Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. 1997 (2. Auflage), 557 Seiten
Das als "Lehrbuch" bezeichnete Werk überrascht durch seinen Umfang von über 500 Seiten. So viel Wissen über den historischen Jesus? Die Erklärung ist einfach:
1.Die Autoren sind ziemlich optimistisch, was unser
mögliches Wissen angeht.
Auch wenn
"ein Überblick über die christlichen Quellen zu Jesus
(...) in mehrfacher Hinsicht einen ernüchternden Effekt"
hat, nämlich die Einsicht, dass "wir auch in den ältesten
verfügbaren Quellen nicht dem historischen Jesus begegnen,
sondern Jesusbildern, gestalteten Erinnerungen, die durch
theologische und soziale Interessen und Überzeugungen sowie die
Geschichte ihrer Trägergruppe mitgeformt wurden" (S. 70),
so nehmen die Autoren doch an, dass sich auch in diesen "gestalteten"
Texten eine hinreichende Menge an Erinnerungen an den historischen
Jesus auffinden lässt.
2.Die Autoren bieten in ihrem Buch nicht nur eine ausführliche Darstellung dessen, was man ihrer Meinung nach über den historischen Jesus wissen kann, sondern sie referieren und diskutieren auch ziemlich ausführlich andere theologische Meinungen, sodass das Buch gleichzeitig einen Überblick über die Forschungsgeschichte des Gegenstandes liefert.
Überraschend ist die Berücksichtigung außerkanonischer
christlicher ("apokrypher") Literatur, von der die Autoren
eine "prinzipielle Gleichwertigkeit" (S. 40f) postulieren.
Die dogmatisch begründete Ablehnung der apokryphen Texte halten
die Autoren vom historischen Standpunkt aus für nicht
gerechtfertigt. (Man vergleiche den Artikel zu den Apokryphen im
Kleinen Theologischen Wörterbuch von Rahner/Vorgrimler mit dem
Artikel im Neuen Theologischen Wörterbuch von Vorgrimler.)
Dementsprechend geben sie auch einen ziemlich weit reichenden
Überblick über diese Texte und ihre Relevanz für den
"historischen Jesus".
Auch den außerchristlichen
Quellen wird einiges an historischer Aussagekraft eingeräumt. (
S. 91 f)
An zwei Beispielen kann verdeutlicht werden, dass die Autoren gegen eine weit verbreitete Skepsis in den Texten historische Sachverhalte vermuten:
1.Jesus als Davidide: (S. 183 f)
Die Genealogien bei Mt und Lk und andere Textstellen werden als
Ausdruck eines "davidischen Familienbewusstseins" erklärt,
sodass man "also mit der Möglichkeit rechnen (muss), dass
sich die Familie Jesu tatsächlich davidische Abstammung
zuschrieb". (S. 184)
2.Das leere Grab: (S. 415
ff)
Während die Geschichte vom
leeren Grab von einigen Autoren als Interpretament des
Auferstehungsglaubens gesehen wird, halten Theißen und Merz an
der Möglichkeit eines leeren Grabes fest. Allerdings kann für
sie "die Geschichte vom leeren Grab (...) nur von dem (auf
Erscheinungen basierenden) Osterglauben her erhellt werden, nicht
umgekehrt der Osterglaube vom leeren Grab her". (S. 439)
Das Buch lässt sich (entsprechend der Intention der Autoren)
auch "nichtlinear" lesen. Jedes Kapitel enthält eine
"Zusammenfassung und hermeneutische Reflexion".
Viele
strittige Fragen sind in Form von Synopsen oder Tabellen dargestellt,
sodass der Leser sich einen schnellen Überblick verschaffen
kann.
Das Buch stellt eine Bereicherung für jede Lehrerbibliothek dar. Allerdings ist der Preis schon fast als prohibitiv zu bezeichnen.
(c) Johann Betz
( erstellt am: 14.06.2001, letzte Aktualisierung: 17. Februar 2007