Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Januar 2002
- Sammlungsblatt -

Schützenpokal, 1901

Der Schützenpokal ist in Form eines Römers gearbeitet. Den glockenförmigen Fuß schmücken Akeleibuckel und Eichenlaub, das in den schlanken Schaft hinaufwächst. Zwei Spangen in Jugendstilformen begleiten die zwiebeiförmige Kuppa, auf deren Vorderseite das Heidelberger Schloss in einem von Bändern und Eichenlaub gerahmten Tondo dargestellt ist, auf der Rückseite sind es die Embleme der Schützenvereine. Um die steile Lippe zieht sich die Umschrift: "18.VERBANDSSCHIESSEN des BADISCHEN LANDESSCHÜTZENVEREINS des PFÄLZISCHEN & MITTELRHEINISCHEN SCHÜTZENBUNDES HEIDELBERG 14.-21. Juli 1901", auf dem Fuß in zwei Akeleibuckeln:" DEM VEREHRL. STADTRAT DER STADT HEIDELBERG /GEWIDMET VOM HEIDELBERGER SCHÜTZENVEREIN".
Die Firma Bruckmann hat eine lange Tradition, die sich bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Sie beginnt mit dem 1736 geborenen J.D. Bruckmann, der als Silberschmied in der Heilbronner Zunft genannt wird. Sein Sohn Georg Peter bildete sich in Wien, Paris und Genf zu einem Goldschmied aus, der mit den neuesten Stilformen und Techniken bestens vertraut war. Nach Heilbronn zurückgekehrt gründete er die Firma, zu deren Kunden bald der Freundeskreis um Justinus Kerner und Sulpiz Boisseree aus Heidelberg gehörte. Ab 1810 wurden in fabrikmäßiger Form Ornamente, Henkel, Tüllen und Füße hergestellt, die den Goldschmieden die Arbeit erleichterten. Diese Vorprodukte wurden schon damals per Katalog vertrieben, was den Absatz unendlich steigerte. Der besondere Vorteil dieser Vorprodukte bestand in der Leichtigkeit des Silbers,das aus gewalzten Platten herausgepresst wurde und dadurch in der durch die Napoleonischen Kriege verarmten Käuferschicht das Bedürfnis nach erschwinglichem Luxus decken konnte. Die serienmäßige Fertigung mittels geschnittener Stahlstempel veränderte den reinen Handwerksbetrieb zur Silberwarenfabrik und war damit ein wichtiger Schritt hin zur Industrialisierung des 19. Jahrhunderts.

Mit der Einstellung des begabten Konrad Weitbrecht wandelte sich der Stil der Arbeiten zu einem Klassizismus im Sinne Danneckers und löste sich dadurch auch vom französischen Empire. 1842 stiftete G.P. Bruckmann 10.000 Gulden zur Errichtung einer Zeichen- und Modellierschule zur Ausbildung einheimischer Talente, die der Fabrik unentbehrlich waren. Daraus ging die 1854 gegründete gewerbliche Fortbildungsschule hervor, die in ganz Süddeutschland sehr geschätzt war. Um den firmeneigenen Nachwuchs gezielt auszubilden, gründete die Firma um die Jahrhundertwende dann eine eigene Fachschule.

Bereits 1812 erhielt das noch junge Unternehmen eine besondere Auszeichnung. Durch Ratsbeschluss wurde gestattet, als Firmenmarke den Adler der ehemals freien Reichstadt zu benutzen. Diese Marke wurde bis zur Auflösung der Firma 1973 beibehalten.

G.P. Bruckmann war auch ein begabter Medailleur, dessen Münzen und Medaillen des Königreiches Württemberg große Beachtung fanden. 1851 übernahm der aus Amerika zurückgekehrte Sohn Ernst Dietrich die Firma, deren Gechicke er ab 1862 mit seinem Bruder Wolfgang August Peter lenkte.

Ein neuer Markt wurde entdeckt: die versilberten Bestecke, die bei dem hohen Silberpreis durchaus eine Alternative für die wachsende Schicht des Bürgertums darstellten. Sehr schnell hielt dann der technische Fortschritt Einkehr in die Fabrikräume. 1865 wurde eine galvanoplastische Werkstatt eingerichtet, die bei der Nachfrage nach historischen Vorbildern unabdinglich war.1868 wurden mehrere Guillochiermaschinen installiert, die dem modischen Geschmack des letzten Drittels des 19. Jahrhundert sehr entgegenkamen. 1869 schließlich entstand die Kunstgießerei für die komplizierten Neorenaissanceformen der Korpuswaren. Die Firma erlebte einen kometenhaften Aufstieg: der Umsatz betrug 1871 1,2 Millionen, 1881 2 Millionen, 1890 2,7 Millionen und im Jahre 1900 3 Millionen Goldmark.1887 übernahm der Sohn Peter das Firmenatelier, das dem Historismus einen breiten Weg bahnte. Wahllos wurden alle Stilformen von der Gotik bis hin zum Klassizismus oft an einem einzigen Gegenstand angewendet, wie auch hier bei diesem Schützenpokal, der Formen der Spätgotik mit den Seerosenblättern und Schlingen des Jugendstiles bedenkenlos vereint. Der 1907 gegründete Werkbund zur Veredelung der gewerblichen Arbeit fand in Peter Bruckmann einen stellvertretenden Vorsitzenden, der rückblikkend resümierte: "Die Ausplünderung der alten Stile und die furchtbaren Entgleisungen des Jugendstiles hatte ich im eigenen Betrieb erfahren..." 1898 wurden die alten Fabrikgebäude zu klein, so dass man sich zu einem gewaltigen Neubau entschloss, der die im Jahre 1904 ca. 730 Beschäftigten aufnehmen konnte. Zu dieser Zeit hatte die Firma in Deutschland bereits die Rolle eines vorbildhaften Leitbetriebes übernommen, der die formale und ästhetische Entwicklung des Silbergerätes mitbestimmte. Ab 1901 wurden dann auch Jugendstilentwürfe der Darmstädter Künstlerkolonie und des eigenen Ateliers realisiert.

1937 übernahm Dietrich Bruckmann die Firma, die mit Beginn des zweiten Weltkrieges voll in die Waffenproduktion einbezogen wurde. 1944 zerstörte ein mörderischer Luftangriff Heilbronn und die Firmengebäude. Nach dem Krieg gestaltete sich der Wiederaufbau schwierig, so dass man sich 1968 mit der niederländischen Firma N.V.Gerofabrik zusammenschloss. Nach der Firmenverlegung im Jahre 1972 nach Neckarsulm musste der Betrieb wegen Unrentabilität eingestellt werden.

Der Heidelberger Pokal war als Geschenk an den Stadtrat gedacht und knüpfte wohl damit an den Gedanken des mittelalterlichen Ratssilbers an, das in einigen deutschen Städten noch vorhanden war. In dieser Zeit plante man auch die Umgestaltung des Rathauses in einen Renaissancepalast, der würdig gewesen wäre, mit üppigem Ratssilber zu prunken.

Carl Ludwig Fuchs

Literatur:

Silber aus Heilbronn für die Welt, P. Bruckmann & Söhne (1805-1973) Ausstellung Städtische Museen Heilbronn, 11.5. -9.9. 2001
 

Schützenpokal. Atelierentwurf von einem unbekannten Meister, erstmals gefertigt 1901
PSilber gedrückt, innen galvanich vergoldet. Bez.: Mondsichel, Krone 800, Adler, Stern und 58.
Fa. Bruckmann, Heilbronn, 1901
Höhe 22,8 cm
Inv.Nr. GM 117
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