logoma.gif (4558 Byte)Inhalt: Religionskritik von Ludwig Feuerbach

Textblatt

Die Projektionstheorie Ludwig Feuerbachs

1
Der Mensch glaubt nicht nur, weil er Phantasie und Gefuhl hat, sondern auch weil er den Trieb hat, glucklich zu sein. Er glaubt ein seliges Wesen, nicht nur, weil er eine Vorstellung der Seligkeit hat, sondern weil er selbst selig sein will; er glaubt ein vollkommenes Wesen, weil er selbst vollkommen zu sein wunscht; er glaubt ein unsterbliches Wesen, weil er selbst nicht zu sterben wunscht. Was er selbst nicht ist, aber zu sein wunscht, das stellt er sich in seinen Göttern seiend vor; die Götter sind die als wirklich gedachten, die in wirkliche Wesen verwandelte Wunsche des Menschen; ein Gott ist der in der Phantasie befriedigte Gluckseligkeitstrieb des Menschen. Hätte der Mensch keine Wunsche, so hätte er trotz Phantasie und Gefuhl keine Religion, keine Götter. Und so verschieden die Wunsche, so verschieden sind die Götter, und die Wunsche sind so verschieden, als es die Menschen selbst sind. Der Trieb, aus dem die Religion hervorgeht, ihr letzter Grund ist der Gluckseligkeitstrieb, und wenn dieser Trieb etwas Egoistisches ist, also der Egoismus.

2
Das Christentum hat sich die Erfüllung der unerfüllbaren Wunsche des Menschen zum Ziel gesetzt, aber eben deswegen die erreichbaren Wunsche des Menschen außer acht gelassen; es hat den Menschen durch die Verheißung des ewigen Lebens um das zeitliche Leben, durch das Vertrauen auf Gottes Hilfe um das Vertrauen zu seinen eigenen Kräften, durch den Glauben an ein besseres Leben im Himmel um den Glauben an ein besseres Leben auf Erden [...] gebracht.
Das Christentum hat dem Menschen gegeben, was er in seiner Einbildung wunscht, aber deswegen nicht gegeben, was er in Wahrheit und Wirklichkeit verlangt und wunscht.

3
Es handelt sich also im Verhältnis der selbstbewussten Vernunft zur Religion nur um die Vernichtung einer Illusion - einer Illusion aber, die keineswegs gleichgültig ist, sondern vielmehr grundvererblich auf den Menschen wirkt, den Menschen, wie um die Kraft des wirklichen Lebens, so um den Wahrheits- und Tugendsinn bringt; denn selbst die Liebe, an sich die innerste, wahrste Gesinnung, wird durch die Religiosität zu einer nur scheinbaren, illusorischen, indem die religiöse Liebe den Menschen nur um Gottes willen, also nur scheinbar den Menschen, in Wahrheit nur Gott liebt. Wir dürfen die religiösen Verhältnisse nur umkehren, so haben wir die Illusion zerstört und das ungetrubte Licht der Wahrheit vor unseren Augen.


[aus: L. Feuerbach: "Das Wesen der Religion" und "Das Wesen des Christentums"]


( erstellt am:03. Juni 2008)

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