Wie kann man heute von Gott reden? -
Probleme der religiösen Sprache1

Kleine Übersicht von Johann Betz

Kirche, Verkündigung und Religionsunterricht stoßen mit ihren sprachlichen Äußerungen weniger auf direkten Widerspruch als vielmehr auf pures Unverständnis.

Eugen Biser glaubt in den vorliegenden Sprach- und Kommunikationsbarrieren weniger schichtenspezifische Unterschiede ,,in der Sprachfertigkeit von Angehörigen unterschiedlicher Klassen"2 wirksam, als vielmehr eine Selbstverweigerung der Sprache gegenüber ihrem kommunikativen Zweck"3 ausmachen zu können. Er sieht die Sprachbarrieren als "Folgen eines gegen die Sprachintention gewendeten Sprachgebrauchs (und) die Spuren einer manipulatorisch-demagogischen Sprachverwendung"4

Fragt man nach den Ursachen für diesen falschen Sprachgebrauch, muss man sich zuerst ins Bewusstsein rufen, dass "Glaubenswirklichkeit sich grundsätzlich der Vergegenständlichung entzieht" und daher "Symbole die adäquate Form (sind), in der diese Dimension von Wirklichkeit Sprache wird"5 Wo dieser Sachverhalt "nicht bewusst reflektiert wird, da geht der Sprecher unbefangen davon aus, dass sich Wort und "Wirklichkeit" decken. Diese unbewusste Einstellung zur Sprache, die als Sprachrealismus bezeichnet wird, ist für antike Texte wie für den naiven Sprecher und Hörer heute gleichermaßen kennzeichnend. (...) Augenfällig tritt der Sprachrealismus dort in Erscheinung, wo Wörter wie "Auferstehung", "Jungfrauengeburt" im Sinne von Fakten gebraucht und verteidigt werden. Der Sprachrealist, der solchermaßen das Wort im Massiv-Faktischen festhält, verstellt sich selbst und anderen die Möglichkeit, Schlusselwörter des christlichen Glaubens in ihrem Hinweischarakter, in ihrem Symbolgehalt, kurz in der ihnen spezifischen Sprachlichkeit zu verstehen"6.

Wenn sprachrealistische Tendenzen in der kirchlichen Verkündigung und im Religionsunterricht nicht durchschaut und zurückgenommen werden, werden theologische Aussagen oft zu "Leerformeln", die nicht mehr "in der Lage (sind), das Verhältnis des Menschen zur Welt und zu sich selbst zum Ausdruck zu bringen. Entsprechendes gilt für die Mehrzahl der Aussagen, die aus den heute überholten Modellen archaischer Weltinterpretation hervorgegangen sind, aber als Wortfugungen unverändert bis in die Gegenwart tradiert wurden"7.

H. Halbfas sieht im Sprachrealismus nicht nur die Ursache für Kommunikationsbarrieren, sondern befürchtet, dass "eine Leugnung des metaphorischen Charakters religiöser Rede durch wörtliche Auslegung grundsätzlich auf Selbstzerstörung angelegt"8 ist. Aber auch dort, wo der metaphorische Charakter religiöser Sprache grundsätzlich anerkannt wird, ist ein sachgemäßer Umgang mit ihr noch nicht gesichert.

Romano Guardini schreibt: "Versucht die Rationalität, ihren (gemeint ist: der religiösen Sprache) Inhalt auf welthaft-logische Eindeutigkeit zu bringen, dann zergeht das Eigentliche, und es bleibt etwas übrig, das, auch bei höchstem Aufwand an Wissenschaft, im Grunde banal ist. Daher der Eindruck den jeder Rationalismus hinterlässt, wenn er über das Religiöse spricht, die Verwunderung darüber, wie so viel Material und Methode etwas derart Bedeutungsloses zutage fördern könne - eine Bedeutungslosigkeit, welche durch die Erfahrung des einfachsten Menschen und ihren Ausdruck im echten Wort widerlegt wird9 Helmut Fischer vertieft diesen Gedanken und schreibt: "Eine an religiösen oder christlichen Tatsachen orientierte Denkweise läuft stets Gefahr, die Metapher im Sinne eines Analogieschlusses zur Gewinnung diskursiver Aussagen über transzendente Tatsachen zu missbrauchen und eben damit jene Wirklichkeit auszublenden, für die die Metapher gerade aufschließen kann.

Da Glaubenswirklichkeit sich grundsätzlich der Vergegenständlichung entzieht, sind Symbole die adäquate Form in der diese Dimension von Wirklichkeit Sprache wird.... Sie wird verfehlt, wo immer die symbolische Sprache vergegenständlicht, das im Symbol sich Kundgebende zum Verfugbaren gemacht wird"10

Ein anderes Problem der Metaphern besteht darin, dass "einmal gefundene Bilder nicht leicht wieder aufzulösen" sind11. Die Theologie läuft dann immer Gefahr, zur "Gefangenen der Metaphern" (Halbfas) zu werden. Wenn Metaphern aus längst überholten Weltbildern die Verständigung über das Gemeinte erschweren, dann gehört "zu einem theologisch verantwortbaren Gebrauch von Metaphern (..) auch die Frage, welche Metaphern der biblischen und kirchlichen Sprache heute noch sinnerschließend sind und welche diese Kraft für uns heute nicht mehr haben, ob und aus welchen Bereichen neue Metaphern zu gewinnen wären, in denen wir das, was uns im Innersten angeht, zur Sprache bringen und vernehmen können"12. Denn nur dadurch entgehen wir der Gefahr des Götzendienstes, der nichts anderes ist "als die Verabsolutierung der Symbole des Heiligen und ihre Identifizierung mit dem Heiligen selbst"13

Die Versuche zeitgenössischer Dogmatiker, die Rede von Gott in Form der "Analogia entis" zu retten und auf diesem Wege positive Aussagen über Gott zu gewinnen und möglicherweise sogar zu verifizieren, sind letztlich von einer Aporie bedroht, aus der sie nicht mehr heraus kommen.

Diese Aporie besteht nicht nur in der Unlösbarkeit der Theodizeefrage - ist es tatsächlich sachgerecht, Gott das in Frage stehende Prädikat ("allmächtig") einfach abzusprechen, um dieses Problem zu lösen ? - sondern auch darin, dass jede Ähnlichkeit zwischen Gott und der Welt eine noch größere Unähnlichkeit einschließt (IV. Laterankonzil, 1215).

Literatur:

1 Eine orientierende Übersicht über das Thema bietet:

Kaempfert. Manfred (Hrsg.): Probleme der religiösen Sprache. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983 (Wege der Forschung CDXLII)

2 Biser Eugen: Religion und Sprache (1977): in: Kaempfert: a.a.O., S. 353 - 372, hier: S. 356, S. 370
3 Biser: a.a.O. S. 363
4 Biser: a.a.O. S. 363

5 Fischer. Helmut: Sprachprobleme der Verkündigung heute - eine Problemanzeige (1977): in: Kaempfert: a.a.O. S.338-352, hier: S. 351
6 Fischer: a.a.O. S. 340
7 Fischer: a.a.O. S. 346

8 Halbfas. Hübertus: Religionsunterricht in der Sekundarstufe. Lehrerhandbuch 5. Dusseldorf: Patmos 1992, S. 117

9 Guardini Romano: Die religiöse Sprache (1955), in: Kaempfert: a.a.O. S. 50 - 71, hier: S. 71
10 Fischer: a.a.O. S. 350f
11 Halbfas: a.a.O. S. 118
12 Fischer a.a.O. S. 350

13 Tillich. Paul: Das Wesen der religiösen Sprache (1955/64) in: Kaempfert: a.a.O., 5. 82 - 93, hier: S. 87

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