Zwangsarbeit - Anwerbung und Deportation
Von Beginn des II. Weltkriegs bis Anfang 1940 wurden knapp 300 000 polnische Kriegsgefangene zur Arbeit nach Deutschland verbracht, 90% von ihnen arbeiteten in der Landwirtschaft. Im November 1939 bereits hatte Göring die Arbeitsverwaltung angewiesen, "die Hereinnahme ziviler polnischer Arbeitskräfte, insbesondere polnischer Mädchen, in größtem Ausmaß zu betreiben. Ihr Einsatz und ihre Entlohnung müssen zu Bedingungen erfolgen, die den deutschen Betrieben leistungsfähige Arbeitskräfte billigst zur Verfügung stellen." Auf diese Weise sollte der Arbeitskräftemangel insbesondere in der deutschen Landwirtschaft kurzfristig behoben werden. Die Entscheidung zum Ausländereinsatz war aber andererseits ein flagranter Verstoß gegen die weltanschaulichen Prinzipien des Nationalsozialismus. Insbesondere von den NS-Fundamentalisten wurde auf die Gefahren des "Fremdvölkischen" hingewiesen und eine strenge Reglementierung des Lebens der Polen in Deutschen und eine Behandlung nach rassischen Gesichtspunkten gefordert. Die Richtlinien zur Behandlung der polnischen Fremdarbeiter in Deutschland vom 8.3.1940 Am 8.März 1940 gab das RSHA Richtlinien heraus, wie mit den Polen umzugehen sei. Hiernach wurden die Polen gezwungen,
Zwar wurde dieser Erlass vor Ort völlig unterschiedlich gehandhabt, aber es waren die Grundlagen gelegt für eine rassistische Polenpolitik, der Status des Herrenmenschen erhielt Rechtsgrundlagen. Unterdrückungs- und Kontrollmechanismen Die Beschäftigung von Millionen ausländischer Arbeitskräfte, die in Deutschland - wie in Polen - Zwangsarbeit verrichten mussten oder - wie die meisten Arbeiter aus dem Westen - zwar formal als freie Beschäftigte angeworben wurden, aber nach Ablauf des Arbeitsvertrages nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten wieder nach Hause zurückkehren konnten, konnte nur auf der Basis eines umfassenden Kontroll- und Repressionsapparats funktionieren, in den nicht nur die Polizei und SS, sondern auch Zehntausende von Deutschen, sei es als Werkschutzmann oder Lagerführer, als Bürokraft, Küchenleiterin oder Ausländerbeauftragter beim Arbeitsamt integriert waren. Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge; München 2001, S. 132ff Der Einsatz von Zivilarbeitern aus den sowjetischen Gebieten Hoffnung auf schnellen Sieg Nach den Blitzkriegen über Polen und Frankreich rechnete die deutsche Reichsleitung mit einem ebenso schnellen Sieg gegen die Sowjetunion. Demzufolge gab es keinerlei Planungen für den Einsatz russischer Kriegsgefangener in der deutschen Wirtschaft, was ohnehin aus rassistischen Gründen unerwünscht war. Generalplan Ost: Umsiedelungsaktion nach Sibirien geplant Vielmehr war die Verbringung von Millionen russischer Menschen in den Norden Russlands und nach Sibirien gedacht: Keine Vorsorge für russische Kriegsgefangene Infolge des Fehlens langfristiger Planungen und aus rassistischen Gründen wurden weder Unterkünfte noch Transport oder Verpflegung für die zu erwartenden zwei bis drei Millionen Kriegsgefangene organisiert noch gab es Millionenfacher Tod russischer Kriegsgefangener Aus diesem Grund kam es zu einem Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen: 60% der bis Ende 1941 in deutsche Gefangenschaft geratenen 3,35 Millionen sowjetischer Soldaten kamen ums Leben, 1,4 Millionen bereits vor Anfang September 1941. Von den insgesamt 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die während des Krieges in deutsche Hände gerieten, kamen 3, 3 Millionen ums Leben. Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge; München 2001, S. 136 Entschluss zum Arbeitseinsatz russischer Arbeitskräfte in Deutschland Nachdem sich die Hoffnungen auf einen schnellen Sieg nicht bestätigten, genehmigten Hitler und Göring im November 1941 den Einsatz sowjetischer Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter. Göring machte aber keinen Hehl daraus, welche Rolle hierbei den russischen Menschen zukommen sollte.
Die deutsche Ministerialbürokratie erkannte schon im Februar 1942 den fatalen Fehler, den man mit der Ausklammerung russischer Arbeitskräfte für die deutsche Wehrwirtschaft begangen hatte: "Die gegenwärtigen Schwierigkeiten im Arbeitseinsatz wären nicht entstanden, wenn man sich rechtzeitig zu einem großzügigen Einsatz russischer Kriegsgefangener entschlossen hätte. Es standen 3,9 Millionen Russen zur Verfügung, davon sind nur noch 1,1 Millionen übrig. Die Zahl der gegenwärtig beschäftigten russischen Kriegsgefangenen (400 000) dürfte sich kaum erhöhen lassen." Zitiert nach: Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge; München 2001, S. 136ff Anwerbung sowjetischer Zivilarbeiter Anstatt des organisatorisch relativ einfachen Arbeitseinsatzes von Kriegsgefangenen musste die deutsche Arbeitsverwaltung zur Anwerbung sowjetischer Zivilarbeiter übergehen, was wiederum ideologische Probleme mit sich brachte. Gestellungskontingente und Jagd auf sowjetische Zivilarbeiter Analog zur "Anwerbung" polnischer Zivilarbeiter wurden im Frühjahr 1942 Maßnahmen ergriffen, welche die Rekrutierung sowjetischer Zivilarbeiter effektivieren und eine den rassistischen Grundsätzen des NS-Regimes entsprechende Behandlung der sowjetischen Arbeitskräfte sicherstellen sollte. Mit Werben hatte die Rekrutierungs- und Deportationspraxis der beteiligten deutschen Stellen der Arbeitsverwaltung, der Wehrmacht und der SS nichts mehr zu tun. Nach den Erfahrungen in Polen erließen die deutschen Behörden sogleich Bestimmungen, wonach durch Dienstverpflichtung und jahrgangsweise Aushebungen die den entsprechenden Bezirken auferlegten Kontingente an Arbeitskräften zu rekrutieren waren. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz Dem neuinstallierten Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (GBA), Fritz Sauckel, kam die Aufgabe zu, die "Anwerbungs-Kampagnen in den besetzten Gebieten, den Einsatz und die Behandlung der Ostarbeiter zu koordinieren." |
Der Ostarbeitererlass vom 2.Februar 1942 Am 2. Februar 1942 erließ das RSHA die sogenannten "Ostarbeitererlasse" Für die Ostarbeiter (=sowjetische Zivilarbeiter) waren folgende Regelungen aufgestellt worden:
Insgesamt sind die "Ostarbeitererlasse" als nahezu vollständige Umsetzung des rassistischen Prinzips der Unterteilung in "Herrenmenschen" und "Untermenschen" in die Praxis des Arbeitseinsatzes anzusehen. Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge; München 2001, S.139 Methoden der "Arbeitskräftegewinnung" Christian Gerlach hat in seiner Studie über die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrussland insgesamt sieben Methoden der Arbeitskräftegewinnung im Osten unterschieden:
Wie die Rekrutierungsmaßnahmen in der Praxis aussahen, geht z.B. aus einem Bericht einer deutschen Briefzensurstelle vom November 1942 hervor. Danach wurden "Männer und Frauen einschließlich Jugendlicher vom 15. Lebensjahr ab auf der Straße, von den Märkten und aus Dorffestlichkeiten herausgegriffen und fortgeschafft. Die Einwohner halten sich deshalb ängstlich verborgen und vermeiden jeden Aufenthalt in der Öffentlichkeit. Zu der Anwendung der Prügelstrafe ist nach den vorliegenden Briefen seit etwa Anfang Oktober das Niederbrennen der Gehöfte bzw. ganzer Dörfer als Vergeltung für die Nichtbefolgung der an die Gemeinden ergangenen Aufforderungen zur Bereitstellung von Arbeitskräften getreten. Die Durchführung dieser letzten Maßnahme wird aus einer ganzen Reihe von Ortschaften gemeldet." Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge; München 2001, S. 142 Ende 1942: 1,7 Millionen Zivilarbeiter und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion im Deutschen Reich Auf diese Weise wurden von April bis Dezember 1942 allein etwa 1,3 Millionen ziviler Arbeitskräfte nach Deutschland geholt, wöchentlich also 40 000; je zur Hälfte Männer und Frauen. Das Durchschnittsalter der Deportierten lag bei etwa 20 Jahren, von ihnen waren erheblich jünger; auch 15- und 16-jährige wurden ins Reich zur Arbeit gebracht. Anwerbung ziviler Arbeitskräfte im Westen Auch im Westen und in Polen verstärkten die deutschen Behörden die Anwerbe- und Rekrutierungsmaßnahmen und griffen nunmehr durch die Einführung der Dienstpflicht auch in Frankreich verstärkt zu Zwangsmaßnahmen - mit der Folge, dass zum einen zwar die Einsatzzahlen westlicher Zivilarbeiter stiegen, zum anderen die Widerstandsbewegungen in den betroffenen Ländern an Stärke zunahmen. Wenn zu Beginn des Krieges noch eine Anwerbung in den besetzten Gebieten erfolgte, dann unter Vorspiegelung falscher Tatsachen: Der Augsburger NSDAP-Kreisleiter ging noch 1942 davon aus, die ausländischen Arbeitskräfte seien freiwillig zum Arbeitseinsatz ins Deutsche Reich gekommen: "Werbemethoden, mit denen Ostarbeiter eingefangen werden. Nachweislich wurde ukrainischen Arbeitskräften versprochen, sie würden in Deutschland so behandelt, dass sie praktisch den deutschen Arbeitern gleichgestellt seine, und zwar in Betracht auf Bezahlung, Behandlung, freien Ausgang usw. Die Enttäuschung war natürlich nicht gering, als die Ukrainer beobachten mussten, dass sie im Reich wie Kriegsgefangene behandelt wurden." zitiert nach: Grossmann, A., Polen und Sowjetrussen in Bayern 1939-1945, in: Archiv für Sozialgeschichte 24.Jg.(1984), S. 355-397; hier S. 360 Wirtschaft des Dritten Reiches, Berlin/Bonn 1986, S. 136: Gemäß dem Schnellbrief vom 17. Januar 1942 hatte Reichsmarschall Göring "die Anwerbung von Arbeitskräften in größtem Ausmaß" angeordnet. Den Angeworbenen sollte die gleiche Behandlung zukommen wie den russischen Kriegsgefangenen. Der Transport nach Deutschland sollte wie folgt ablaufen:
"Diese Lager dürfen von den Arbeitskräften nur zum Zwecke der Arbeit verlassen werden, zu der sie geschlossen (wie Kriegsgefangene) zu führen sind." Für die Bewachung der Lager und der Transporte war die Ordnungspolizei unter der Aufsicht durch den SD (Sicherheitsdienst) verantwortlich. |
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