|

Szene bäuerlicher Arbeit. Die Frau trägt
die klassiche Kombination von Unterhemd, Rock und Mieder.
Lagerbuch
des Klosters Wiblingen, 1697/98 (Hauptstaatsarchiv Stuttgart,
H 235 Bd. 352) |
Bemerkungen zum Begriff der "Tracht"
Bis in das 20. Jahrhundert bezeichnet Tracht" allgemein
jede Kleidung, die verbindlichen Regeln folgt und damit Unterschiede
im Famlienstand (verheiratet / unverheiratet), im sozialen Status
("Bürger"/ "Landmann"), der Berufszugehörigkeit (Bergleute,
Zimmerhandwerker etc.) oder der Konfession deutlich macht. Im
späten 19. und frühen 20. Jahrhundert geriet vor allem
die als zeitlos angesehene - bäuerliche Tracht in
den Sog der Heimatbewegung, in der die städtisch-bürgerlichen
und die aristokratischen Kreise eine Darstellung der verlorenen
Tradition und der heilen Welt" erkannten. In diesen Zusammenhang
gehören auch die bewußte Betonung von Natur, Tradition
und Heimat in Vereinen von Naturschutz, Traditions- und Heimatpflege,
gehört auch die Gründung der "Badischen Heimat" im
Jahre 1909. Die ständisch bestimmte (bäuerliche) Tracht
wurde zur "Volkstracht" stilisiert und gefördert, auch in
Gebieten, in denen sie bereits der modisch geprägten bürgerlichen
Konfektionskleidung gewichen war. Auch der frühe Tourismus
(Sommerfrische") und die Werbung (für Lebensmittel
z.B.) erkannten die Wiederbelebung der ländlichen Tracht
als Stimmungsträger und setzte sie gezielt in der Werbung
als Staffage ein.
|
Herkunft der bäuerlichen Tracht
Herkunft der bäuerlichen Tracht ist die einfache Kleidung
des 18. Jahrhunderts, bestehend aus Rock, Mieder und Unterkleid,
wie sie sich in den Darstellungen der Kunst vielfach findet.
Einerseits durch den Mangel an finanziellen Mitteln, andererseits
durch die ständische Unterschiede fixierende obrigkeitliche Kleiderordnungen
blieb die bäuerliche Kleidung im Wesentlichen in der althergebrachten
Formensprache.
Die
höfische
Kleidung dagegen, die sich in Material und Schnitt ganz wesentlich
unterscheidet,
setzte
sich
im 19.
Jahrhundert
in den bürgerlichen Kleidungsmoden fort. Diese bürgerliche
Kleidungsmode wurde im Lauf des 19. Jahrhunderts auch von der
ländlichen Bevölkerung aufgegriffen, da sie als Zeichen
der Modernität galt, zumal mit der zunehmenden Mobilität
durch den steigenden Eisenbahnverkehr der Kontakt zwischen Stadt
und Land intensiver wurde. Außerdem wurde mit der Aufnahme industrieller
Produktion die "moderne" Kleidung zunehmend erschwinglicher,
so dass diese die traditionelle Tracht verdrängt.
Daher kam es, dass bereits zu Beginn
des 20. Jahrhunderts die Männertracht bereits fast ausgestorben" war.
Damit wurden bereits früh weite Gebiete, in denen die Landwirtschaft
als Produktionszweig hinter der industriellen Produktion zurücktrat
und die städtische Kultur und Lebensweise auch auf die Dörfer übergriff,
praktisch trachtenfrei", wie z.B. der untere Neckarraum
um Mannheim.
Bild: Kleidung des 18. Jahrhunderts mit einfach
geschnittenem Rock und Schößchenjacke. Die Jacke
ist tief ausgeschnitten, das darunter getragene Unterkleid
vermutlich ebenfalls. Lucinde aus der italienischen Komödie. Porzellanfigur
von Franz Anton Bustelli, Nymphenburg, um 1760
Bayer. Nationalmuseum
Gemeinsame Grundtypen der Trachten ergeben sich aus der Verwendung
traditioneller Materialien, wie Leinen, Wolle oder Leder und den
Möglichkeiten ihrer Verarbeitung, ergeben sich auch durch die
klassischen Gemeinsamkeiten im Schnitt
Dazu treten einerseits die nach der Aufhebung obrigkeitlicher
Kleiderordnung eingetretenen modischen Neuerungen, andererseits
das Element der zwischengeschlechtlichen Attraktivität, nach
dem vor allem die Tracht der jungen Frau ihre weiblichen Reize
herausstellen sollte und Anziehungskraft für die Trachtenmode
an sich gewann. Auf der anderen Seite folgt die Tracht selbst in
Zeiten ihrer Einbindung in Modeströmungen immer noch klassischen
Formenmustern (Landhaus- oder Countrylook). Heute zeigen sich viele
Ortstrachten als Neuschöpfungen der jüngsten Zeit, die
aus dem Bemühen von Trachtengruppen, Trachtenvereinen oder
Volkstanzgruppen um die Pflege und Erhaltung des traditionellen
Erbes hervorgegangen sind.
Dass die (Frauen-)Tracht jedoch spätestens seit der 2. Hälfte
des 19. Jahrhunderts zum Inbegriff der Heimatverbundenheit wurde,
so dass einzelne Trachten in die Rolle eines Symbols für eine
Landschaft schlechthin hineinwuchs - der Gutacher Bollenhut für
den Schwarzwald und das Dirndlkleid für
Bayern und Österreich -, das verdanken die Trachten der Bevorzugung
durch das Fürstenhaus. Traditionelle Trachten wurde so auf Initiative von
oben " eine identifikationsstiftende Wirkung zugeschrieben. |
Grundbestand der Tracht
Zum Grundbestand der Tracht gehört für die Frau der
weite, oft in Falten gelegte Rock, zu dem in der Regel eine Halbschürze
getragen wird. Er wird entweder durch eine engsitzende kostümartige
Jacke oder durch ein körpernah geschnittenes Mieder ergänzt.
Rock und Mieder zu einem ärmellosen Kleid ("Trägerkleid")
zusammenzufügen ist eine jüngere Entwicklung. Den Kopf
schmückt eine Haube, in deren Formenreichtum sich die eigentliche
Variationsbreite der Trachten zeigt (Pelzhaube, Bänderhaube,
Schleifenkappe, Hörnerkappe, Spitzhaube, Goldhaube, Radhaube).
Bild: einfache Kleidung des 18. Jahrhunderts: Mieder
mit Rock und Schürze
Gemüsehändlerin. Niederviller, Periode Comte
de Custine, um 1770/75. Frankfurt, Museum für Kunsthandwerk Die Männertracht besteht im alpenländischen Bereich
vor allem aus hirsch- oder gamsledernen kurzen oder knielangen
Hosen oder aus Anzügen aus grauem oder braunem Loden oder
Tuch, im oberrheinischen Raum vor allem aus einem schwarzen, auch
farbig abgesetzten Gehrock.
Besonderes Augenmerk gilt der Tracht der jungen unverheirateten
Frauen, in der sich Formen- und Farbenreichtum besonders eindringlich
zeigen. Auch über den oberrheinisch-schwarzwälder Bereich
hinaus ist der Schäpel, die mit Blumen, Gold und Flitter besetzte
Drahtkrone, die der Brautkrone der Jungfrau Maria nachempfunden ist,
verbreitet. Auch die Tracht, die an weniger hohen Festtagen getragen
wird, setzt sich in ihrer Farbigkeit und Auffälligkeit deutlich
von der entsprechenden Tracht der verheirateten Frauen ab. |
Das Dirndl"
Eine Sonderform der Tracht ist das Dirndl der alpenländischen
Tracht, das im allgemeinen aus einem ärmellosen Oberteil
("Leibl") mit Bluse, weitem Rock und bunter Schürze besteht;
es war ursprünglich das Arbeitskleid des weibl. Gesindes, "Dirn" genannt,
wovon sich die Bezeichnung "Dirndl" als Abkürzung für "Dirndlgewand" (hochdeutsch "Dirndlkleid")
herleiten läßt. Auch hier war das Sommerfrischepublikum
des letzten Drittels des 19. Jahrhundert treibender Motor für
die Aufnahme in bürgerlich-städtischen Kreisen und
für die Assoziation dieses Kleidungsstückes mit Heimatverbundenheit
und ländlicher Einfachheit oder gar ländlicher Idylle.
Die Herkunft des Dirndlkleides aus der bäuerlich-einfachen
Welt der Mägde zeigt sich heute noch in der Einfachheit
der Schnitte und der Bevorzugung einfacher Materialien wie Baumwolle. |
|