"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
97. Brief
Potsdam, 15. Oktober 1874, Donnerstag.
Liebste Frau! Habe schönen Dank für Deinen lieben
Brief, der mich über Euer Wohnbefinden und über die ersten
Schulstunden unseres lieben Jungen recht beruhigt hat. Hoffentlich wird
er sich bald der neuen Lebensweise anpassen!
Ich habe inzwischen (wie gewöhnlich) sehr unruhige
Tage erlebt . . . Montag war ich beim
Unterrichtsminister Dr. Falk und bei dessen Adlatus, Geh.
Rat Goeppert. Beide Herren haben mir sehr gefallen. Beide bedauerten
sehr, daß ich die Bonner Stelle nicht angenommen hätte; sie würden mir
jedem Wunsch bewilligt haben. Du kannst Dir denken, daß mich diese
fruendliche Aufnahme doppelt traurig stimmte und in der Überzeugung
befestigte, daß ich mit der Ablehnung der Bonner Stelle einen der
dümmsten Streiche meines Lebens begangen habe. Nun istīs zu spät!
Leydig hat definitiv angenommen, und ich habe eine der besten
Gelegenheiten versäumt! Wenn ich denke, wie befangen ich im Sommer in
dieser Beziehung war, kann ich mich selbst kaum begreifen.
Die Gemälde-Ausstellung ist nicht so glänzend wie
vor 2 Jahren, hat aber doch viele hübsche Bilder, an denen ich mein
jammervolles Gemüt recht erquickt; ebenso am Zoologischen Garten und
Aquarium. Wie gern hätte ich da Dich und die Kinder bei mir
gehabt! . . .
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