Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Juni 2003
  - Sammlungsblatt -

Miniatur-Ausatzkommode

"Der Mensch ist das Maß aller Dinge" - alles, was zu groß ist, jagt Angst und Unbehagen ein, alles, was klein ist, wirkt bezaubernd, reizt unsere Sinne und schafft uneingeschränktes Behagen. Schon in früher Zeit entstehen Miniaturdome als Reliquienschreine, beauftragt Herzog Albrecht V. von Bayern den Drechslermeister Jacob Sandtner, Modelle seiner Residenzstädte anzufertigen. Diese wurden in der Kunstkammer ausgestellt und fanden allgemeine Bewunderung. Wenn die Miniaturen auch noch funktionierten, wie etwa die Augsburger Automaten des 16. und 17. Jahrhunderts, war das Kunstwerk vollkommen.

In den Hainhoferschen Kunstschränken entdecken wir schimmernde, zum Teil verspiegelte Säle, in Roentgenmöbeln marquetierte Innenräume, ja selbst noch in Biedermeiersekretären ist das Mittelfach eine kleine akkurate Architektur. Ganze Patrizierhäuser mit unzähligem Hausrat hat das "Nürnberger Puppenhaus" hervorgebracht, es sollte entzücken und belehren, es war nicht zum Spielen im heutigen Sinne gedacht.

Solange es Möbel gibt, hat es jedoch auch kleine Möbel gegeben, die weder als Kunstschränke noch als Puppenmöbel dienten. Hier hat die englische Forschung vier Theorien zu ihrer Entstehung entwickelt: 1) als Gesellenstücke, 2) als Modelle für reisende Möbeltischler, 3) als Spielzeug, 4) als reine Modellstücke.

Neuere Forschungen lassen Nr. 1 und 2 ausscheiden, schwieriger ist es bei den Puppenmöbeln. Nun sind aber gesicherte Puppenmöbel nie reine Kopien von Großmöbeln, sondern auf ihre Verwendung durch ein kleines Kind abgestimmt, in den Proportionen verändert, stabiler gebaut und einfacher zu handhaben. Sie lassen sich nicht maßstabsgerecht vergrößern, wie es bei einem Modell der Fall sein müsste. Offensichtlich scheinen also die Kleinmöbel als Modelle gearbeitet worden zu sein.

Modelle finden wir in den Planungsphasen von Kirchen- und Schlossbauten, für Innenräume, Kanzeln, Altäre, Schlitten, Kutschen und sogar für Festroben und endlich auch für Möbel. Der schon erwähnte Augsburger Kunstagent Philipp Hainhofer (1578 - 1647) bediente sich oft kleiner Modelle, um Kunden für seine kostbaren Kabinette zu gewinnen. Für das berühmte "Bureau du Roi" von Oeben und Riesener (1760-1769) wurde zuerst ein Modell gefertigt, bevor es in Auftrag ging, und auch für einen Schreibtisch für die Königin Marie Antoinette des Schreiners Bennemann wurde 1786 zuvor ein Modell aus Holz und Wachs angefertigt.

Selbst nach 1800 wird diese Methode beibehalten. So finden wir im 1810 erschienenen Katalog des Nürnberger Warenhauses von G.H.Bestelmeier folgenden Hinweis:" Von sämmtlichen Meublen werden für Persohnen, die wegen zu weiter Entfernung keine kommen lassen können, kleine Meubeln gemacht, die man als Modell oder Spielwaaren gebrauchen kann. Ja man kann ein gantzes Meubel-Magazin im kleinen haben."

Das wichtigste Erkennungskriterium eines echten Modellmöbels ist sein getreuer Maßstab und die Demonstration seiner Möglichkeiten. Oftmals werden auch Alternativen vorgestellt, wie etwa zwei verschiedene Verzierungen, Bein- oder Bekrö- nungsformen oder auch verschiedene technische Möglichkeiten. Die kostspielige und zeitraubende Anfertigung von Kleinmöbeln lohnte sich nur bei außerordentlich kostbaren oder bei in Serie zu fertigenden Möbeln.

Wenn man nun für unser Beispiel alle vier Möglichkeiten ausgeschieden hat, so bleibt nur eine Anfertigung als Kleinmöbel zum Zweck einer Benutzung als Behältnis für Schmuck, Sammelgegenstände und kleine Geheimnisse übrig.

Für eine solche Nutzung spricht die verhältnismäßige Größe der Aufsatzkommode, die bequem eine Fülle kleiner Gegenstände aufnehmen kann und auch als Zierstück in der "Putzstube" des Bürgers zur Geltung kommt.

Für einen Entstehungsort in der Pfalz spricht die Provenienz des Möbels, das sich seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mannheim befand. Die schwere Form der Kommode, der sehr gewichtige Aufsatz mit der Tabernakeltür und der geschweifte Giebel erinnern an Werke des kurpfälzischen Hofschreiners Franz Zeller, von dem sich eine Anzahl ähnlicher Großmöbel im Besitz der badischen Schlösserverwaltung erhalten hat.Text: Carl-Ludwig Fuchs

siehe auch: Sammlungsblatt

Nussbaummarqueterie auf Weichholz,
vergoldete Bronzen
Pfälzisch, um 1750 - 1760,
H 60 cm B 38 cm T 23,5 cm
Erworben 1999, Inv. Mb 26

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