26.2.16
Kaisergewänder unter dem Mikroskop
Bamberger Forscherteam untersucht Gewänder von
Heinrich II. und Kunigunde
(uba/ebb)
Die Kaisergewänder Heinrichs II., der das Bistum Bamberg gründete,
und seiner Frau Kunigunde sind die ältesten erhaltenen Gewänder
europäischer Herrscher. Insgesamt sechs Textilien, darunter
der berühmte Sternenmantel oder der blaue Kunigundenmantel,
sind mit feinen Goldfäden bestickt. Diese Kostbarkeiten stammen
größtenteils aus dem 11. Jahrhundert. Doch im ausgehenden
Mittelalter erfuhren die Gewänder eine umfassende Neugestaltung:
Die Goldstickereien wurden aus ihrem ursprünglichen Trägerstoff
ausgeschnitten und auf neue Seidengewebe genäht.
Bislang nahm die Forschung an, dass dabei auch die ursprüngliche
Anordnung der Stickereien übernommen wurde. Genau das stellt
die Kunsthistorikerin Dr. Tanja Kohwagner-Nikolai zum Beispiel
hinsichtlich des Sternenmantels in Frage: „Es gibt viele
Hinweise darauf, dass die Stickereien gezielt neu zusammengestellt
wurden. Wir nehmen an, dass bewusste und tiefgreifende Veränderungen
in Auftrag gegeben wurden, um die Entstehung eines Kaiser- und
Heiligenkultes zu befördern.“
Bamberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der
Federführung des Lehrstuhls für Kunstgeschichte, insbesondere
für Mittelalterliche Kunstgeschichte, der Universität
Bamberg untersuchen die Mäntel derzeit in dem Projekt „Kaisergewänder
im Wandel – Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung“.
Sie wollen herausfinden, wie und wo die Gewänder hergestellt,
zu welcher Zeit die Textilien auf welche Weise verändert
wurden, wer diese Änderungen in Auftrag gab und wer sie
ausführte. Diese Fragestellungen betreffen unterschiedliche
Zeitebenen vom 11. über das 15. Jahrhundert bis zur letzten
Restaurierung Mitte des 20. Jahrhunderts. Die gewonnenen Erkenntnisse,
so hoffen die Forschenden, können Auskunft über die
Ursachen und Absichten geben, die hinter diesen bewussten Eingriffen
stehen. Prof. Dr. Stephan Albrecht, Inhaber des Lehrstuhls und
Projektleiter, sagt: „Wir erwarten neue Erkenntnisse darüber,
wie sich das Aussehen der Gewänder von der Herstellung bis
heute entwickelt hat.“ Das Projekt wird von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) in den kommenden vier Jahren mit
350.000 Euro gefördert, Kooperationspartner sind das Bamberger
Diözesanmuseum und die Bayerische Akademie der Wissenschaften.

Tanja Kohwagner-Nikolai untersucht den Mantel der heiligen Kunigunde
mit einer Lichtlupe. Quelle: Pressestelle Erzbistum Bamberg
Um der Komplexität der Gewänder hinsichtlich ihres
Materials und ihrer Geschichte auf die Spur zu kommen, verfolgen
die Forschenden einen interdisziplinären Ansatz, der naturwissenschaftliche
und technologische mit historischen und kunsthistorischen Methoden
kombiniert. Die Basis dafür sind unter anderem Mikro-Proben,
die derzeit von Fasern und Goldfäden genommen und analysiert
werden. Begleitet werden diese Untersuchungen durch Aufnahmen
mit dem Videomikroskop. Die Untersuchungen sollen unter anderem
Hinweise auf verschiedene Herstellungsarten der verwendeten Goldfäden
liefern. Die technologischen Untersuchungen werden von der Textilrestauratorin
Sibylle Ruß, die naturwissenschaftlichen Analysen von Ursula
Drewello vom Forschungslabor Drewello und Weißmann durchgeführt. „Mit
unseren Methoden können wir erstmals für diese Textilgruppe
exakte Material- und Technikunterschiede aufzeigen und zeitliche
Unterschiede in der Herstellung belegen“, erklärt
Kohwagner-Nikolai.
Die Ergebnisse wird das Projektteam mit anderen Textilien der
damaligen Zeit sowie historischen Quellen vergleichen. Zu letzteren
gehört unter anderem auch das Archivmaterial des Erzbistums
Bamberg, in dessen sogenannten Domkustorei-Rechnungen zum Beispiel
die Ausgaben für Stoffe oder die Löhne der ausführenden
Handwerker und Künstler der vergangenen Jahrhunderte zum
größten Teil akribisch dokumentiert sind. All das
soll Aufschluss darüber geben, welche Stickereielemente
zu den ursprünglichen Mänteln des Kaiserpaares gehörten,
wie sie möglicherweise angeordnet waren, wann die Kunstwerke
umgearbeitet wurden, welche Werkstätten damit beauftragt
waren und welche Auswirkungen das auf die Entstehung des Kaiser-
und Heiligenkultes und unsere Sichtweise auf die erste Jahrtausendwende
hatte.
Domkapitular Dr. Norbert Jung, Leiter der Hauptabteilung Kunst
und Kultur im erzbischöflichen Ordinariat, und Dr. Holger
Kempkens als Leiter des Diözesanmuseums unterstützen
die Forschungsarbeiten. „Die Ergebnisse der Untersuchungen
sollen nach Abschluss des Projekts der Öffentlichkeit im
Diözesanmuseum in einer Sonderausstellung präsentiert
werden“, kündigt Kempkens an. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens
sowie einer ergänzenden Tagung werden darüber hinaus
in einer Abschlusspublikation veröffentlicht.
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