Primaerliteratur |
Imperialismus | Kolonialzeit | [P|S|M] |
Deutscher
Kolonial-Atlas mit Jahrbuch herausgegeben von der Deutschen
Kolonialgesellschaft. Berlin 1908 - Kiautschou
|
Kiautschou.
Geschichte :
Die Besetzung des in der chinesischen Provinz Schantung gelegenen Gebiets
Kiautschou durch Deutschland erfolgte am 14. November 1897 durch die
Landungsabteilung des Kreuzer-Geschwaders unter dem Befehl des Vizeadmirals von
Diederichs.
Nachdem durch Vertrag mit der chinesischen Regierung vom 6. März 1898 dem
Deutschen Reiche für die Dauer einer Pachtzeit von 99 Jahren alle der
chinesischen Regierung zustehenden Hoheitsrechte in diesem Gebiete übertragen
worden waren, wurde es durch Kaiserlichen Erlass vom 27. April 1898 zum
Schutzgebiet erklärt.
Die Verwaltung des Schutzgebiets Kiautschou untersteht dem Reichs-Marine-Amt.
Grösse : Das Schutzgebiet Kiautschou umfaßt die gesamten inneren
Wasserbecken der Kiautschou-Bucht bis zur Hochwassergrenze, ferner die südlich
und nördlich von dem Eingange der Bucht liegenden grösseren Landzungen bis zu
deren Abgrenzung durch geeignet befundene Höhenzüge = 46,6 und 461,5 qkm,
sowie die innerhalb der Bucht und vor derselben gelegenen Inseln = 43,6 qkm. Der
Gesamt-Flächen-Inhalt des Landes beträgt mithin 551,7 qkm (ungefähr gleich
dem Staatsgebiet von Hamburg). Ausserdem ist eine Zone festgesetzt, innerhalb
deren keine Maßnahmen oder Anordnungen chinesischerseits ohne deutsche
Zustimmung getroffen werden dürfen; die Grenze dieser Zone liegt überall 50 km
von der des Schutzgebietes landeinwärts entfernt, ungefähr 1/2 Königreich
Sachsen. (S. 25)
Bevölkerung :
Nach einer im Herbst 1907 vorgenommenen Zählung im Stadtgebiete von Tsingtau
31.500 Chinesen und (ausser den Militärpersonen) 1.484 Europäer. Dazu kommen
noch 171 Japaner (36 weniger als im Vorjahre).
Die Bevölkerungsziffer im Landbezirk wurde früher auf 100.000 Chinesen geschätzt,
neuerdings auf 90.000, die der 50km-Zone ist nicht bekannt.
Bewässerung und
Bodengestalt : Auf der nördlichen Halbinsel das bis zu 1130 m hohe
Lauschan. Fast die ganze Halbinsel Schantung ist von einem 600 km langen
Berglande erfüllt; eine grosse Ebene trennt es von den übrigen
Gebirgsformationen Chinas, und eine zwischen der Bucht von Kiautschou und dem
Golf von Tschili sich hinziehende Tieflandfläche scheidet es in zwei Hälften.
- Schiffbare Flüsse fehlen im Schutzgebiet. Das Hinterland berührt der mit
starkem Gefälle fließende Hoang-ho.
Klima : Höchste
Temperatur 33 Grad, niedrigste minus 11 Grad. Mittlere Regenmenge über 500 mm.
Pflanzenwelt :
Kulturpflanzen: Getreide, Bohnen, Kartoffeln, Tabak, Obstbäume. Durch
chinesische Misswirtschaft sind die Wälder vernichtet. Von deutscher Seite
Aufforstungen bei Tsingtau, von denen die Chinesen lernen.
Tierwelt :
Das Kiautschou-Gebiet ist arm an Tieren. Auffallend beim Durchzug im Frühjahr
und Herbst viele Sumpf- und Wasservögel. Versuche mit der Einführung europäischer
Haustiere sind bisher gescheitert.
Mineralien :
Mit der Ausbeutung des Kohlenreviers von Wei-hsien durch die
Schantung-Bergbau-Gesellschaft ist am 1. Oktober 1902 begonnen worden. Der erste
Kohlenzug traf am 30. Oktober 1902 in Tsingtau ein. Seither schreitet die
Ausbeutung des im Wei-hsien-Felde durch den Schacht bei Fang-tse erschlossenen
Kohlenflötzes fort. Für die Aufbereitung der hier gewonnenen Kohle ist eine
maschinelle Separationsanlage aufgestellt. Etwa 70 m vom Fang-tse-Schacht ist
ein zweiter Förderschacht (Minna-Schacht) zum Ausbau einer umfangreichen Förderanlage
in Angriff genommen worden. Ferner wird zur weiteren Vervollständigung des
Fang-tse-Werkes ein zweiter Haupt-Förderschacht (Annie-Schacht) in der Nähe
des Bahnhofs Fang-tse seit Juni 1904 abgetäuft. Im Kohlenrevier von Po-schan
konnte mit dem Abtäufen eines Förderschachtes (Tse-tschnan-Schacht) im Sommer
begonnen werden.
Die Tätigkeit der "Deutschen Gesellschaft für Bergbau und Industrie
im Auslande" erstreckte sich bisher im wesentlichen auf bermännische
Explorationsarbeiten in mehreren Zonen des Hinterlandes zwecks Gewinnung von
Gold und Glimmer. - Auch Eisen ist im Hinterland von Kiautschou vorhanden.
Handel und
Verkehr : Ein grosser Hafen mit Molen. Schwimmdock (16.000 t Tragfähigkeit)
und Werftanlagen ist zum größten Teile fertiggestellt.
Die von Tsingtau ausgehende Schantung-Eisenbahn führt zu den Kohlenrevieren der
Schantung-Bergbau-Gesellschaft bei Wei-hsien und Po-schan bis nach Tsinan-fu
(435 km). Der erste Bauzug fuhr in Tsinan-fu am 23. Februar 1904 ein. Die ganze
Bahn einschließlich Zweiglinie im Po-schan-Tal ist seit 1. Juni 1904 in
Betrieb.
Das Hinterland liefert von wichtigen Erzeugnissen für den Ausfuhr-Handel nach
Europa insbesondere Strohgeflechte und Seidenpongees. Die Ziffern der
Handelsstatistik betreffen in der Hauptsache Durchgangsgüter für das
Hinterland. Mehr als vier Fünftel der Einfuhrwaren gelangen durch die Eisenbahn
zur Verteilung ins Innere. Das Freihafengebiet, das bisher das ganze
Schutzgebiet Kiautschou umfasste, ist durch Vereinbarung mit der chinesischen
Regierung seit dem 1. Januar 1906 auf den Hafen selbst und das anstossende Gelände
beschränkt. Das gesamte übrige Schutzgebiet ist zwecks Erleichterung des
Handelsverkehrs an das chinesische Zollgebiet angegliedert.
Gesamtausfuhr vom 1. Oktober
1903 bis 1. Oktober 1904 rund 14,7 Millionen M. 1904/05: rund 20. Millionen M.,
1905/06: rund 23,5 Millionen M., 1906/07: über 34 Millionen M. Gesamteinfuhr
von Waren nicht chinesischen Ursprungs (ohne Materialien für Eisenbahn und
Bergbau) 1903/04: rund 24 Millionen. M., 1904/05: rund 37 Millionen M., 1905/06:
über 50 Millionen M., 1906/07: mehr als 61,5 Millionen M. Gesamteinfuhr von
Waren chinesischen Ursprungs 1904/05: über 12 Millionen M., 1905/06: über 15
Millionen M., 1906/07: nahezu 21 Millionen M. An erster Stelle in der Einfuhr
stehen Baumwollwaren.
Schiffsverkehr: Im Jahre 1906/07 liefen 498 Dampfer mit 547.000 Reg. Tons den
Hafen von Tsingtau an. Ueberfahrtspreis: Nordd. Lloyd, Genua oder
Neapel-Tsingtau I. 1300 M., II. 910 M., III. 520 M.
Post und Telegraphie: Ende 1907: 7 Postanstalten, darunter 1 mit
Telegraphenbetrieb und Ortsfernsprechnetz. Verkehr 1906: 2.877.900
Briefsendungen, 13.148 Postanweisungen mit 664.000 M., 11.762 Pakete. 332.031
Zeitungsnummern, 31.241 Telegramme, 457.156 Gespräche. Postverbindungen:
durchschnittlich jeden fünften Tag, Beförderungsdauer 33 bis 39 Tage.
Telegrammgebühr für das Wort 4,55 M.
Verwaltung : Sitz
des Gouverneurs ist Tsingtau (zurzeit Konteradmiral Truppel). Denn das
Schutzgebiet untersteht dem Reichsmarineamt. Bezirksamt Litsun.
Besatzung : 63 Offiziere und Aerzte, 1816 Unteroffiziere und
Mannschaften, 62 Chinesen-(Polizei)soldaten.
|
Quelle:
Deutscher Kolonial-Atlas mit Jahrbuch, herausgegeben auf Veranlassung der
Deutschen Kolonialgesellschaft, bearbeitet von P. Sprigade und M. Moisel,
Jahrbuch und Bemerkungen von Hubert Henoch. Berlin 1908, S. 24f |
GM
(digitale Umsetzung) und AG
(Übersetzung) für psm-data
mit freundlicher Unterstützung durch die
Staatsbibliothek
zu Berlin / Preußischer Kulturbesitz

Kartenabteilung
Document
in English Language
|

|