Zwangsarbeit - historisch-politischer Hintergrund
Tradition von Saison- und Fremdarbeit
in Deutschland und
Furcht vor Überfremdung

Fremdarbeit in Deutschland hat eine ebenso lange Tradition wie Furcht vor Überfremdung , beide stehen in einem wechselseitigem Abhängigkeitsverhältnis. Als in der Zeit der Industrialisierung Deutschland zur stärksten europäischen Wirtschaftsmacht aufstieg und 1,8 Millionen Deutsche zwischen 1880 und 1893 es vorzogen, ihre Zukunft in den Vereinigten Staaten zu suchen, gleichzeitig ostelbische Landarbeiter in die Städte, vornehmlich ins Ruhrgebiet abwanderten, führte dieser Prozess zu einem erhöhten Arbeitskräftebedarf in der preußischen Landwirtschaft, der aus dem russisch besetzten Teil Polens und aus Galizien befriedigt werden sollte.
Eine dauerhafte Zuwanderung sollte damit aber nicht verbunden sein, vielmehr wurde die saisonale Zu- und Abwanderung strikt kontrolliert, eine Integration der "Fremdvölkischen" sollte vermieden werden.

Umkehrung des Wirkungszusammenhangs

In Zeiten konjunktureller Krisen wurde aber der wirtschaftlich-soziale Strukturwandel in der preußisch-deutschen Gesellschaft schlichtweg ignoriert, die Wanderarbeiter wurden in Verkennung der Umstände für die Abwanderung deutscher Arbeitskräfte verantwortlich gemacht. Immer deutlicher artikulierten selbst so renommierte Wissenschaftler wie Max Weber Furcht vor Überfremdung.

Furcht vor Überfremdung, Ausprägung von Vorurteilen

Mit der Popularisierung der These der Verdrängung der deutschen Arbeiter aus der preußischen Landwirtschaft festigten sich gleichzeitig Vorurteile, dass infolge der unhygienischen Lebensgewohnheiten der Ausländer auch Gefahr für Gesundheit und Leben für die deutsche Bevölkerung bestehe. Der Ruf nach Abschiebung solcher Arbeitskräfte wurde immer lauter und stand im Widerspruch zu den ökonomischen Notwendigkeiten.

Ausländerpolitik im I. Weltkrieg

Während vor dem Kriege die Saisonarbeiter zur Rückkehr von November bis Ende März gezwungen waren, wurde daraus für die polnisch-russischen Arbeiter ab 1915 ein Rückkehrverbot mit strengen Auflagen für ihre Lebensführung. Ausgangssperren, Ortswechsel- und Gaststättenverbot sowie Strafandrohung bei Widerspenstigkeit und Arbeitsverweigerung gehörten zum Disziplinierungsinstrumentarium der deutschen Verwaltungsbehörden. Gleichzeitig verschlechterte sich ihre soziale Lage. Die militärischen Führer ordneten die Einbehaltung der Hälfte des Lohns der Ausländer an, viele Arbeitgeber bezahlten nur noch in Lebensmittel aus oder mit nach dem Krieg einlösbaren Gutscheinen.

Anwerbung und Deportation von Arbeitskräften aus den besetzten Ostgebieten

Um den Arbeitskräftemangel in Deutschland auszugleichen, wurden verstärkt Arbeitskräfte angeworben, wobei die Unterschiede zwischen zwangsweiser Deportation und "Freiwilligkeit" zunehmend verschwammen. Erst die hohen Fluchtzahlen und Arbeitsunwilligkeit solcher maßen gewonnener Arbeitskräfte führten zu einer Liberalisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Den Polen wurde "Heimaturlaub" gewährt, doch nur 30 000 von insgesamt 500 000 kamen in diesen Genuss.

Jagd auf ostjüdische Arbeiter

Noch rigider war der Umgang mit der jüdischen Bevölkerung. Ab 1915 wurden jüdische Arbeiter aus den besetzten Ostgebieten überwiegend zwangsrequiriert:
"Die männliche jüdische Bevölkerung einer Ortschaft wurde auf dem Marktplatz befohlen, von Wacheinheiten umstellt, zum Bahnhof gebracht und nach Deutschland abtransportiert. Eine Überprüfung nach Arbeitsfähigkeit und Berufsrichtung fand nicht statt."
(Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, München 2001, S. 100)
Erst als die Behörden einsahen, dass eine solch rigide Praxis die Arbeiter keinesfalls zu Höchstleistungen anspornte und Zusagen im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Lohn und Unterkunft gemacht wurden, stieg auch die Zahl der angeworbenen ostjüdischen Arbeiter wieder deutlich.

Ressentiments und Vorurteile

Am Ende des Krieges lebten etwa 100 000 Ostjuden in Deutschland, 30 000 waren zugewandert, die Hälfte jeweils freiwillig bzw. unter Zwang. Die Vorbehalte gegen Ostjuden in der Bevölkerung veranlasste die Militärbehörden jedoch zu einer Grenzsperre gegen die ostjüdische Zuwanderung. Die Begründung hierfür lautete, die Ostjuden hätten sich "im allgemeinen als arbeitsunwillig, unsauber, moralisch unzuverlässig, ihre Arbeitsleistung als unzureichend" erwiesen. Vor allem gehe von ihnen auch eine gesundheitliche Gefährdung aus:
"Eine besondere Gefahr erwächst infolge ihrer nicht ausrottbaren Unsauberkeit der Gesamtbevölkerung in gesundheitlicher Beziehung. Zum größten Teil verlaust, sind die jüdisch-polnischen Arbeiter besonders geeignete Träger und Verbreiter von Fleckfieber und anderen ansteckenden Krankheiten."
(Ulrich Herbert, S. 101)

Antisemitische Hetze gegen Ostjuden

Gegen Kriegsende wurden die Ostjuden zur Zielscheibe einer sich dramatisch verbreitenden und radikalisierenden antisemitischen Hetze der rechten Gruppen. Denn diese Juden waren nicht nur Juden, sondern zugleich Ausländer mit fremden Sitten und fremder Sprache - und Proletarier. Xenophobie, Rassismus, sozialer Dünkel fanden in den Ostjuden fortan die ständige Bestätigung aller Feindbilder, Verschwörungs- und Rachephantasien.

Deportation von Arbeitskräften aus Belgien

Auch aus Belgien verbrachte man im Laufe des Novembers 1916 61 000 Menschen zwangsweise nach Deutschland. Wer der Aufforderung des Ortskommandanten nach freiwilliger Meldung nicht nachkam, wurde augenblicklich in einen Güterwagen verladen und nach Deutschland in ein Internierungslager gebracht. Hinzu kamen noch 17 000 Personen, welche sich bei diesen Aktionen "freiwillig" meldeten.
Kein Wunder , dass solchermaßen geworbene Arbeitskräfte es an Einsatz mangeln ließen. Infolge der ausländischen Proteste stellte die OHL die Zwangsdeportationen ein. Künftig verschlechterten die Deutschen die Lebensbedingungen in Belgien und erhöhten die materiellen Anreize für eine Arbeit in Deutschland. Von Februar 1917 bis Sommer 1918 zählte man deshalb fast 100 000 Neuanwerbungen aus Belgien.
(U. Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik, S.94)

Ausländerpolitik in der Weimarer Republik

Während der Jahre der Weimarer Republik ging die Zuwanderung von ausländischen Arbeitern angesichts der wirtschaftlichen Misere in Deutschland rapide zurück. Betriebe wurden von den Kommunen angewiesen, verstärkt deutsche Staatsbürger anzustellen.. Mit der Verrechtlichung in der Ausländerpolitik setzte ein Prozess ein, der die Ausländer in die allgemeine rechtliche und sozialpolitische Entwicklung einband und langfristig die Grundlagen für den Integrationsprozess der Ausländer in der Bundesrepublik vorbereitete.

Saisonarbeit in Gersthofen seit der Jahrhundertwende

Schon im Jahre 1892 sind italienische Saisonarbeiter in Gersthofen nachweisbar. Nach unseren Unterlagen handelte es sich um Jugendliche und erwachsene Männer im Alter zwischen 12 und 50 Jahren, die zwischen Ende März bis Anfang August in der Ziegelei Kranzfelder Schwerstarbeit verrichteten. Sie wohnten zumeist in privaten Unterkünften, aber auch in Sammelbaracken.
Die meisten kehrten regelmäßig im Frühjahr nach Gersthofen zurück, sehr viele von ihnen kamen aus den Provinzen Udine und Friaul (Buja, Podenone, Puiga, Pozzuolo, Payian). Allein für das Jahr 1892 waren 55 italienische Saisonarbeiter für die Ziegelei gemeldet.
Vor dem II. Weltkrieg sind in Gersthofen erst nach Überwindung der Weltwirtschaftskrise und Erreichung der Vollbeschäftigung ab ca. 1936 wieder Wanderarbeiter aus Italien bei der Ziegelei Kranzfelder und bei Baufirmen nachweisbar, ebenso Arbeiter aus dem Elsaß, Luxemburg, der Slowakei und aus Jugoslawien.
Allerdings unterstanden diese Ausländer in Gersthofen wie andernorts seit 1933 einer strengen Aufsicht, Kontrolle und Reglementierung.


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Ausl. Arbeitskräfte in Dtl.


Ausländeraufsicht


Ausländerkontrolle 1930


Ausländerkontrolle 1940


Dt. und ausl. Arbeitskräfte


Ausländerrecht bezügl. Elsässer, Lothringer usw.


Beschäftigung Gersthofer Arbeitslose


Kriegsgefangene in dt. Gewahrsam


Ital. Saisonarbeiter in der Ziegelei


Nachfrage nach Italienern


Österreichischer Saisonarbeiter


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