"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
156. Brief
Jena, 20. Dezember 1881.
Liebster Mann! Endlich habe ich briefliche Nachricht
von Deinem Wohlergehen. Es war ein großer Jubel, als der Brief kam, die
beden Dienstmädchen beteiligten sich lebhaft daran. Der Brief ist von
Colombo nicht länger als 3 Wochen gegangen, danach müßtest Du
meine Briefe, welche schon 6 Wochen nach Ceylon an Dich unterwegs
sind, schon gleich bei Deiner Ankunft in Colombo erhalten haben. Nun
hoffentlich hast Du sie jetzt in Händen und siehst daraus, daß Du mir
wiedermal Unrecht getan hast. Wir denken Deiner stündlich, viel mehr
als du, mein Herzensmann, in Deinem zauberhaft schönen Bungalow. Du
triffst ja alles wundervoll, Du lieber Glückspilz, wie ich Dir das gönne!
Gebe Gott, daß Dein ganzer Aufenthalt Dir zur Erquickung und
Bereicherung diene! Nimm Dich doch ja mit Baden in acht und lasse Dich
nicht durch Deine deutschen Freunde zu großen Unternehmungen
hinreißen! - Dein Brief an G. Fischer ist heute hingewandert, noch gerade
bevor Fischers nach Hamburg reisen, um dort das Weihnachtsfest zu
verleben . . . Dein Paket aus Bombay, das Du im
vorigen Briefe erwähntest, ist noch nicht angekommen, wir denken,
am Ende ist es gestohlen worden. Hast Du darauf geschrieben, daß der
Inhalt Silbersachen sind? Das wäre gefährlich! Was mir unangenehm ist,
ist, daß Dein Manuskript auf diese Weise und die Reisebriefe mit
verlorengegangen sind! Waren das Reisebriefe für Julius Rodenberg? Er
wartet sehnsüchtig darauf.
Die Kinder grüßen Dich herzlich und werden
demnächst schreiben, sie freuen sich ungemein auf Weihnachten. Wie
Kinder sind, lassen sie sich die Freude am Fest trotz der Abwesenheit
ihres Vaters nicht nehmen - ich habe gar keine Lust daran, weil
Du, mein geliebtes Herz, nicht dabei sein kannst, und muß mir immer
einen Stoß zu jedem Einkauf geben, damit ich den Kindern ihren Spaß
nicht verderbe! Am zweiten Feiertag, wenn nichts dazwischenkommt, will
ich mit ihnen auf 8 Tage nach Berlin, sie freuen sich natürlich sehr
darauf. Auch mir wird´s hoffentlich gut tun und mich aus
meiner oft trüben Stimmung herausreißen. An Deine liebe Alte ist heute
ein Weihnachtspaket von uns abgegangen . . . Wir
haben hier bis jetzt noch keine Winterkälte, wohl aber abscheuliches,
windiges Wetter, was Halsschmerzen usw. nach sich zieht. Du
Glücklicher, der Du im Paradiese wohnst und keine Kleidung
brauchst! . . . Bei Seebecks bin ich länger nicht
gewesen, morgen will ich sie besuchen. Nächsten Donnerstag bin ich zu
einer Punschbowle zu Hofrat Müllers eingeladen. Vorige Woche spielte
Devrient im "Glas Wasser", es war ein großer Genuß. Dein Pohle läßt auch
herzlich grüßen. Seine vielen Wochenblätter, die er mit Pohlescher
Pünktlichkeit absendet, bekommst Du doch? . . .
Brief 155..........................................................................................Brief 157

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