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Die Belles Heures des Herzogs Jean de Berry

Eine der schönsten Handschriften der Welt ist das verschwenderisch illuminierte mittelalterliche Gebetbuch, das als Belles heures (Schöne Stunden) bekannt ist. Es ist das Werk der Brüder Limburg – drei der größten Illuminatoren in Europa – für einen der größten Kunstmäzene aller Zeiten, Jean von Frankreich, Herzog von Berry (1340–1416). Dieser Sohn, Bruder und Onkel dreier aufeinanderfolgender Könige von Frankreich gab Luxusgegenstände vielerlei Art in Auftrag – von Kelchen bis Burgen – ohne Ansehung der Kosten, ist aber in bester Erinnerung für seine Liebe zu Handschriften. Hermann, Paul und Johann von Limburg waren noch keine zwanzig Jahre alt, als er sie mit der Herstellung eines verschwenderisch ausgestatteten Stundenbuchs für seine privaten Gebete beauftragte, und er gab ihnen seltene Freiheit in der Ausgestaltung dieser Arbeit.

Für die Herausgabe einer Faksimile-Edition wurde das Buch aus seinem Einband gelöst und gesichert, was es erlaubte, seine glanzvollen Illuminationen ab dem 2. März in der Ausstellung des Metropolitan Museums „Die Kunst der Illumination – Die Brüder Limburg und die Belles Heures des Jean de France, Herzogs von Berry“ zu zeigen. Die Präsentation im Metropolitan Museum zeigt alle 172 atemberaubenden Illuminationen als eine nie wiederkehrende Gelegenheit, die Handschrift zu sehen, ohne die Seiten umblättern zu müssen. Um das höfische Umfeld, in dem der Herzig lebte, und den fürstlichen Geschmack der Prinzen von Valois heraufzubeschwören, wurden einige Objekte aus diesem Zusammenhang aus öffentlichen und privaten amerikanischen Sammlungen zusammengestellt.

„ Die als die „Belles Heures“ bekannte Handschrift waren seit 1954 eine geschätzte Kostbarkeit von The Cloisters, dem Zweigmuseum des Metropolitan Museum, das sich der mittelalterlichen Kunst und Architektur verschrieben hat“, erklärte Thomas P. Campbell, Direktor des Metropolitan Museum of Art. „In ihm sind zahlreiche prächtige Illuminationen von Szenen der Evangelien und der Heiligenleben, wie man es von einem privaten Gebetbuch nicht anders erwartet. Aber in dieser einen Handschrift finden sich brillantere Zeichnungen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nördlich der Alpen, als sie an den Wänden aller größeren Museen Europas und Nordamerikas zu finden wären. Die Zahl der Bilder verblüfft uns, ihre reine Schönheit kann uns nur erstaunen lassen. Die herausragende Leistung der Brüder Limburg – die am Anfang ihrer Tätigkeit standen, als sie das Buch begannen – ist die einzigartige Kombination von Klarheit, Leuchtkraft, Bewegung und atemberaubender Technik, mit der sie jede einzelne Seite ausschmückten. Die Belles Heures waren wirklich das Experimentierfeld für die Entwicklung ihrer künstlerischen Vision.“

Begleitveröffentlichung
Die Ausstellung wird begleitet von einer durchgängig illustrierten Monographie, gleichermaßen geeignet für das interessierte Publikum und Wissenschaftler, im Verlag des Museums und im Vertrieb der Yale University Press. Es ist im Museumsladen des Metropolitan Museums (www.metmuseum.org/store) für $ 65 erhältlich.

Übersicht über die Ausstellung
Die Ausstellung ist entsprechend der Folge der Szenen in der gebundenen Handschrift thematisch angeordnet. Sie beginnt mit 12 Kalenderblättern, von denen jede mit einer typischen Monatsarbeit am Kopf und einer Darstellung des Tierkreiszeichens am Fuß der Seite ausgestattet ist. Andere Teile enthalten Lesungen aus den Evangelien, den Marien-Horen, den Passions-Horen, den Martyrologien der Heiligen sowie Bilder aus der Lebens- und Leidensgeschichte der heiligen Katharina, des heiligen Hieronymus und anderer. Die Ausstellung endet mit einem Gebet für die Reisenden, in dem der Herzog selbst porträtiert ist, wie er auf dem Rücken seines Pferdes mit seinem Gefolge seine Burg verlässt.
Geburtsort der Brüder Herman, Paul und Johann von Limburg war Nijmegen im Herzogtum Geldern, heute Niederlande. Um 1398 nahmen Herman und Johann eine Lehre bei einem Goldschmied in Paris auf, die eigentlich sechs Jahre dauern sollte, die sie aber vermutlich im November 1399 abbrachen – „weil der Tod in Paris umging“, evtl. ein Hinweis auf den Schwarzen Tod in der Stadt. Die Brüder wurden bald darauf von Herzog Philipp dem Kühnen von Burgund als Illuminatoren eingestellt. Nach dessen Tod 1404 nahm sie sein Bruder Jean de Berry in seinen Dienst, wo sie bis zum Ende ihres Lebens bleiben sollten. Innerhalb von einigen Monaten starben sie nacheinander im Jahr 1416.

Die Belles Heures sind eine von drei Handschriften, von denen bekannt ist, dass sie daran arbeiteten, aber sie sind die einzige Handschrift, die auch vollständig von ihnen illuminiert wurde. Obwohl von geringer Größe – das Buch misst nur 23,8 x 16,8 cm – sind die Bilder von gewaltigem Eindruck, und seine jungen Künstler schufen ein Meisterwerk an leuchtenden Farben, erstaunlicher Detailtreue und enormer Anziehungskraft.

Kernstück eines Stundenbuchs – der verbreitetsten Art von privaten Gebetbüchern im Mittelalter – ist eine als Marien-Horen bekannte Reihe von Gebeten. Darunter sind Psalmen, Hymnen, Lobgesänge und Gebete zur Lesung während der acht kanonischen Stunden des Tages. Viele Stundenbücher wurden illuminiert, was ihre Beliebtheit mit Sicherheit steigerte. In den Belles Heures wird jede einzelne Marien-Hore mit einer prächtigen Illumination eingeleitet, wie etwa mit der Verkündigung zum Morgengebet oder der Flucht nach Ägypten zur Komplet. Obwohl Frömmigkeit ein wichtiger Faktor für viele Auftraggeber solcher Bücher war, war für andere die pure Liebe zur Schönheit solcher Bücher mit Sicherheit ein wichtiges Motiv. Jean de Berry besaß bereits mehrere Stundenbücher, als er die Belles Heures in Auftrag gab und seine Fülle an Bilder-Geschichten war ohne Beispiel.

Die Belles Heures des Herzogs Jean enthalten neben allen typischen Bestandteilen eines französischen Stundenbuchs noch sieben zusätzliche prächtig ornamentierte und illuminierte Abschnitte. Diese Einschübe bilden das Rahmenwerk, innerhalb dessen die Brüder Limburg Licht, Farbe und realistisches Detail in den Dienst der Bilderzählung stellten. Entstanden während einer drei- oder vierjährigen Arbeit zwischen 1405 und 1408/09, besteht das Buch aus 224 Blättern aus feinstem vellum (Pergament aus Kalbshaut) – so fein bearbeitet, dass jedes Blatt durchscheint und Text und Ornament der einen Seite auch von der anderen Seite gelesen werden können. Jede Seite sprüht gewissermaßen durch die auf den Rändern aufgemalten Blattgoldornamente und ein ungewöhnlichere Farbumfang – einschließlich des brillanten und kostbaren, aus Afghanistan kommenden Ultramarins – blendet fast die Augen.

Die Kunst der Illumination. Die Brüder Limburg und die Belles Heures des Herzogs Jean de Berry.
Metropolitan Museum, New York, 2. März - 13. Juni 2010

 

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