Die Geschwister Timtschenko

Die Geschwister Warwara und Alexandra

Alexandra Bespatjia, geb. Timtschenko, geb. Am 14.01.1926; Arbeitseinsatz in Bobingen, Textilfabrik

Alexandra Bespatjia, geb. Timtschenko wird am 9.August 1942, also genau vor 65 Jahren gemeinsam mit Irina Roschtschina, Maria Lawrenko und Iwan Sirenko nach Bobingen deportiert, und das im Alter von 16 Jahren. Wegen der Drohungen der hiesigen Polizei verschwendet Alexandra keinen Gedanken an Flucht, sie will die Geschwister und die Eltern nicht gefährden. Ihre Schwester Warwara war bereits drei Monate vor ihr nach Essen deportiert worden (siehe Bericht unten).

Die Behörden fordern sie auf, für den Transport nach Deutschland die Lebensmittel selbst mitzubringen. Der Transport nach Deutschland dauert zwei Wochen, die Mädchen werden unterwegs zur Hopfenernte eingesetzt. In Bobingen muss sie mit Maria und Irina in einer Textilfabrik arbeiten. Sie erhält die Häftlingsnummer 293 und schläft mit 14-16 weiteren Mädchen aus Pawlowgrad in einem Raum. Alexandra erinnert sich an die Namen weiterer 7-8 Frauen aus Pawlowgrad, die ebenfalls nach Bobingen verbracht worden sind. Lubov Sochka von der ukrainischen Stiftung wird per Computer die Namen überprüfen und nach möglichen Überlebenden suchen. Das Lager war in Nationen unterteilt, Russen, Holländer, Franzosen usw. waren alle getrennt untergebracht.
Als Aufsicht waren kriegsversehrte deutsche Soldaten eingeteilt, die Mädchen hatten stetige Angst vor Schlägen, aber die männlichen Zwangsarbeiter wurden weitaus schlimmer bestraft. Nach der Befreiung verprügelten diese den Lageraufseher Kugelmann mit der Peitsche, aber Alexandra verspürte Mitleid mit ihm.

Wegen ihrer Deportation nach Deutschland wird Alexandra in der Ukraine noch lange diskriminiert. Sie gilt als Prostituierte, weil sie in Deutschland war, sie wird bei jeder Arbeitssuche abgewiesen und muss sich rechtfertigen. Lange Jahre bleibt ihr keine andere Arbeit als die auf der Kolchose, sie hat keine Ausbildung und zudem die schönsten Jahre ihrer Jugend verloren und ist sozial diskriminiert.
Als ihr Mann sie nach ihrer Heirat 1954 von der Kolchose loseisen will und ihr die Arbeit als Putzfrau in einer Schule besorgt, bekommt sie die Stelle nur, weil sie verschweigt, dass sie während des Krieges in Deutschland arbeiten musste.

Ihre Tochter darf 1986 wegen ihrer Mutter nicht nach Afghanistan, und das 41 Jahre nach der Rückkehr von Alexandra in die Heimat! Alexandra Bespatjia hat deswegen heute noch Schuldgefühle gegenüber ihrer Tochter weil sie glaubt, sie habe das Leben ihrer Tochter negativ beeinflusst. Eine Rehabilitierung dieser Diskriminierung erfolgt erst unter Gorbatschow

Warwara Altanez, geb. Timtschenko, geb. am 2.08.1924

Ganz in der Nähe von Maria Lawrenko wohnen die Geschwister Alexandra und Warwara. Sie kommen aus einer Familie mit 5 Kindern. Der älteste Sohn war an der Front, die beiden Schwestern werden im Zeitraum von 3 Monaten nach Deutschland deportiert, die beiden jüngeren Brüder bleiben zuhause, sie waren noch zu jung um nach Deutschland zur Zwangsarbeit deportiert zu werden.

Warwara kennt ihr Deportationsdatum wie fast alle Zwangsarbeiter sehr genau. Es war der 14. Mai 1942. Die örtliche Polizeibehörde sprach fürchterliche Drohungen aus, wenn sie nicht nach Deutschland fahre.
Die Fahrt nach Deutschland dauerte drei Tage, eine ärztliche Untersuchung erfolgte bereits an der deutsch-polnischen Grenze. Gemeinsam mit 20 weiteren ukrainischen Mädchen kommt sie nach Essen, wo sie von einem großen gutaussehenden Mann abgeholt und ins Lager der Gebrüder Holzmann kommen. Als sie ankommen, sind die Baracken noch ganz leer, nach und nach kommen weitere 60 Mädchen dazu. Das Lager ist umzäunt. Wenn ein Mädchen am Abend zu weinen beginnt, führt das gleich zu einer Kettenreaktion und die anderen Mädchen weinen mit, oft aus Heimweh, manchmal aus Hunger.

In der Fabrik werden Fallschirme hergestellt und die Mädchen benötigen eine einmonatige Anlernzeit. Es gibt eine Dolmetscherin, die ihnen alles übersetzt. Aus dem Stoff für die Fallschirme werden auch Schürzen und Kleidung für die Zwangsarbeiter genäht.
Weil sie sich nicht recht geschickt bei den Näharbeiten anstellt, wird sie in die Küche versetzt, wo sie für die Essenszubereitung der Ukrainerinnen zuständig ist. Sie wiegt die Rationen ab, welche die Mädchen für drei Tage bekommen: 27 gr Wurst , 7 gr Butter, 222 gr Brot. Zum Mittagessen gibt es meist Bohnen und Suppen. Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, erhält sie die Anweisung, dass künftig die Kartoffeln in die Suppe gerieben werden sollen.
An Feiertagen gibt es sogar hin und wieder Kartoffeln und ein wenig Schmorfleisch.
Sie weiß, dass die ebenfalls inhaftierten Niederländer größere Portionen und eine bessere Verpflegung erhielten.

Gegen Ende des Krieges wird die Fabrik Tag und Nacht bombardiert, die Zwangsarbeiter suchen im Keller Zuflucht, keinesfalls dürfen sie die Bunker der Deutschen benutzen. Kurz vor Kriegsende legen die Bombardierungen die Fabrik in Schutt und Asche. Männer bringen die Mädchen in den Bus, aber der Bombenhagel hört nicht auf, und so suchen sechs Mädchen in einem Schweinestall Zuflucht, später finden sie ein leeres Haus mit leeren Fässern im Keller, in welchen sie sich verstecken. Im Chaos kommen auch deutsche Soldaten, die sich ebenfalls in den Fässern verstecken wollen.
Dann endlich werden sie durch Amerikaner aufgespürt, noch einen Monat verbleiben sie in Deutschland und erhalten von den Befreiern gute Verpflegung. Niemand wird zur Arbeit gezwungen.

Sie erinnert sich, dass die Amerikaner sie mit dem Flugzeug an die Elbe bringen und mit Konserven, Zigaretten und Süßigkeiten ausstatten ehe sie an die sowjetische Armee überstellt werden. Die Sowjetische Armee befragt sie zu ihrem Arbeitseinsatz in Deutschland und die Mädchen müssen leichtere Arbeiten vollbringe, es wird erwogen, sie im russisch-japanischen Krieg einzusetzen, aber glücklicherweise kapituliert die japanische Armee eine Woche nach dem Atombombenabwurf auf Nagasaki und Hiroshima.

In der Heimat werden die Ukrainerinnen – Warwara ist jetzt gerade mal 21 Jahre alt als „deutsche Huren“ beschimpft. Sie dürfen keine Ausbildung machen, es bleibt ihr keine andere Arbeit als die auf der Kolchose. So wird sie für ihren Zwangseinsatz in Deutschland doppelt bestraft.

Auch privat hat Warwara es nicht leicht. Sie heiratet einen Mann, der bereits 7 Mal verheiratet war. Ihre gemeinsame Tochter stirbt nach 2 Tagen und der Mann verlässt sie und heiratet ein 9. Mal. In den 80er Jahren heiratet sie ein zweites Mal, aber aus der Ehe gehen keine Kinder hervor. Der Mann verstarb vor 10 Jahren.

Trotz dieser Schicksalsschläge ist Warwara eine sehr starke, lebensbejahende, warmherzige und humorvolle Frau. Dank ihres Temperamentes kann sie überleben und findet auch das heutige Leben lebenswert.


Bildergallerie:

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