7.7.16
"Reiches Erbe - Industriekultur im Dreiland"
Ausstellung zur Industriekultur im Dreiländermuseum
Lörrach
(dlml) Dreiländermuseum und Wirtschaftsförderung präsentieren
die erste große Sonderausstellung, die die Industriegeschichte
des Dreilands umfassend und grenzüberschreitend in den Blick
nimmt.
Die erste große Ausstellung zur Industriegeschichte der
Dreiländer-Region („Dreiland“) beleuchtet auf
400 qm 250 Jahre industrieller Entwicklung und Innovationen im
Markgräflerland, im südlichen Elsass und in Basel. Erst
die grenzüberschreitende Perspektive macht verständlich,
wie hier ein wichtiger stark vernetzter industrieller Ballungsraum,
eine der traditionsreichsten Industrieregionen Europas entstand.
Zentren dieser Industrieregion sind Mulhouse und Basel, und auch
Lörrach und das Wiesental wurden im 19. Jahrhundert zum industriellen
Schwerpunkt Südbadens. Diese drei Standorte haben allerdings
nicht jeder für sich Tradition und Bedeutung, sondern befruchteten
sich in der Vergangenheit gegenseitig.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts war die Region noch überwiegend
agrarisch geprägt. In den
Städten dominierten Handwerk und Handel, in der Basler Region
waren schon deutliche Ansätze zur vorindustriellen frühkapitalistischen
Arbeitsweise vorhanden. Örtliche Produzenten ließen
von zahlreichen Heimarbeitern Gerne spinnen und Stoffe weben. In
Mulhouse entstanden mehrere Manufakturen zum Bedrucken von Baumwollstoffen.
In Lörrach siedelte der Markgraf von Baden-Durlach Gewerbebetriebe
an, eine erste Indiennedruckerei wurde gegründet.
Die Grenzlage wirkte sich für die Region zunächst nachteilig
aus. Kriege, Revolutionen, Schließungen der Grenzen ließen
Firmen zusammenbrechen, „ausländische“Arbneitspendler
verloren ihren Arbeitsplatz. Um diese Nachteile zu vermeiden, gründeten
Schweizer Industrielle im 19. und 20. Jahrhundert Werke in Südbaden
und im Oberelsass, um von dort
aus den großen Binnenmarkt der Nachbarstaaten zollfrei zu
beliefern. In Basel siedelten sich in den 1860er Jahren französische
Chemieunternehmen an, um die innovationsfeindlichen französischen
Patentgesetze zu umgehen. Zwischen den Industriebetrieben der Region
entstand eine intensive, kostensparende Arbeitsteilung.
Europäische Integration und „Wirtschaftswunder“ ließen
die Industrie nach dem 2. Weltkrieg zunächst stark expandieren.
Vor allem die schnell wachsende Konkurrenz aus Fernost zwang seit
den 1970er Jahren zahlreiche Textilbetriebe zum Aufgeben. Gleichzeitig
aber begann der industrielle Strukturwandel, das Zeitalter der
CNC-Technologie begann, technische Textilien boten neue Perspektiven.
In Mulhouse siedelte sich Peugeot an, neue Branchen wie die Mess-
und Regeltechnik entstanden, die Pharmabranche wird zur Schlüsselindustrie.
Die Infrastruktur zog nach: Der Euro-Airport Basel-Mulhouse und
neue Bildungseinrichtungen wie die Université de Haute-Alsace
(1975) oder die Berufsakademie Lörrach (heute Duale Hochschule
Baden-Württemberg) entstanden, mehrere Institute schlossen
sich 2006 zur Fachhochschule Nordwestschweiz mit Sitz in Windisch
zusammen.
Textilindustrie: Schlüsselindustrie des 19. Jahrhunderts
Aufbauend auf dem Indiennedruck und der Seidenbandweberei des 18.
Jahrhunderts entstand im Dreiland im 19. Jahrhundert eine blühende
Textilindustrie.

Spinnerei Logelbach (Elsass), 1885. Sammlung Dreiländermuseum
Lörrach
Schweizer Textilproduzenten
gründeten nach dem Beitritt Badens
zum Deutschen Zollverein 1835 im Wiesental zahlreiche Spinnereien
und Webereien, um die Zollschranken zwischen dem Zollverein und
der Schweiz zu umgehen.. Gleichzeitig schafften die Basler Seidenfabrikanten
den Sprung ins maschinelle Zeitalter und exportierten ihre Seidenbänder
in die ganze Welt. Die Textilbranche wurde so zur dominierenden
Leitindustrie der Region, beschäftigte in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts über 60.000 Arbeitskräfte und
entwickelte eine grenzüberschreitende Arbeitsteilung. Auch
das Oberelsass vollzog in dieser Zeit mit den Baumwollwebereien
und -druckereien
den Übergang von der handwerklichen zur industriellen Produktion. Chemie und Pharmazie: Leitindustrie des 20. Jahrhunderts
Die chemische Industrie in der Region ging von Experimenten mit
natürlichen und synthetischen Farben für den Textildruck
aus. Auf dieser Grundlage wurde Basel in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts ein bedeutender Industriestandort. Darüber
hinaus profitierte er von der Einwanderung französischer
Chemiker, vor allem aus Mulhouse, die in der Schweiz frei von
den rigiden französischen Patentgesetzen waren. In den 1860er
Jahren wurden die ersten Fabriken zur Herstellung chemischer
Farbstoffe errichtet.

Chemische Fabrik Hoffmann-La Roche 1927. Bild: Dreiländermuseum
Lörrach
Neben diese Leitindustrie trat ab etwa 1890 die pharmazeutische
Chemie und ab etwa 1930 die Agrochemie. In den 1920er Jahren löste
die chemische Industrie die Textilindustrie als wichtigste Arbeitgeberin
in Basel-Stadt ab. Schon vorher wurden aus zollpolitischen und
patentrechtlichen Gründen Werke in Grenzach, St. Louis und
Lörrach errichtet.
Maschinenbau, Lebensmittelindustrie und andere
Um den wachsenden Bedarf nach Textilmaschinen zu befriedigen, wurden
im Dreiland auch erste Maschinenbauunternehmen gegründet.
Diese fertigten im Lauf der Zeit Lokomotiven, Turbinen für
den Kraftwerksbau und Apparate für die chemische Industrie.
Zunahme der Bevölkerung, steigender Wohlstand und Konsum
ließen auch Betriebe der Nahrungs- und Genussmittelindustrie
entstehen. Brauereien wie Lasser und Feldschlösschen stillten
den Bierdurst der wachsenden Industriearbeiterschaft. Auch hier
galt es, durch Zweigbetriebe in Deutschland den Markt ohne Zollschranken
zu beliefern: In Lörrach eröffnete die schweizerische
Schokoladenfabrik Suchard 1879 ein Zweigwerk, das seit 1901 die
Milka-Schokolade für den deutschen Markt herstellt
Industrieunternehmer und Proletarier – zwei neue historische „Typen“
Mit der Industrialisierung ist auch die gesellschaftliche Entwicklung
verbunden. Auf der einen Seite stehen die Unternehmer, deren
kapitalistische Interessen auf eine Vergrößerung ihrer
Rendite zielen. Das bedeutete Intensivierung der Arbeitsprozesse
und Expansion. Ihnen gegenüber standen die Lohnarbeiter,
das Proletariat, das mangels eigener Ressourcen von der Arbeit
in den Fabriken völlig abhängig war. Jene investierten
ihre Gewinne wieder im Betrieb, diese hatten kaum die Möglichkeit,
ihrer Armut zu entkommen. Frauen- und Kinderarbeit waren an der
Tagesordnung, soziale Sicherung existierte nicht.
Hier griffen unternehmerische Fürsorge und staatliche Vorsorge
ein: Arbeitersiedlungen wurden gebaut, Systeme der Sozialversicherung
eingeführt. Die anfangs brennende „Soziale Frage“ entschärfte
sich und wandelte sich zu einer Interessenvertretung der Arbeitnehmer
gegenüber den Unternehmern.
Schließlich werden in der Ausstellung auch die Herausforderungen
von heute angesprochen: Welche Stellschrauben sind heute für
die Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Produktion maßgebend?
Welche Zukunftsthemen sind in den jeweiligen Branchen erkennbar?
Welche Chancen eröffnen sich, wenn historische Industrieareale
nicht mehr oder nur noch zum Teil für die Produktion benötigt
werden?
Reiches Erbe
Industriekultur im Dreiland
1.7. - 27.11.2016
Dreiländermuseum Lörrach
Dienstag – Sonntag
11 – 18 Uhr
Das Begleitprogramm finden Sie bei unseren Terminen
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