Die Kleider des Modemuseums werden zur Zeit in Form gebracht
Die Vorbereitungen für das Modemuseum des Württembergischen Landesmuseums
laufen seit Monaten bereits auf Hochtouren: benötigt doch jedes
der ausgestellten Kleider eine individuell angepasste Figurine.
Sie muss den Körpermaßen der ursprünglichen Trägerinnen und Träger
- bzw. dem, was für die jeweilige Mode daraus geformt wurde -
nachempfunden werden!
Denn der menschliche Körper ist für viele "Modediktate" einfach
falsch gewachsen; daher wurde - und wird noch immer - künstlich
nachgeholfen. Weil sich aber die historischen formgebenden "Helfer"
- wie beispielsweise Reifrock, Krinoline, Gesäßpolster und Mieder
- nicht im ursprünglichen Zusammenhang erhalten haben, übernehmen
für die Ausstellung moderne Unterkonstruktionen diese Aufgaben.
Sie prägen nicht nur die Form, sondern geben den empfindlichen
historischen Kostümen auch den erforderlichen Halt. Dass Sie aus
konservatorisch unbedenklichen Materialien gefertigt sein müssen,
versteht sich von selbst.
Von den Textilrestauratorinnen werden drei der prächtigsten Kleider
des 18. Jahrhunderts aus der Sammlung des Württembergischen Landesmuseums
auf die vorbereiteten Figurinen montiert.
Das älteste der drei Kleider ist die wohl aus Venedig stammende
rote Robe von etwa 1745. Sie wurde ursprünglich mit einem seitlich
extrem ausgestellten Reifrock getragen, der der Dame einen raumgreifenden
Auftritt garantierte. Sowohl die Silhouette als auch die kostbaren
Goldstickereien, mit denen das Kleid reich verziert ist, verweisen
auf die ursprüngliche Verwendung: es ist eine repräsentative zeremonielle
Robe, wie sie bei wichtigen Anlässen am Hof getragen wurde. Das
Kleid befand sich zuletzt in der Sammlung des russischen Tänzers
Rudolf Nurejev (1983 - 1993), dessen umfangreicher Nachlass 1995
in New York versteigert wurde.
Die beiden anderen zweiteiligen Kleider vertreten Silhouetten,
wie sie um 1770er und 1780er Jahren in Mode waren: zum einen die
"Robe à l´anglaise", also das Kleid nach englischer Art, das nur
noch mit einem kleinen Gesäßpolster getragen wurde (Bild auf www.landesmuseum-stuttgart.de;
Presse, zum Download). Wie die Bezeichnung zum Ausdruck bringt,
kam diese - weniger im Sinne der Aufklärung - schon begonnen,
sich weniger einfach zu kleiden. Als Modevariante wurde diese
Kleiderform auch auf dem Kontinent übernommen. Der Ankauf dieses
Kleides aus bestickter Seide wurde 1973 von der Gesellschaft zur
Förderung des Württembergischen Landesmuseums finanziert.
Zum anderen die Form der "Robe à la polonaise", des Kleides nach
polnischer Art, bei dem das Mantelkleid in drei Puffen hochgerafft
wird. Hier verweiset der Ländername nicht auf den Ursprung der
Gewandform. Angeblich war eine ironische Anspielung Anlass für
die Bezeichnung: die Puffen, die den Manteau dreiteilen, sah man
als Sinnbild für die erste polnische Teilung von 1772, von der
Österreich, Preußen und Russland profitierten!
Sich in der Benennung modischer Erscheinungen auf politische
oder kulturelle Tagesereignisse zu beziehen, galt im höfischen
Frankreich dieser Zeit geradezu als Gesellschaftsspiel. Farbe
und Material dieses Gewandes waren zukunftsweisend, denn aus dünnen,
weißen Baumwollstoffen sind dann auch die Chemisenkleider gefertigt,
die das Bild der nächsten Modeepoche prägen - das des Empire.
Bei dieser Preview, im wahrsten Sinne des Wortes, ist also ein
Blick auf das "Darunter" erlaubt, das in der Ausstellung im allgemeinen
verborgen bleibt.
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