter der Modellierabteilung in Sevres. Seine dort entstandenen Arbeiten sind formal schon frühklassizistisch, von der Haltung und Ausstrahlung aber noch dem Geist des Rokoko verpflichtet. Erst gegen Ende seiner Tätigkeit verlieren seine Modelle Charme und Freizügigkeit, eine klassische, aber hochelegante Kälte bemächtigt sich der Figuren.

Das hier vorgestellte Modell kann nicht mit Sicherheit Boizot zugeschrieben werden, zu distanziert präsentiert sich diese Minerva. Als mögliche Modelleure kommen auch Pigalle oder Clodion in Frage.

.Text: Carl-Ludwig Fuchs

Literatur:
Marcelle Brunet, Tamara Preaud : Sevres, Des origines ä nos jours, Fribourg 1978
Armand Guerinet: Les biscuits de la Manufacture de Sevres, Paris o.J.

 
siehe auch:  
 

Minerva, die Beschützerin von Kunst und Wissenschaft
Biskuitporzellan
Manufaktur Sèvres Sèvres, um 1780 - 90

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