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Die nachfolgenden Thesen wurden entwickelt vom
"Arbeitskreis der Evangelischen und Katholischen Religionslehrerverbände in Baden-Württemberg"
(Stand: 22.02.1997)

THESEN ZU EINEM RELIGIONSUNTERRICHT DER ZUKUNFT

In einer von zunehmender Entkirchlichung gekennzeichneten Gesellschaft sehen wir uns als Religionslehrerinnen und -lehrer herausgefordert, zur Zukunft des Religionsunterrichts Stellung zu beziehen. Die Notwendigkeit des schulischen RU ist nach unserer Ansicht für die Zukunft überzeugend und glaubwürdig zu vertreten, wenn es gelingt,
    a) seine grundlegenden Bildungsmöglichkeiten für alle Heranwachsenden offenzulegen,
    b) das Verständnis von Konfessionalität  weiterzuentwickeln,
    c) ihn zunehmend von der gemeinsamen Verantwortung der christlichen Kirchen getragen zu wissen.
Wir sehen die folgenden Thesen als Diskussionsimpulse. Für einige bedeuten sie nicht mehr als die Beschreibung eines bereits praktizierten Status quo, für andere heben sie sich von gegenwärtiger Praxis ab. Wir sind freilich der Meinung, daß zukunftsweisende Denkmodelle sich klärend und stärkend bereits auf den RU der Gegenwart auswirken.

  1. Der schulische RU bietet die Möglichkeit, Lebensfragen konkret und grundlegend zu bedenken:
    • Kompetenz zur Deutung von Leben und Glauben zu stärken,
    • Fragen nach sinnvoller und verantwortlicher Lebensgestaltung zu entfalten.

  2. Die Grundlage für seinen pädagogischen Dienst am jungen Menschen heute sieht der RU in dem biblisch bezeugten, christlich tradierten und je neu wirksam werdenden Bild vom Menschen, der sich von Gott gehalten, zur Freiheit berufen weiß.

  3. Im schulischen Fächerkanon fällt dem RU die Aufgabe zu, im Kontext heutiger Lebensbezüge die biblisch-christliche Glaubenstradition verstehbar und erfahrbar zu machen und somit als Lebensdimension zu erschließen.

  4. Aus diesen Rahmenbdingungen ergeben sich für den RU vordringlich folgende pädagogische Zielsetzungen:
    (1) Sensibilisierung für religiöse Sinn- und Fragehorizonte im Sinne einer religiösen Propädeutik,
    (2) Orientierung und Hilfestellung bei Fragen ethisch verantworteten Lebensführung,
    (3) Vermittlung religiösen Wissens und religiöser Erfahrungen.

  5. Angesichts seiner lebensweltlichen Offenheit einerseits und seiner biblisch-christlichen Bindung andererseits erfordert der RU eine konstruktive Neubestimmung der Rolle der Konfessionen: Den Wert konfessioneller Bindung sehen wir darin, daß Glaube stets einen konkreten Ort im Leben braucht. Konfessionsgeschichtlich entstandene Besonderheiten können sich dabei als wertvolle Elemente für den Dialog erweisen.

  6. Konfessionell ist der RU zunächst aufgrund der konfessionellen Bindung der Lehrerinnen und Lehrer  für die Lebbarkeit des Glaubens; insofern hat er konfessorischen Charakter.
    Konfessionell ist der RU auch hinsichtlich der Orientierungsmöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler: Sie werden zu persönlichen Positionen in Glaubens- und Lebensfragen ermutigt.
    Ein so verstandener RU überwindet die Grenzen bisheriger Konfessionalität, er ist offen und hat einen alle einladenden Charakter.
  1. Die evangelische und katholische Kirche bleiben auch in Zukunft Trägerinnen dieses RU.
    Als historisch gewachsene und institutionalisierte Gestalten des Glaubens gewährleisten sie den Rahmen für die religiöse Bildung der heranwachsenden Generation.
    Auch angesichts verstärkter Kooperation auf Unterrichtsebene bleibt dieser RU ein RU auf der Basis des Grundgesetzes.

  2. Werteerziehung, die Auseinadersetzung mit der eigenen kulturellen Tradition, der Dialog mit anderen Weltanschauungen und Religionen sind für die Entwicklung aller  jungen Menschen in einer humanen Gesellschaft unverzichtbare Elemente. Deshalb ist es zu begrüßen, daß in Baden-Württemberg für alle Schülerinnen und Schüler, die nicht am RU teilnehmen, verpflichtend der Ethikunterricht eingeführt ist bzw. wird.

  3. Der dialogfähige und zum persönlichen Bekenntnis ermutigende RU verlangt künftig nach entschiedenen Schritten hin zu einem von den Kirchen gemeinsam verantworteten RU.

  4. Realität kann ein gemeinsam verantworteter RU nur werden durch konkrete Modelle der Kooperation vor Ort. Regionale und schulartspezifische Besonderheiten lassen dabei unterschiedliche Möglichkeiten und Geschwindigkeiten zu. Für den Erfolg entscheidend ist, daß die Kirchen solche Modelle nachhaltig billigen, vertreten und durch flankierende Maßnahmen fördern. - Von solcher Kooperation können Impulse für eine lebendige Ökumene ausgehen.

Mit diesen Thesen wendet sich der Arbeitskreis der evangelischen und katholischen Religionslehrerverbände in Baden-Württemberg an alle, denen die Zukunft des Religionsunterrichts und die Weiterentwicklung unseres Bildungssystems ein Anliegen ist. Wir wünschen uns eine breite öffentliche Diskussion und sind für kritische Anmerkungen und Vorschläge dankbar.

(AK: Arbeitskreis der Religionslehrerverbände in Baden-Württemberg. Geschäftsführer Josef Funk, Rathausstr. 36, 88281 Schlier)

HTML-Satz: H. Greschner


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