"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
26. Brief
Bozen, Samstag, 5. September 1868.
Meine liebe, süße Frau! Meine große Sehnsucht nach
einem Brief von Dir wurde in Innsbruck nicht mehr gestillt. Dein lieber
letzter Brief fuhr am Dienstag 1. Sept. mit mir in demselben Zuge
(natürlich ohne daß ich es wußte) von Innsbruch über den Brenner nach
Bozen, und ich erhielt ihn hier schon eine Stunde nach meiner Ankunft,
als ich mich eben sehr ausgehungert und ermüdet um 4 Uhr zum Essen
setzen wollte. Über Deinen lieben Zeilen vergaß ich aber Hunger und
Durst, und sie erfreuten mich um so mehr, als sie mir die tröstliche
Gewißheit brachten, daß es Dir nach Verhältnis gut geht. Ich bin täglich
und stündlich mit der herzlichsten Liebe bei Dir, Du meine Agnes,
und hoffe sehr, daß Deine folgenden Briefe mir immer gleichgute
Nachrichten bringen. Nimm Dich nur ja recht in acht und denke an
Deinen lieben Mann, der in Gedanken immer bei Dir ist und sich schon
jetzt auf die Rückkehr unendlich freut . . . Dann
wollen wir uns recht für unsere lange Trennung entschädigen, nicht
wahr?
Unsere Reise ist bisher sehr glücklich verlaufen, das
Wetter prachtvoll, und unsere Ziele waren meist sehr lohnend. Wir
strengen uns nicht allzusehr an, und das bekommt mir sehr
gut . . . Du liebes, süßes Röschen, wie wird das
reizend sein, wenn ich Dich erst wiederhabe und Dir von meinen
Wandererlebnissen erzählen kann! Ja näher der Tag der Heimkehr rückt,
desto mehr sehen ich mich danach, und doch ist diese kurze Trennung
für uns beide gut! . . .
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