31.10.16
Kunstmuseum Basel
Archäologie des Heils.
Das Christusbild im 15. und 16. Jahrhundert
(kmb) 1516 veröffentlichte Erasmus von Rotterdam (1466–1536)
in der Basler Offizin von Johannes Froben seine epochale Neuübersetzung
des griechischen Neuen Testaments. Den 500. Jahrestag dieses Ereignisses
feiert die Stadt Basel mit einer Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen,
zu der das Kunstmuseum im Herbst mit Archäologie des Heils
beiträgt. Gestellt werden soll dabei die Frage nach dem Christusbild,
das Erasmus und die Gesellschaft, in der er lebte, geprägt
hat, und nach den Wandlungen dieses Bildes.
Dabei geht die Ausstellung von Erasmus’ grundsätzlicher
Skepsis gegenüber Bildern aus, deren Nutzen für die Religionsausübung
der Gelehrte und ehemalige Chorherr eher gering einschätzt.
Diese Skepsis hatte Gründe, die sich naturgemäss dann
am plastischsten abzeichnen, wenn man den von Humanisten und Reformatoren
kritisierten Status quo anhand von Originalen (und ergänzenden
Reproduktionen) ins Auge fasst.

Hans Herbst (er) (1470–1552) Hans Holbein d. J. (um 1497/1498–1543)-
Mitarbeit (?) / collaboration (?): Geisselung Christi. Mischtechnik
auf Leinwand, 138 x 115 cm. 1662. Kunstmuseum Basel- Amerbach-Kabinett.
Foto: Kunstmuseum Basel - Martin P. Bühler
Reichtum und Vielfalt des Basler Sammlungsbestands, aus dem die
Mehrzahl der Exponate stammt, erlauben durchaus, die kirchen-
und frömmigkeitsgeschichtliche Situation der Zeit zu beschreiben.
Selten gezeigte Depotstücke werden ins Zentrum des Interesses
rücken, weil sich an ihnen bemerkenswerte Aspekte der zeitgenössischen
Frömmigkeit verdeutlichen lassen. So verfügt das Kunstmuseum über
eine der frühesten Darstellungen der Christus-Vision des Schäfers
Hermann Leicht, welche die Vierzehnheiligen-Wallfahrt bei Bad Staffelstein
in Franken auslöste und letztlich zum Bau von Balthasar Neumanns
berühmter Rokokokirche daselbst führte. Einige Leihgaben
aus Privatbesitz und Museen in Deutschland und den Niederlanden
werden die natürlich auch vorhandenen Lücken schliessen:
Das Kunstmuseum besitzt beispielsweise weder ein Gemälde mit
der Heiligen Sippe, der apokryphen Grossfamilie Christi, noch eine
Vera Icon, das Antlitz des Erlösers, wie es sich im Schweisstuch
der Heiligen Veronika auf wunderbare Weise abgezeichnet hatte;
dennoch werden beide Themen in schönen Beispielen vertreten
sein.
Beleuchtet wird in der Ausstellung nicht zuletzt der Entstehungshintergrund
des promi-nentesten Exponats: des Toten Christus im Grabe von
Hans Holbein d.J. Das einzigartige Gemälde erweist sich als das
Ergebnis eines Ringens um grösstmögliche Authentizität,
das an die Methoden der sich erst viel später als wissenschaftliche
Disziplin etablierenden Archäologie erinnert. Auf diese neuen
Einsichten spielt der Titel der Ausstellung an.
Eine abendliche Veranstaltungsreihe in der Ausstellung mit Wissenschaftlern
und Vertretern der Kirchen rundet jeweils donnerstags um 18.30
Uhr das Angebot ab:
20.10.16: Dr. Christine Christ-von Wedel: „Was könnte
Erasmus dazu sagen?“
10.11.16: Prof. Dr. Martin Wallraff mit Prof. Dr. Andreas Beyer
17.11.16: Pfr. Dr. Franz Christ mit Dr. Bodo Brinkmann
24.11.16: Bischof Dr. Felix Gmür mit Prof. Dr. Barbara Schellewald
01.12.16: Pfr. Dr. Michael Bangert im Gespräch mit Dr. Katharina
Georgi
10. September 2016 – 8. Januar 2017
Kunstmuseum Basel | Hauptbau
Kuratoren: Bodo Brinkmann und Katharina Georgi

Hans Springinklee (1495–1540): Christus als Schmerzensmann,
um 1514. Feder in Schwarz- Pinsel in Weiss- auf dunkelbraun grundiertem
Papier. Blatt 196 x 155 mm. Kunstmuseum Basel- Kupferstichkabinett-
CIBA-Jubiläumsschenkung 1959- 1959. Foto: Kunstmuseum Basel,
Martin P. Bühler

Meister des Basler Christophorus (tätig 2. Hälfte
16. Jh.): Der hl. Christophorus, 1562 (?). Tannenholz, 113.2 x
87.8
cm. Kunstmuseum Basel- Depositum des Freiwilligen Museumsvereins-
1935. Foto: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler
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