"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
158. Brief
Jena, 13. Juli 1882.
Mein geliebtes Röschen! Durch Deinen heutigen,
sehnsüchtig erwarteten Brief hast Du mich sehr erfreut. Walters
Postkarte mit ihrem "langweilig" hatte mich auch amüsiert. Ich bin froh,
daß Ihr zufrieden seid, und hoffe, Ihr habt besseres Wetter als wir hier -
seit 14 Tagen ununterbrochen Regen und Kälte! Dein armer Strohwitwer
lebt sehr einsam und freut sich schon sehr auf Eure Rückkehr. Fremden
Besuch, aber meist nicht erfreulich, gibt es fast alle Tage - Neugierige,
die das Wuntertier von Ceylon begucken wollen.
Am meisten beschäftigt mich natürlich unser
Häuschen, auf dessen Einrichtung ich mich bereits sehr freue. Herr
Rosse macht seine Sache gut. Der Oberbaurat Streichhan war vorige
Woche hier und lobte ihn sehr. Am Montag war der Steuerrevisor Krehan
da und hat das Grundstück abgemessen. Auf allgemeines Anraten habe
ich noch 6 Qu.-Ruthen mehr genommen, 56 für rund 10000 Mark. Wir
können unsere Ellbogen so freier bewegen und brauchen uns vor dem
nördlichen Nachbar nicht so zu fürchten.
Der neue Ofen ist bereits gesetzt, und Dein Stübchen
wird niedlich eingerichtet. Komm´ also nur recht bald zurück! Es
gbit bezüglich des Baues noch viele Einzelheiten zu besprechen. Und am
30. Juli muß ich fort.
Heute habe ich mit dem Garten-Inspektor Meurer
bereits die Einrichtung und Umzäunung unseres künftigen Gärtchens
besprochen. Alle Leute beneiden uns bereits um unseren Grundbesitz
und finden die Lage reizend. Ich gehe alle Tage wenigstens zweimal hin.
Wenn nur alles erst fertig wäre! . . .
Amüsiere Dich recht gut, mein liebes Rosinchen, und
kehre bald zurück in die Arme Deines sehnsüchtig harrenden
Gatten . . .
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