Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

November 2002
- Sammlungsblatt -

Jan Hackaert: Südliche Alpenlandschaft
(um 1660)

Jan Hackaert gehört zu den herausragenden holländischen Landschaftsmalern des 17. Jahrhunderts, zu dessen Lebenslauf sich aber nur wenige Nachrichten erhalten haben. Seine überlieferten Gemälde datieren aus dem Zeitraum 1657 -1685, daneben sind Zeichnungen und Radierungen von seiner Hand erhalten. Vermutlich hat er auch wie viele seiner Berufskollegen Kunsthan-del getrieben. 1653 - 1658 hielt er sich in der Schweiz auf und unternahm von dort aus mehrfach Reisen nach Italien. Anschließend ließ er sich in Amsterdam nieder. Er verkehrte mit den Land-schaftern Aert van der Neer und Adriaen van Velde; Nicholas Berchem und Jan Lingelbach haben ihm für seine Bilder mehrfach Staffagefiguren gemalt. Hackaert schuf heroische Landschaften wie realistische Naturaufnahmen. Nachhaltig wurde er von dem italianisierenden Landschaftsstil Jan Boths beeinflusst. Seine bevorzugten Sujets waren lichte Laubwälder, parkartige Haine, baumbestandene Alleen mit Jagdgesellschaften und vor allem südliche, sonnendurchflutete Landschaften.

Die virtuosen Freilichtgebirgszeichnungen einer viermonatigen Alpenreise 1655 teilweise in Begleitung der Künstler Conrad Meyer und Hans Rudolf Werdmüller bilden nach Anzahl, Format und Präzision der sachgetreuen Wiedergabe künstlerisch und naturwissenschaftlich den bedeutendsten Bestand unter den Inkunabeln der topographischen Gebirgsdarstellung.

Besondere Qualitäten erreichte Hackaert in der Schilderung des Atmosphärischen, wie auch seine topographisch nicht bestimmbare „Südliche Alpenlandschaft" aus der Sammlung Posselt anschaulich macht, eine weitläufige Überschaulandschaft, die der Betrachter von einer erhöhten Vordergrundkulisse erfasst.

Die streng gebaute Komposition verrät das Be-mühen um eine klassisch ausgewogene Bildgestaltung. Hackaerts Landschaftsschilderung zeichnet sich durch die für ihn typischen Sonnenlichteffekte aus. Das von der rechten hinteren Bild-seite einfallende Licht dringt durch die Blätter von Bäumen und Büschen und schafft im dunkel ver-schatteten Vordergrund eine helle Zone, in der ein mit Tierstaffagen besetzter Waldweg in die Tiefe führt. Bildbestimmend ist ein von hier aus in kräftiger Diagonale ins Bild ragender Baum - bei Hackaert stets von schlankem Wuchs -, dessen Stamm und Blätter differenziert beschrieben sind. Die weich geschwungenen grünen Landschafts-hügel am See in der abrupt dahinter gesetzten Talsenke des Mittelgrundes gehen in der Luftper-spektive in die hoch aufragende hellblaue und z.T. mit Schnee bedeckte Alpenkette des Hintergrundes über. Das strahlende Sonnenlicht bestimmt die grünblaue Farbpalette der Landschaft und evoziert durch den von lockeren Wolkengebilden durchzogenen hohen Himmel den Charakter einer südlichen Landschaftsnatur.

Nichts lässt die zeitgenössische Bewertung der Berge und im besonderen der Alpen erahnen, die für James Howell, einen um 1622 reisenden Diplomaten, „schreckliche Warzen" und gänzlich überflüssig waren. John Evelyn sah in seinem berühmten Tagebuch 1646 die Alpen als eine große, von der Natur aus den schönen Tälern der Lombardei verbannte Schutthalde und für Tho-mas Burnet waren sie in seiner 1681 erschienenen „Telluris Theoria Sacra" das Resultat der Sintflut und Gottes Warnzeichen: Als Strafe hatte er die Erdoberfläche mit ihnen verhässlicht. Inbegriff aller Scheußlichkeiten waren für ihn die Alpen.

Das Unbehagen hohen Bergen gegenüber sollte in der Folge noch zunehmen und verfestigte sich bei vielen Autoren bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Joseph Spencer, ein Freund von Alexander Pope und James Thomson, schrieb 1730: „Ich würde die Alpen sehr lieben, wären da nur keine Berge". Mit Abscheu werden von den Reisenden oft gerade jene Aussichten erwähnt, die später den größten Enthusiasmus hervorriefen, und noch Johann Gottfried von Herder soll die Vorhänge zugezogen haben, als er durch die Alpen reiste.

In den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts schwoll jedoch bei den Gessner'schen, Rousseau'schen und Ossianischen Dichtern und Reisenden die Welle der Alpenbegeisterung an. Das Bedürfnis nach dem Erleben der übermäch-tigen Natur, wie es in Edmund Burkes Theorie des Erhabenen 1757 formuliert worden war, spiegelt sich dann in vielen Landschaftsbildern der Zeit wider, die im Panorama der Schweizer Berge ein geeignetes Motiv zum Ausdruck dieser Empfin-dung sahen. So waren sie für den Ästheten Johann Georg Sulzer 1776 zwar noch wild und unfruchtbar, doch ließen sie ihn an die Macht der Natur denken.

Annette Frese

Literatur:

Die Entdeckung der Alpen in der Malerei. Gemälde und Graphik vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ausst. Kat. Aargauer Kunsthaus Aarau 1962

Jan Hackaert: Die Schweizer Ansichten 1653-1656. Zeich-nungen eines niederländischen Malers als frühe Bilddoku-mente der Alpenlandschaft. Bearb. u. kommentiert von Gus-tav Solar, Dietikon 1981

Die Alpen in der Malerei. ( Rosenheimer Raritäten ). Rosenheim 1981

Jacek Wozniakowski: Die Wildnis. Zur Deutungsgeschichte des Berges in der europäischen Neuzeit. Frankfurt am Main 1987

Annette Frese: Die Sammlung Posselt im Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg. ( Bildhefte des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg, hrsg. v. Jörn Bahns, 3 ) Heidelberg 1995, S. 60- 61

siehe auch:
Südliche Alpenlandschaft
um 1660
Öl auf Leinwand, Inv.-Nr. G 240
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