Kapitel 34: Neurogenetik

34.3.2.12 Sevenless aktiviert den Rezeptor-Tyrosinkinase-Signalweg

Die Aktivierung der Tyrosinkinase-Domäne nach der Bindung des Boss-Proteins muß intrazelluläre Konsequenzen nach sich ziehen und sich schließlich in einer Veränderung der Genaktivität des R7-Vorläufers auswirken. Welche Kaskade molekularer Veränderungen pflanzt sich vom Rezeptor bis in den Zellkern fort? Die Beantwortung dieser Frage wird durch die Isolierung von Genen erleichtert, deren Produkte downstream von sevenless in das Geschehen eingreifen. Eine Möglichkeit, diese Gene zu finden, besteht darin, Suppressoren von solchen sev-Mutationen zu isolieren, bei denen die Tyrosinkinaseaktivität vermindert ist. Ein anderer Weg besteht darin, bei einem temperatursensitiven sev-Allel die Temperatur so einzustellen, daß die Tyrosinkinase gerade noch in der Lage ist, genügend Phosphorylierungen durchzuführen, damit sich R7 differenzieren kann. In diesem sensitisierten System können "second site“-Mutationen, die die Signaltransduktion verschlechtern, mit großer Effizienz selektiert werden. Die Methode erlaubt auch die Isolierung von Mutationen in essentiellen Genen, da der Ausfall einer Genkopie genügt, um den Schwellenwert für die R7-Differenzierung zu unterschreiten. In den Labors von Gerald Rubin und Ernst Hafen wurden auf diese Weise "loss of function“-Mutationen in mehreren Genen isoliert. In einem dieser Gene, Son of sevenless (Sos), war bereits eine dominante Suppressormutation von sevenless bekannt. Diese "gain of function“-Mutation ist in der Lage, hypomorphe Punktmutationen von sevenless zu supprimieren. Auf ähnliche Weise konnten im Laufe der Jahre verschiedenste Faktoren isoliert werden, die den Sevenless-Signalweg konstituieren. Heute weiß man, daß es in den unterschiedlichsten Systemen funktionell äquivalente Signalwege gibt und auch die beteiligten Proteine sind meist die entsprechenden Verwandten, so daß man ganz allgemein vom Rezeptor-Tyrosinkinase/MAP-Kinase-Signalweg spricht (Abb. 34-31; Tab. 34-6; s. auch 8.9.3).

Die aktivierte MAP-Kinase wandert vom Cytosol in den Kern und phosphoryliert dort Transkriptionsfaktoren. Im Falle der Sevenless-Signalkette konnte man eine Reihe von Faktoren isolieren und auch einige Gene bestimmen, welche dabei aktiviert werden. Die Proteine Pointed (Pnt) und Yan gehören zur Klasse der Transkriptionsfaktoren mit ETS-bindender Domäne und werden beide von der MAP-Kinase phosphoryliert. Dabei wirkt Yan in seiner unphosphorylierten Form als transkriptioneller Repressor, der an die DNA bindet. Nach Phosphorylierung kann Yan nicht mehr an die DNA binden und gibt die ETS-Sequenz frei, welche nun von der phosphorylierten Form von Pointed besetzt werden kann, was die Transkription aktiviert. Über Anzahl und Art der aktivierten Gene herrscht trotz der langen Zeit, während der schon an diesem System geforscht wird, keine Gewissheit. Die beiden bekannten Gene, welche transkribiert werden, phyllopod (phyl) und seven in absentia (sina), codieren wiederum für nucleäre Faktoren. Dabei stellt Phyllopod ein neuartiges Protein dar ohne Homologie zu bekannten Transkriptionsfaktoren. Sina enthält eine „Ringfinger“-Domäne, dies ist eine besondere Variante des Zinkfingers (s. auch Kap. 33). Beide Gene sind nicht R7-spezifisch, phyllopod wird in R1, R6 und R7 exprimiert, seven in absentia in R1, R3, R4, R6, R7 und in den Kristallkegelzellen.

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