Unter den Kurfürsten Joachim I. und Joachim II. hielt
die Renaissance Einzug in die Mark Brandenburg. Berlin
wurde endgültig Hauptresidenz und erlebte eine erste
kulturelle Blüte. In einer Zeit tief greifender religiöser
Umbrüche und bedeutender wissenschaftlicher Erkenntnisse
trugen die Gemälde des renommierten sächsischen
Hofmalers Lucas Cranach d. Ä. und seines Sohnes Lucas Cranach d. J. zusammen
mit dem prächtigen Neubau des Berliner Schlosses zum „Image“ der
Hohenzollern bei. Die teilweise großformatigen Bildtafeln
aus der Wittenberger Werkstatt übten einen nachhaltigen
Einfluss auf die Entwicklung der Künste in Berlin
und Brandenburg aus.
Ein großer Teil der Gemälde Cranachs für
die Hohenzollern gelangte später aus dem Berliner
Schloss in das Jagdschloss Joachims II. im Grunewald. Nach
mehrjähriger Forschungsarbeit stehen sie nun im Mittelpunkt
einer Ausstellung, die die Stiftung Preußische Schlösser
und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) in Kooperation
mit der Evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien
veranstaltet. Mit über 200 Exponaten
gibt die Schau erstmals Einblicke in diese frühe,
dynamische Phase der brandenburgisch-preußischen
Geschichte und Kunst.
Dabei wird der Bogen von der Regierungsübernahme
der Hohenzollern 1417 bis zum folgenreichen Übertritt
des Herrscherhauses zum Calvinismus am Vorabend des 30jährigen
Krieges gespannt.
Schloss Charlottenburg
An den Gemälden Cranachs und
seiner Werkstatt wird in der Ausstellung „Cranach
und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern“ im
Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg unmittelbar
anschaulich, wie die Hohenzollern schon früh Politik
und Religion, Kunst und Wissenschaft miteinander verknüpften.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden die Bilder Cranachs
eingehend im Hinblick auf Inhalt und Form, Maltechnik und
Entstehungsprozess untersucht. Dabei konnten neue Erkenntnisse
zur Bildfindung und Arbeitsorganisation der überaus
produktiven Cranach-Werkstatt gewonnen werden.
Zu den gezeigten Werken gehören u. a. das vermutlich
einzige autonome Selbstbildnis des Meisters, eine frühe
Version der „Quellnymphe“ und die neun erhaltenen
Tafeln des Passionszyklus aus dem alten Berliner Dom.
Mit einer Fülle weiterer Originale (Skulpturen, Druckgraphik,
Kunstgewerbe, Archivalien, Bücher) werden der kulturgeschichtliche
Kontext der Gemälde umrissen und die Leistungen ihrer
Auftraggeber, der beiden Kurfürsten Joachim I. (1484-1535)
und Joachim II. (1505-1571), dargestellt: die Positionierung
der Familie als eine der mächtigsten Dynastien im
Reich, eine um Ausgleich zwischen den politischen Lagern
und Konfessionen bemühte Diplomatie und die durch
Heiraten weitsichtig vorbereitete Erweiterung des Herrschaftsgebietes.
In diesem Zusammenhang werden insbesondere Fragen des Kulturtransfers – vor
allem aus dem benachbarten Sachsen und den fränkischen
Gebieten der Hohenzollern – in die Mark Brandenburg
herausgearbeitet Die Ausstellung wird eröffnet mit
dem um 1430 in Franken entstandenen Cadolzburger Altar,
auf dem sich Friedrich I. bald nach Erlangung der brandenburgischen
Kurwürde als Stifter darstellen ließ. Sie schließt
mit Bild- und Schriftdokumenten zum Übertritt des
Kurfürsten Johann Sigismund zum Calvinismus im Jahr
1613, der Konflikte mit der lutherischen Bevölkerung
auslöste und zu einem konfessionellen Ausgleich führte,
der die spätere Toleranzpolitik der Hohenzollern vorwegnahm.
St. Marienkirche
In der Marienkirche liegt mit dem Titel „Kirche,
Hof und Stadtkultur“ der Schwerpunkt auf den politischen,
religiösen, künstlerischen und gesellschaftlichen
Wechselbeziehungen zwischen dem Hof und der städtischen
Gesellschaft. Sie nimmt damit einen wichtigen Teil der
residenzstädtischen Kultur Berlins im 16. Jahrhundert
in den Blick.
Den Kern der Ausstellung bildet ein außerordentlich
reicher Bestand an Kunstwerken aus den mittelalterlichen
Stadtkirchen Berlin-Cöllns. Sie dienten der Repräsentation
der bürgerlichen Eliten der Stadt und wurden bei Künstlern
des kurfürstlichen Hofes wie dem Maler Michael Ribestein
und dem Bildhauer Hans Schenck in Auftrag gegeben. Sie
spiegeln nicht nur das in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
erreichte eigenständige Niveau der Berliner Kunst,
sondern auch die heftig geführten theologischen Debatten
dieser Zeit. In der Ausstellung sind dazu neben Urkunden
und Briefdokumenten unter anderem des Reformators Philipp
Melanchthon auch wertvolle Bände aus der Propstei-
und Kirchenbibliothek von St. Nikolai und St. Marien, der ältesten
Berliner Bibliothek, zu sehen.
Ein weiterer Schwerpunkt widmet sich der Stellung der
Kirchen im Gefüge der städtischen Strukturen
und der Landesherrschaft. Leitthema ist hier die besondere
Rolle der Kurfürsten als oberste Bischöfe des
Landes, die sie nach Einführung der Reformation im
Kirchenregiment ausübten. Wie sie dabei auch in Fragen
der Schulbildung eingriffen, wird in der Ausstellung an
der Frühgeschichte des Gymnasiums zum Grauen Kloster
veranschaulicht, des ältesten und bedeutendsten städtischen
Gymnasiums in Berlin.
In der Ausstellung erschließt sich ein facettenreiches
Bild der frühneuzeitlichen Residenz- und Bürgerstadt
Berlin, das angesichts der zahlreichen Veränderungen,
Zerstörungen und Umbrüche im heutigen Stadtbild
kaum noch zu erahnen ist.
„Cranach und die Kunst der Renaissance unter
den Hohenzollern“
Berlin, Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel
31. Oktober 2009 – 24. Januar 2010
Geöffnet: Mi – Mo von 10 bis 17 Uhr
Eintritt: 8 Euro / ermäßigt 6 Euro
(inkl. Audioguide in dt. + engl. und Audioguide speziell
für Schüler)
„Kirche, Hof und Stadtkultur“
St. Marienkirche, Berlin Mitte
Geöffnet: Mo – Sa von 10 – 18 Uhr, So
von 12 - 18 Uhr
(Änderungen bei Sondergottesdiensten und Konzerten
vorbehalten)
Eintritt frei
Eine Ausstellung der Stiftung Preußische Schlösser
und Gärten Berlin-Brandenburg in Kooperation mit der
Evangelischen Kirchengemeinde St. Petri - St. Marien, diese
in Kooperation mit dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum
für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der
Universität Leipzig und dem Landesdenkmalamt Berlin
Zu beiden Ausstellungen gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm
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