"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
231. Brief
Berlin, 16. Oktober 1902.
Mein geliebtes Röschen! Mein Besuch in Halle verlief
sehr befriedigend, ich habe nicht nur Prof. Conrad besucht un dmit ihm
die Ordnung der Preisaufgaben besprochen, sondern auch den alten jetzt
82jährigen Krukenberg . . . Halle, daß ich seit 20 oder
25 Jahren nicht gesehen, hat sich kolossal vergrößert, sogar einen
hübschen zoologischen Garten bekommen, in dem ich ein paar amüsante
Stunden (bei den lieben Affen-Vetter) zubrachte. Ich machte einen
kurzen Abstecher nach Leipzig, traf in Leipzig meine alte Malerfreundin,
Frl. von Gleichen, die von Dresden nach Göttingen zurückreist. Ich
besichtigte mit ihr das Leipziger Museum (mit den schönen Calame-
Bildern), das sie noch nicht kannte, und aß dann mit ihr zu Mittag.
Dann machte ich noch eine kurze Exkursion nach
Merseburg, um meinen alten Jugendfreund Finsterbusch wiederzusehen.
Mit großer Rührung besichtigte ich die Stätten, wo ich meine ersten 18
Jugendjahre verlebt habe. Merseburg hat sich wenig verändert und ist
noch das alte, stille und winklige Nest . . .
Hoffentlich ist bei Euch das Wetter jetzt freundlich und milde, wie heute
hier. Grüße unsere kleine Emma, Deine treue Pflegerin, herzlich und laßt
Euch beide raten, das bunte Leben von der heiteren und leichten Seite zu
betrachten.
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