"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
95. Brief
Albbruck bei Waldshut, 28. September, abends.
Mein liebstes Röschen! Hoffentlich bist Du recht
wohlbehalten am Freitagabend in Jena eingetroffen und hast unser liebes
kleines Kleeblatt recht munter angetroffen. Auch hoffe ich
sehr, daß Du trotz des Entzückens über unsere drei unvergleichlichen
Sprößlinge Deinen armen Mann nicht ganz vergißt, der Dich sehr, sehr
entbehrt! Es war doch eigentlich eine sehr hübsche Reise, die vier
Wochen, die wir von Salzungen an zusammen waren. Du bist freilich nicht
zufrieden. Du kleine anspruchsvolle und blasierte Prinzessin! Aber ich
habe doch wenigstens das Möglichste getan, Dir die Reise genußreich zu
machen! Nicht wahr, liebes Schätzchen?
Meine Reise nach dem deutschen Südwesten ist bisher
gut verlaufen. Um 7 Uhr früh am Freitag, eine Stunde nach Dir, verließ
auch ich München und war um 1 Uhr in Lindau, um 3 Uhr in Konstanz.
Als ich hier eben vom Dampfschiff ins Gasthaus gehen wollte, bemerkte
ich auf einem nebenan liegenden Schiffe Gegenbaur und Kuno Fischer,
die gerade eine Partie nach Arenenberg (auf Napoleons Lustschloß)
machen wollten, und schloß mich ihnen gleich an. Auch an den beiden
folgenden Tagen habe ich mit den beiden Heidelberger Freunden ein paar
hübsche Partien am Bodensee gemacht. Wir waren sehr vergnügt
zusammen, besonders Kuno höchst amüsant und liebenswürdig.
Gestern (Sonntag) nachmittag sind wir drei zusammen
von Konstanz den Rhein hinauf nach Schaffhausen per Dampfboot
gefahren. Heute (Montag) morgen besuchten wir den Rheinfall. Abends
fuhren wir über Waldshut (wo Fischer in einem Garten Äpfel kaufte)
hierher nach Albbruck (am Rhein). Fischer ist heute abend noch
weitergereist, weil er morgen in Heidelberg sein muß.
Gegenbaur und ich wollen morgen von hier zu Fuß
durch das Albtal nach St. Blasien gehen und dort einen Tag bleiben. Dann
bleiben wir wahrscheinlich noch einen Tag in Basel und Straßburg.
Sonnabend denke ich bei Dir in Jena einzutreffen und hoffe, Dich,
liebstes, niedlichstes, süßestes Weibchen!, recht munter anzutreffen und
ebenso unsere drei lieben Früchtchen.
In Heidelberg geht es gut. Carlo ist noch unverändert,
nur etwas dicker und behäbiger geworden. Über Kuno Fischer habe ich
großen Spaß gehabt, er ist ein possierlicher Kerl! . . .
Grüße mir meine drei herzlieben Tierchen innigst. Hoffentlich drücke
ich Euch alle am Sonnabend wohlbehalten in meine
Arme! . . .
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