26.5.14
Sonderausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Fastnacht der Hölle – Der Erste Weltkrieg und die
Sinne
(hdgbw) „Höllisches Inferno“, „Höllenmusik“, „Höllenfeuer“ – oder „Fastnacht
der Hölle“: Frontsoldaten wie der Schriftsteller Ernst Jünger
beschrieben mit einer Mischung aus Faszination und Grauen ihre Erlebnisse im
Ersten Weltkrieg, der die menschlichen Sinne mit Eindrücken von ungeahnter
Dimension überwältigte. Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg
zeigt in der Großen Landesausstellung „Fastnacht der Hölle – Der
Erste Weltkrieg und die Sinne“ vom 4. April 2014 bis zum 1. März 2015,
wie dieser Krieg alle Maßstäbe der Wahrnehmung sprengte.
„Der Erste Weltkrieg war der Beginn allen Unheils danach – in
mancher Hinsicht bis heute“, sagte Museumsleiter Dr. Thomas
Schnabel bei der Eröffnungspressekonferenz am 3. April. „Menschen
verloren in sinnlosen Schlachten ihre Individualität, sie
wurden massenhaft wie Material verheizt." Die Sonderschau
im Haus der Geschichte Baden-Württemberg rückt die Menschen
und ihre Erfahrungen mit dem ersten industrialisierten Krieg in
den Mittelpunkt. Wie wirkten sich der infernalische Lärm der
Explosionen, der beißende Verwesungsgestank in den Schützengräben,
der Hunger in der Heimat, das unermessliche seelische und körperliche
Leid auf sie aus?
„Wir rücken mit den Sinneserfahrungen die existentielle
Dimension dieses gewaltigen Kriegs ins Zentrum“, erklärte
Ausstellungsleiterin Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger. Das beginnt
mit fünf Sinnesstationen, in denen jeweils eine typische Empfindung
aus der Zeit des Ersten Weltkriegs simuliert wird: etwa der Geruch
der tückischen neuen Waffe Phosgen-Gas oder der Geschmack
eines nach Kriegsrezept, also ohne Milch, Fett und Eier, gebackenen
Zwiebacks. Die historischen Ausstellungsstücke werden in drei
Großvitrinen im Grundriss von sechs auf acht Meter präsentiert – je
eine für die Bereiche Front, Etappe und Heimat. Paula Lutum-Lenger: „Der
Krieg klingt, riecht oder schmeckt anders an der Front als in der
Etappe und in der Heimat.“ Mit Hilfe eines speziellen Projektionsverfahrens,
das Ausstellungsarchitekt Thomas Hundt (jangled nerves) unter Aufnahme
des historischen Illusionstricks „Pepper’s Ghost“ entwickelt
hat, werden die Zitate scheinbar in die Luft über die Objekte
geschrieben. Filmausschnitte, Fotos oder Illustrationen ergänzen
die Exponate.
Die Große Landesausstellung „Fastnacht der Hölle“ hat
einen Etat von 600.000 Euro, den zu je einem Drittel das Land Baden-Württemberg,
das Haus der Geschichte und sein Förderverein tragen. „100
Jahre nach seinem Ausbruch scheint uns der Erste Weltkrieg fern
zu sein, aber er hat die Welt und unsere Wahrnehmung tiefgreifend
verändert“, sagte Dr. Manfred Fuchs, der Vorsitzende
des Vereins zur Förderung des Hauses der Geschichte. Er begründete
das finanzielle Engagement des Vereins, das die Ausstellung erst
möglich gemacht hat: „Diese Tragödie für die
Menschen unserer Zeit erfahrbar zu machen, ist wichtig.“

Zerlegen von Schlachtvieh hinter der Front, 1916
Oben: Quartettspiel 'Durchhalten', um 1917. Beide © Haus der Geschichte
BW
Außergewöhnliche Exponate verdeutlichen in der Sonderausstellung,
wie der Erste Weltkrieg die Sinne beanspruchte und belastete. Zu
sehen ist unter anderem die bislang einzige bekannte Packung von
Ohropax speziell für Soldaten: Damit die Frontkämpfer
dem schrecklichen Lärm trotzen konnten, hatte die Herstellerfirma
einen Großauftrag für das deutsche Heer bekommen. Wie
stark Sehnsucht sein konnte, zeigt die oft mit liebevollen Dreingaben
versehene Feldpost des Soldaten Adolf Mann, der seiner Frau in
den fünf Kriegsjahren rund 1300 Briefe schrieb. Eine Luftbildkamera
steht für den immensen technischen Fortschritt, der mit dem
Blick von weit oben neue optische Dimensionen ermöglichte.
Das Begleitprogramm mit Rundgängen, Vorträgen, Workshops
und Diskussionen schlägt Brücken in die Gegenwart. In
der Adventszeit begleitet außerdem eine Weihnachtsausstellung
die Sonderschau: „Das Friedensfest in Kriegszeiten“ ist
ab 27. November 2014 im Galerieraum des Hauses der Geschichte zu
sehen. Die Ausstellung zeigt, wie die Menschen im Ersten Weltkrieg
an der Front und in der Heimat Weihnachten feierten. Was empfanden
sie ohne die Liebsten? Welche Hoffnungen verknüpften sie mit
dem Christfest? Welche Ängste standen sie durch?
Informationen zu „Fastnacht der Hölle“ und den
Veranstaltungen finden sich im Internet unter
www.krieg-und-sinne.de.
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