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Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel |
"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
87. Brief
Jena, den 29. April 1873.
Mein liebster Mann! Da Du durchaus noch einmal
Nachricht von uns haben willst, muß ich Dir doch den Willen tun.
Merkwürdigerweise scheinst Du seit den letzten Wochen doch etwas wie
Sehnsucht zu fühlen, was bei einem so ergebenen Diener der
Wissenschaft und großem Naturforscher eigentlich ein unverzeihlicher
Fehler ist. Es kommt mir selbst ganz wunderbar vor, daß Du öfter an uns
Drei denkst. Gott sei Dank kann ich Dir ziemlich gute Nachricht von uns
geben. Mir geht es leidlich, wenn freilich auch noch viel zu wünschen
übrig bleibt und der Mut nur stundenweise da ist für das, was ich dieses
Jahr wieder überstehen soll. Es ist ein entsetzlicher Gedanke, der mich,
des Nachts besonders, geradezu martert. Walter ist mein Spaß und meine
Herzensfreude, ein gescheiter und augeweckter Bursche, über dessen
Gedanken ich oft vo Herzen lache, und Mutter und Clara dazu. Das kann
ich Dir sagen, lieber Schatz, hätte ich diese zwei treuen Seelen nicht
diese ganz lange, traurige, leidensvolle, einsame Zeit gehabt, ich wüßte
nicht, wie ich´s hätte ertragen sollen! . . . Wie gern
hätte ich mir auch einmal die Weltausstellung und das Treiben der
großen Stadt Wien angesehen! Ade, ihr leisen Wünsche und langgehegten
Pläne! - Nun gute Nacht, lieber Ernst, schließe Deine Reise so glücklich,
wie Du sie angefangen, und kehre dann erfrischt, aber nicht gar zu wild
in Dein stilles Nest zurück. In alter inniger Liebe Deine Agnes.
Brief 86..........................................................................................Brief 88
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Diese Seite ist Teil von Kurt Stübers online library
erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999
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