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THEMA:   LdL in Egypt und auch sonst in der Welt

 15 Antwort(en).

jpm begann die Diskussion am 06.11.04 (07:54) mit folgendem Beitrag:

Liebe Kollegen in Ägypten,
Auch aus der Distanz heraus bin ich mir ziemlich sicher, dass ich mit Ihnen die gelungenste Fortbildung meines Lebens durchgeführt habe. Es trafen alle Faktoren zusammen: sowohl die Tatsache, dass die Schülerinnen diese außergewöhnlich Qualität hatten als auch Ihre Bereitschaft als Kollegen, teilweise enorm viel Arbeit in die Fortbildung zu investieren (ständige Vorbereitungen von LdL-Einheiten) haben dazu beigetragen. Auch bei meinen Kollegen aus der deutschen Schule in Mailand muss ich mich bedanken, weil sie mir den Tipp gaben, am dritten Fortbildungstag von Kollegen LdL-Einheiten in verschiedenen Fächern mit Schülerinnen durchführen zu lassen.
Es wäre sehr schade, wenn wir die begonnene Zusammenarbeit nicht fortsetzen. Ich möchte alle meine Vernetzungen wirken lassen, um Ihre Arbeit bekannt zu machen. Für Sie bedeutet es zunächst nicht viel Aufwand, denn es genügt ja, wenn Sie ab und zu in das von mir eröffnete Forum hineinschauen und über Ihre ersten Versuche berichten. Ich werde mich bemühen, über meine Mailinglisten auf das Forum aufmerksam zu machen. Insbesondere die Deutschen Auslandsschulen werde ich versuchen, zu mobilisieren. So hat mir mein ehemaliger Doktorand Dr.Hans Brügmann aus Singapour, wo er in der Schulleitung arbeitet, einen begeisterten Bericht über eine LdL-Fortbildung geschickt, die er in derselben Zeit, als wir in Cairo zusammen waren, in Singapour durchgeführt hat. Sicherlich wird er bereit sein, auch in Ihrem Forum über seine LdL-Erfahrungen zu berichten.


jpm antwortete am 06.11.04 (08:05):

Übrigens:
Vor drei Jahren habe ich eine ähnliche Fortbildung in Istanbul durchgeführt. Zwei Jahre später bekam ich folgende Mail von meinem Kollegen Jochen Reischel:
"Lieber Jean-Paul Martin,
mit großem Interesse verfolge ich Ihre Arbeit und freue mich immer über Zusendungen per Internet. Wir kennen uns seit Ihrer Fortbildung an der Deutschen Schule in Istanbul. Was uns Lehrern, denke ich, noch fehlt, ist der Mut es mit LdL zu probieren. Dabei scheint mir die Methode ein, wenn nicht gar DER Ausweg aus einer Misere zu sein, die viele erkannt haben, aber nicht mit den geeigneten Mitteln bekämpfen. Noch immer scheint die Denkweise vorzuherrschen, dass wir Lehrer - und nur wir - den Schülern Wissen vermitteln müssten, andernfalls entgleite uns die Kontrolle. Offensichtlich, so berichten Praktikantinnen und Referendare, die an unsere Schule kommen, tut sich dagegen auch nicht genug an Universitäten und bei der Lehrerausbildung. Und wo bleibt die Vermittlung zentraler Lern- und Arbeitstechniken? Da müssen wir endlich systematisch ansetzten, d.h. in Form eines durchdachten Curriculums aller Fachschaften. Manche Schulen tun dies bereits. Allerdings müssten sich auch Prüfungsinhalte ändern. Das ist für Sie alles nicht neu. Aber ich möchte einfach mal wieder eine persönliche Rückmeldung geben, weil Ihre Fortbildung damals die richtigen Impulse gegeben hat, auch wenn wir sie noch nicht konsequent umgesetzt haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer zukunftsweisenden Arbeit und hoffe, dass wir in Verbindung bleiben."


jpm antwortete am 06.11.04 (16:25):

Nach meinem Aufenthalt in Cairo, beeindruckt von den Leistungen der Schülerinnen der Deutschen Schule der Borromäerinnen, habe ich verschiedene Postings getätigt.
Hier die Antwort von Jochen Reischle aus Istanbul:
"Lieber Jean-Pol Martin,
danke für die Links. Bin gerade mit Korrekturen so zugedeckt, dass ich die Seiten erst später werde aufrufen können. Dennoch: ich bin natürlich weiter am Ball und an Zusammenarbeit interessiert.
Mehr noch: ich habe vor fünf Wochen zum ersten Mal LdL mit einer türkischen Klasse probiert und vor zwei Wochen abgeschlossen, und zwar mit einer so genannten Hazirlik-Klasse; das sind die Neuen an unserer Schule, die in einem "Nulljahr" vor allem Deutsch lernen, aber auch vier Stunden Englisch haben. Ich habe eine Gruppe von Fortgeschrittenen (nur 9 Schülerinnen und 3 Schüler), die ich von Anfang an die Hausaufgaben habe vorstellen lassen (vor der Klasse, natürlich). Das hat so gut geklappt, dass ich sie die zweite Unterrichtseinheit aus dem Lehrwerk komplett selbst habe vorbereiten und durchführen lassen. Es war unglaublich. Die Schüler haben - bis auf eine Ausnahme - einen prima Unterricht gemacht und insgesamt sehr positiv auf den Versuch reagiert. Sie waren, denke ich, auch recht stolz darauf, wohl die erste und einzige Klasse in der ganzen Türkei zu sein, die so etwas einmal probiert. Der Versuch hat sich auch auf mein Verhältnis zu dieser Gruppe sehr positiv ausgewirkt. Im Augenblick demonstriere ich ihnen wieder verschiedene methodische Ansätze, damit ihr Repertoire erweitert wird; die Klasse hat aber schon signalisiert, dass sie LdL (wir nennen es LTT = learning through teaching) nochmals probieren wollen, allerdings mit Partnern und Themen ihrer Wahl (da gab es bei der Evaluation auch schon genaue Vorstellungen). Soviel aus der Türkei.
Mit herzlichem Gruß
Jochen Reischle"


jpm antwortete am 06.11.04 (16:34):

Und aus Singapour: Hans Brügmann hat mich noch nicht kontaktiert, so dass ich nur einige Auszüge aus seiner Mail veröffentliche, von denen ich glaube, dass ich es ohne eine Indiskretion zu verüben, tun kann:
"Die Fortbildung "Methoden des FSU" in Sgp, die 'regional' war (d.h. es waren zehn Schulen aus Asien + Australien vertreten) und nach drei Tagen gestern zu Ende ging, war ein voller Erfolg. LdL - theoretische Einführung, Unterrichtsdemonstration und Nachbesprechung/Reflexion mit Schülern, Lehrern und Eltern - bekam nur beste Noten (...). Ein anderer Fortbildungsteilnehmer sagte den Schülern bei der Nachbesprechung der Stunde "11 von 10 Punkten". Es war wirklich Spitze, die Schüler konnten ihr Sprachwissen wie auch ihre prozeduralen Fähigkeiten (z.B. Erkennen von Wortbildungsregeln) hervorragend demonstrieren - und nichts war im Vorfeld manipuliert, ich hatte nicht einmal mehr das Arbeitsblatt der Schüler durchsehen können, weil sie dies am Vortage vergessen hatten! (...)"

Ist nicht die Zeit gekommen, eine LdL-Treffen für alle diese Kollegen zu organisieren? (Kairo, Singapour, Istanbul). Weitere Fortbildungen haben ich an den Deutschen Schulen in Brüssel, Oslo und Mailand durchgeführt. Aber es scheint vor allem in Ländern zu greifen, bei denen die Kinder sowohl großen Bildungshunger als auch viel Disziplin und gleichzeitig Drang nach Autonomie mitbringen. Diese Kombination ist wohl optimal!


Hans Brügmann antwortete am 07.11.04 (08:42):

Lieber Jean-Pol,
Einiges über die Fortbildung in Singapur hast du ja bereits ins Forum gestellt. Was ich gerne noch - zweifellos etwas unausgegoren - hinzufügen möchte, ist ein Aspekt, der mir noch nie so deutlich geworden ist. Ich muss ein wenig ausholen: Es gibt ein sog. "Eisbergmodell der Lernkultur", das wohl aus der Unternehmensberatung stammt und Lernen wie einen Eisberg darstellt, mit dem "Was-" Lernen oberhalb der Wasserlinie, dem "Wie" unterhalb. Das prozedurale, implizite Lernen "trägt" also gleichsam das deklarative, ist aber nur schwer sichtbar. Nun, die Methodenkenntnisse, die ich den Schülern (inzwischen 2. Lernjahr) bislang vermittelt hatte (oder meinte ihnen vermittelt zu haben) bzw. die sie sich selbst angeeignet hatten durch das Verfahren, waren auch MIR als Lehrer in der Tat bislang nicht oder kaum sichtbar. Erst in dieser LdL-Stunde (man muss wissen, dass ich LdL nicht ständig anwende, vielleicht so drei bis viermal pro Halbjahr, jedoch dann konsequent) wurde die sozusagen untere Seite des Eisbergs erkennbar, und zwar immer dann besonders, wenn die Schüler nicht mehr weiter kamen. Da sie wussten, dass ich mich als Lehrer sehr zurückhalten würde (was ich eigentlich in LdL auch recht gut durchhalte; s.o. "konsequent"), MUSSTEN sie auf ihre Problemlösefähigkeiten zurückgreifen, auf Analogiebildungen, Wortbildungsregeln, andere Sprachen, Weltwissen... Wie sie hierbei etwa das Paradigma von "connaître" einführten und andere Schüler anleiteten (praktisch einsprachig nach 14 Monaten Französisch!) war schon faszinierend zu sehen, auch für mich, der ich die Methode nun schon seit rund acht Jahren betreibe. Die anderen Fortbildungsteilnehmer waren umso mehr begeistert; kritische Rückfragen ("Ist das nicht eigentlich Unterricht wie vor 50 Jahren, halt nur von Schülern gehalten?") verstummten schnell.
Was ich damit sagen will (und dies ist jetzt wirklich ein wenig aus dem hohlen Bauch formuliert): Kein Wunder, dass wir (verstärkt noch durch PISA) so output-orientiert sind und neuerdings wieder meinen, alles messen und vergleichen zu müssen, ist doch unser Unterricht auch so angelegt (nämlich nach wie vor lehrerzentriert und frontal, mit einer Überbetonung schriftlicher Leistungsmessungen), dass stets nur oder fast nur das deklarative Wissen "sichtbar" bleiben kann. In dem Maße in dem wir (vereinfacht gesagt) frontal unterrichten, KÖNNEN wir also auch gar nicht anders als uns (weitgehend) im deklarativen Bereich zu bewegen. Und unsere Schüler werden uns Lehrern gerne weiterhin die Verantwortung für ihre Lernprozesse überlassen und bei der nächsten Vergleichsarbeit dann brav in messbaren Kategorien von richtig und falsch ihr von uns gelehrtes Wissen reproduzieren (und Deutschland wird dann bei PISA vielleicht sogar besser abschneiden). Demgegenüber scheinen wir den Schülern viel zu wenig Gelegenheit zu bieten, ihre für lebenslanges Lernen so wichtigen prozeduralen Fähigkeiten zu "zeigen", indem wir als Lehrer sie "lassen". Das für mich bislang brauchbarste Verfahren in dieser Hinsicht ist LdL.
Soweit fürs Erste ein paar - wie man merkt wahrlich nicht zu Ende gedachte - Überlegungen zur Sache.
Herzlicher Gruß
Dein Hans Brügmann


jpm antwortete am 07.11.04 (09:12):

@Hans
Deine Beschreibung trifft genau den Punkt. Ein ähnliches Missverständnis (Deklaratives wird erwartet, Prozedurales - viel Wertvolleres - wird nicht erkannt) habe ich in Cairo erlebt. Ich beschreibe es kurz, möchte aber den beiden hochengagierten Kollegen auf keinen Fall zu Nahe treten. Im Rahmen einer Kunststunde ging es um die Einführung eines abstrakten Bildes von Kandinsky. Die Schülerinnen arbeiteten nach LdL, die Kollegen hatten konkrete Lernziele vor Auge und hatten die Schülerinnen mit entsprechenden Hinweisen versorgt. Es entstand aber eine sehr persönliche, unglaublich lebhafte Diskussion in der Klasse über den Sinn von abstrakter Kunst, die Schülerinnen erläuterten, dass Bilder oft nur als Projektionsfläche dienen für die Gefühle, die man gerade trägt und dass dasselbe Bild je nach Stimmung völlig entgegengesetzte Interpretationen auslöst... Es war eine 9.Klasse und die Schülerinnen wollten nicht mehr aufhören, über ihre Auffassung von Kunst zu sprechen und sie setzten sich nebenbei intensiv mit dem Bild auseinander. Damit lieferten sie auch alle Bausteine, die im Anschluss durch Lenkung des Lehrers und Zusammenfassung der Kerngedanken genau das vorgesehene Lernziel ausmachen würde. Meine Kollegen waren aber enttäuscht, weil die Systematik und die zügige Hinführung zu den Lernzielen fehlte. Dabei sagten die Schülerinnen unisono, sie hätten noch nie in einer Kunsstunde so intensiv über Kunst diskutiert. Kunst sei üblicherweise nur Theorie, langweilig und abstrakt. Dieses Erlebenis hat uns allen sehr viel zu denken gegeben. Auch meine Kollegen Kunsterzieher waren betroffen. (Ich erlaube mir, dies hier so ausführlich zu beschreiben, weil ich weiß, dass beide keinen Anstoß an dieser Beschreibung nehmen werden).


jpm antwortete am 11.11.04 (10:21):

Hier ein Gruppenbild von der Fortbildung an der Deutschen Schule der Borromäerinnen in Cairo:

(Internet-Tipp: http://www.ku-eichstaett.de/Fakultaeten/SLF/romanistik/didaktik/Forschung/ldl/fortbildungen/)


Renate Gegner antwortete am 11.11.04 (19:05):

Wolfram Thom aus Donauwörth hält nächste Woche eine Fortbildung in Peking und wird dabei auch LdL vorstellen.


jpm antwortete am 11.11.04 (19:20):

Oh Gott! Wenn die Chinesen LdL in den Schulen einsetzen, werden sie uns wirtschaftlich und sonst noch schneller überholen! ;-))


Hans Brügmann antwortete am 13.11.04 (01:27):

Liebe Renate, lieber Jean-Pol,
macht euch um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands keine Sorgen: Es handelt sich bei der Fortbildung in Peking ausschließlich um deutsche Schulen Asiens, die daran teilnehmen :-)! Übrigens wird auch Singapur vertreten sein (ein Kollege mit Bio / Ek). So schließt sich in gewisser Weise der Kreis.
Herzliche Grüße nach Bayern
Hans


jpm antwortete am 13.11.04 (05:19):

@H.Brügmann
Das beruhigt mich! ;-)


Guido Oebel antwortete am 24.11.04 (04:30):

Vom wahrscheinlich fernoestlichst gelegenen LdL-Stuetzpunkt Saga in Westjapan: nur allzu gerne bemuehe ich im Zusammenhang von LdL mit japanischen Lernern den Schluesselsatz von Pfeiffer / Rusam (1992: 426), der mich seinerzeit dazu veranlasste, LdL zunaechst experimtentell in meinem Unterricht einzusetzen: „(...) Gerade Studenten mit grosser kulturraeumlicher Distanz - etwa aus dem asiatischen Raum – gehen dankbar auf die Methode (LdL) ein – vielleicht weil sie ihnen institutionell erlaubt, die ihnen eigene Zurueckhaltung im Rahmen der Lehrerrolle aufzugeben.“

Nach zugegebenermassen massiven Anfangsschwierigkeiten, die ich dank konkreter Abhilfehinweise aus dem LdL-Forum (nochmals vielen Dank dafuer!) ueberwinden konnte, habe ich seit knapp vier Jahren LdL als hauptsaechliche Methode in meinem Unterricht etabliert. Aus dem Vorlesungsverzeichnis und aus der Bewerbung von LdL durch aeltere Semester wissen die Studierenden, dass sie sich auf eine fuer sie ungewoehnliche und augfrund ihrer (Bildungs-)Sozialisation gewoehnungsbeduerftige konstruktivistische Unterrichtsmethode einlassen, die ihren bisherigen Erfahrungen von Schule (lehrerzentriert und ausschliesslich auf Vermittlung rezeptiven Wissens ausgerichtet, ergo m.E. „lernerentmuendigend“) diametral entgegenstehen. Dass dies dennoch zu vordersten Plaetzen bei den PISA-Erhebungen fuehrt, empfinde ich als aeusserst bedenklich, da es die hiesigen Entscheidungstraeger zu meinem Bedauern in ihrer Bildungspolitik bestaerkt – aber das ist ein anderes Thema.

Im real existierenden LdL-Unterricht mit japanischen DaF-Studierenden scheint es mir jedenfalls gelungen zu sein, die m.E. ethnisch, kulturhistorisch und sozialisierungsbedingt (Konsensgesellschaft gepaart mit Kollektivdenken; Adaptabiltaet gepaart mit Assimilierungsfreude bis hin zur „Vereignung“; hochgradiger Pragmatismus i.S.v.: was mir/uns nuetzt, muss positiv sein; etc.) bestehenden Gesellschaftsmerkmale LdL-foerdernd einzusetzen. Da wir – meine japanischen Studierenden und ich selber – im Ergebnis allesamt von LdL profitieren, ist die Methodenakzeptanz entsprechend hoch. Die einzige Einschraenkung in diesem Zusammenhang manifestiert sich in einer mitunter skeptischen Grundhaltung waehrend der allerfruehesten Beginnphase von LdL-Sequenzen, aber dieses Phaenomen ist wohl alles andere als spezifisch japanisch!?

Der endgueltige Durchbruch von LdL hier in der westjapanischen Provinz ist mir offensichtlich mit einem kuerzlich erfolgreich durchgefuehrten mediengestuetzten LdL-Projekt zur Philosophiegeschichte (Dokumentation erscheint im naechsten Info DaF!) gelungen, das mir sogar die Anerkennung der japanischen KollegInnen, von Haus aus Instruktivismus-Traditionalisten, eingebracht hat – die wahrscheinlich hoechste Weihe fuer eine auslaendische Lehrkraft in Japan. Fuer das naechste LdL-Projekt Lebenswissenschaft Biologie im DaF-Unterricht gibt es bereits viele Hospitationsanfragen von weiteren japanischen KollegInnen.

Diesen Erfolg habe ich massgeblich dem ungebrochenen Engagement meiner japanischen Studierenden zu verdanken. Dabei muss man bedenken, dass Studierende in Japan neben ihrem Vollzeitstudium mit i.d.R. fuenf Lehranstaltungen taeglich (an 5 Tagen) und einem m.E. uebertriebenen Hausaufgabenpensum meistens noch einem Halbtagsjob in den Abend- bzw. Nachstunden nachgehen! Auch das ermutigt mich, meinen handlungsorientierten und lernerzentrierten Kurs beizubehalten und weitere Unterrichtsveranstaltungen nach LdL – mit hoffentlich aehnlich guten Ergebnissen - durchzufuehren.

Guido Oebel (Saga / Westjapan)


TMH antwortete am 24.11.04 (20:27):

Lieber Guido Oebel,

JPM zitierte aus Ihrem Beitrag hier in der Mailingliste, so dass ich gleich hier hin schaltet - nach längerer Brettpause.
Atemberaubend!
Ich beglückwünsche Sie, und uns alle hier für dieses so überzeugende und ermutigende Beispiel!!

Herzliche Grüße aus der pädagogischen Provinz, aus einer "japanischen" Schule in Heidelberg :-))))

Tatjana Miriam Hasse


jpm antwortete am 11.01.05 (07:55):

Aus der Deutschen Schule in Istanbul:

"(...) habe neulich eine tolle Erfahrung mit LdL gemacht: eine völlig unerfahrene Klasse (26 Schüler, Klasse 12), die eigentlich nur noch an die türkische Aufnahmeprüfung denkt, normalerweise keine sinnvoller Unterricht mehr möglich, völlig LdL unerfahren; dennoch:
trotz Kurzeinführung gelang Motivierung; Thema: global problems; Gruppen zu 4 Schülern, die teilweise hervorragenden Unterricht gemacht haben: bei zwei Gruppen hätte ich es selbst nicht besser gekonnt: eine Gruppe: beim Reinkommen war Klassenzimmerboden mit Müll bedeckt; Schüler saßen an den Wänden; Impulse der Schüler-Lehrer: Kurzkommentare der Schüler; dann runde Stunde mit Medienwechsel, Wortschatzarbeit, hervorragenden Arbeitsaufträgen; Diskussion (drei Themen auf Gruppen verteilt) und und und. Grandios. Ich war schwer beeindruckt. Ich habe der Klasse hinterher gesagt, dass mir vor 5 Jahren als ich nach Istanbul an die Deutsche Schule kam, von einigen Lehrern gesagt wurde, es sei nur lehrerzentrierter Unterricht möglich; alles andere könne ich vergessen. Die Klasse war zu Recht stolz auf sich.(...)"

Auch wenn es im Laufe der Jahrzehnte Hartnäckigkeit verlangt: es lohnt sich, immer wieder LdL zu propagieren und einzusetzen!


jpm antwortete am 17.03.05 (06:37):

Und so erlebte eine Ägyptische Schülerin die LdL-Fortbildung in Cairo:

"In der nächsten Stunde werdet ihr im Medienraum erwartet. Dann morgen in der 3. und 4. auch. Es gibt nicht genug Sitzplätze für alle, deshalb kann nur die Hälfte von euch hingehen. Wer hat Interesse?
Wir wussten, dass ein Professor einen Fortbildungskurs für Lehrer im Medienraum hielt. Es sollte um "Lernen durch Lehren" gehen, und man brauchte für den praktischen Teil logischerweise ein paar Schüler. Und da die Übung in französischer Sprache abgehalten werden sollte, sollten diese darin möglichst fortgeschritten sein. Die 11er und 12er waren zu beschäftigt, also fiel die Wahl auf uns, die 10b.
Keine meldete sich! Doch nach und nach erhoben sich die ersten Hände, bis plötzlich alle mitmachen wollten. Schließlich handelte es sich um eine neue Lernmethode, die später auch wir anwenden sollten, und außerdem haben wir Schüler nicht täglich die Chance, bei einer Lehrerfortbildung dabei zu sein.
Eine halbe Stunde später saß ich mit 12 anderen Mädchen im Medienraum. Umrundet von bekannten und weniger bekannten Gesichtern. Jedenfalls waren es viele und, nebenbei bemerkt, alle von Lehrern. Ich fühlte mich wie ein Versuchskaninchen. Das einzige, was ich wusste, war, dass der Kurs "Lernen durch Lehren" hieß, und das sagte mir nicht viel: Wer sollte durch lehren lernen? Wir, die Schüler, oder die Lehrer?
Man ließ uns nicht länger im Dunkeln. Herr Jean-Pol Martin, der den Kurs abhielt, behauptete, dass die Schüler viel mehr vom Unterricht mitbekommen würden, wenn sie sich selber gegenseitig unterrichteten. Sein Ziel war es, Lehrern beizubringen, wie man einen solchen Unterricht veranstaltet. Dabei sollte der Lehrer nur dann eingreifen, wenn die Schüler nicht weiter Bescheid wüssten.
Der erste Schritt war die Wiederholung des gelernten Stoffes. Wir bekamen den Text, den wir in der letzten Zeit bearbeitet hatten und sollten ihn lesen. Zwei von uns wurden ohne weitere Anweisungen gebeten, die Rolle des Lehrers zu übernehmen. Sie teilten die Leserollen ein und fragten nach den neuen Vokabeln und die Grammatik.
Ich war ein bisschen enttäuscht. Schließlich habe ich eine revolutionäre Lernmethode erwartet, nicht so etwas Alltägliches. Offensichtlich war ich nicht die einzige, der es so ging. Die Tatsache, dass keiner Aussprachefehler unterliefen, machte dem Professor einen Strich durch die Rechnung. Der nächste Schritt hätte nämlich sein sollen, sich gegenseitig die Aussprache zu korrigieren.
Nachher wiederholten wir die Grammatik, und zuletzt durften die Lehrer fragen. Auch wir durften dann unsere Eindrücke vermitteln. Dabei erwähnten wir, dass beinahe alles was wir gemacht hatten, eigentlich Gewohnheit war.
Doch das Neue sollte noch kommen. Beim nächsten Mal ging die andere Hälfte der Klasse hin. Diesmal sollte der Unterricht im Fach Deutsch abgehalten werden: Lesen und Wiederholen war der erste Schritt.
Neuen Stoff selber zu bearbeiten, war der zweite: Zuerst wurde ein Blatt mit einem unbekannten Gedicht ausgeteilt. Dann teilte man sich in Gruppen ein. Jede Gruppe sollte ein bestimmtes Thema bezüglich des Gedichtes bearbeiten. Dazu bekam sie das Arbeitsmaterial, aus dem der Lehrer dieses Thema vorbereitet hatte,.und 20 Minuten Zeit.
In diesen 20 Minuten sollten die Schülerinnen jeder Gruppe die Blätter durchlesen, die unwichtigen Informationen verwerfen und dann noch einen Vortrag für die anderen vorbereiten. Und sie schafften es. Binnen dieser zwei Stunden erarbeiteten sie die Merkmale der Romantik: Eine beachtliche Leistung! Der Professor war, wie wir später erfuhren, beeindruckt.
Wir waren uns einig, dass "Lernen durch Lehren" eine willkommene Abwechslung in den Unterricht brachte, doch auf die Dauer wäre sie doch nicht sehr günstig und bei manchen Fächern, wie zum Beispiel Mathe und Physik, schwieriger durchzusetzen. Trotzdem war es eine nette Erfahrung.
Nadine Adel, 10b2

Nun ja... "Willkommene Abwechslung", "nette Erfahrung"...
Meine Schüler zumindest betrachten LdL nicht als willkommene Abwechslung sondern sie verlangen diese Methode und werden unwillig, wenn ich stärker das Heft in die Hand nehme. Vielleicht merken es die Schüler erst nachdem sie LdL länger praktiziert haben...


jpm antwortete am 25.03.05 (10:28):

Was ich vor einigen Monaten in Kairo erlebt, was ich in den letzten Wochen im Rahmen meiner LdL-Seminare in den Modus-Schulen in Bayern ebenfalls festgestellt hatte, wurde auch bei meinem Besuch diese Woche an der deutschen Schule in Istanbul bestätigt: die Schüler sind schon soweit, dass sie den Ansatz sofort umsetzen. Man muss nur darauf bestehen, dass die "unterrichtenden" Schüler sich stets vergewissern, dass die anderen ihnen zuhören und sie verstehen. Man muss auch dafür sorgen, dass die Klasse sich diszipliniert bemüht, den Unterrichtenden genau zuzuhören und nachfragen, sobald etwas nicht klar ist.
Es geht so schnell, dass aus meiner Sicht in kürzester Zeit LdL überall Standard sein wird, auch wenn die Lehrer und Schüler nicht den Begriff "LdL" dafür benutzen!























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