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Bericht von Renate Gegner:
Lieber Jean-Pol,
ich habe in diesem Schuljahr eine 9. Klasse in Französisch, die ich zum Teil schon in der 7. Klasse hatte und die sehr gern LdL machte. Es sind 26 Mädchen und 3 Jungen.
Diese Klasse hält seit Beginn des Schuljahres selbstständig, auch die Schüler, die mich nicht kannten, fanden sich sofort zurecht. Neben dem Schulbuch (Découvertes 3), das ich nur als Steinbruch verwende, behandeln sie Texte aus Okapi und inzwischen aus écoute, haben aklso ein Niveau erreicht, das ich normalerweise erst in der 11. Klasse habe. Sie fordern sich selbst und auch wenn ihnen die Hälfte des Wortschatzes unbekannt ist, arbeiten sie solange an dem Text, bis sie ihn verstanden haben und dann mit der Klasse besprechen können. Auch die Grammatik stellen sie selbstständig vor. Ich habe also nicht das Problem, das die präsentierenden Schüler den Stoff schlechter beherrschen als der Rest der Klasse. Allerdings sprechen wir immer intensiv über die jeweilige Problematik, die Klasse fragt genau nach, wenn etwas unverständlich ist, deshalb ist es für die vorbereitende Gruppe klar, dass sie den Stoff ordentlich beherrschen muss. Es findet auch regelmäßig eine Evaluation der Leistungen statt. Wichtig ist, dass in der Klasse eine Interaktion stattfindet, damit LdL nicht zum Ersatz für den Frontalunterricht wird.
Ein weiteres Beispiel:
Ich habe weiterhin eine 10. Klasse in Latein mit 27 Schülern, die vor Weihnachten ein Projekt zum Thema Rhetorik (Reden wie Cicero) bearbeitet hat. Sie bereiteten eine Stelle aus den Verresreden von Cicero auf und sollten
entweder wie Cicero Verres anklagen oder Verres spielen, wie er sich verteidigt. Es gab sechs Gruppen, die jeweile diewelbe Stelle aufbereiteten, ein Schüler aus der Gruppe hielt die jeweilige Rede, die mit der Videokamera
aufgenommen wurde, sodass wir hinterher alles genau analysieren konnten. Es war erstaunlich, wie gut sich die Schüler in die verschiedenen Rollen hineinversetzten und wie verschiedenartig sie ein- und dieselbe Textstelle aufbereiteten. Die Mitschüler waren erstaunt, welche Qualitäten einige zeigten, die sonst überhaupt nicht auffallen.
Auch bei diesem Projekt zeigte sich, wie wichtig die Interaktion oder die Netzwerke sind, die sich durch LdL ergeben. Ich habe die Klasse das dritte Jahr, auch in dieser Gruppe liegt der Unterricht überwiegend in der Hand der Schüler. Wenn eine Gruppe schwächer vorbereitet ist, wird dies von den Mitschülern sofort bemerkt und entsprechend thematisiert. Gegenbeispiel ist eine 10. Klasse in Latein, die ich heuer zum ersten Mal habe und die selbstständiges Arbeiten überhaupt nicht gewohnt sind. Ich mache mit diesen im Augenblick ein Projekt zum Thema bellum iustum und ich muss ihnen dauernd helfen, um Unterlagen zu finden. Allerdings haben sie einen virtuellen Raum eingerichtet, in dem sie miteinander mehr oder weniger kommunizieren und ihre Materialien einstellen und austauschen. Computermäßig sind einige sehr weit fortgeschritten.
Diese Erfahrung zeigt mir wieder, dass es einen langen Atem braucht, bis Schüler einen wirklichen LdL-Unterricht gestalten können und vor allem, bis sie sich auch gedanklich umgestellt haben. Aber sie arbeiten inzwischen zusammen,
was vorher kaum der Fall war. Das ist schon ein Fortschritt.
Wenn du willst, kannst du gerne meine Aussagen veröffentlichen. Die Diskussion der letzten Tage hat mich angeregt, wieder einmal über meinen Unterricht nachzudenken. Im Augenblick habe ich 27 Stunden Unterricht, da ich eine Schwangerschaftsvertretung übernehmen musste. Es kann also keiner sagen, dass ich in einer privilegierten Situation bin. Liebe Grüße. Renate

Hier wird der Unterschied zwischen LdL und anderen Methoden beschrieben (Übersicht):