Ingeborg Drewitz: Gestern war Heute

Charakterisierung von Alice

Alice ist vor allem Hausfrau und Mutter. Sie ist eine sehr soziale Person, sorgt sich ständig um andere, wäscht, putzt, kocht, kauft ein ...

Sie hat ein starkes Pflichtbewußtsein und ist sehr sorgfältig:
So kümmert sie sich immer noch stark um ihre Tochter Susanne, obwohl diese schon längst erwachsen ist. Besonders deutlich wird ihre pflichtbewusste Auffassung ihrer Mutterrolle bei der Geburt der ersten Enkelin. Mit derselben Sorgfalt erledigt sie auch all jene Arbeiten, die sie als ihre Pflicht empfindet. Und doch ist es für sie nicht selbstverständlich nur an den Haushalt gebunden zu sein. Ihr kommen auch starke Zweifel an ihrer Rolle. Doch verdrängt sie diese Zweifel recht erfolgreich ("Und warum eigentlich nicht?", S.13).
Sie bringt große Kraft auf, diese Rolle zu akzeptieren und ihre persönlichen Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen. Dabei wirkt sie an der Oberfläche "viel zu gutmütig”, hinter ihrer uneigennützigen Haltung verbirgt sich aber eine rigide, unsentimentale Einstellung.

Alice hat ein kühles Verhältnis zu ihrer Mutter. Sie nennt sie nur "die Alte". Sie empfindet nur noch Pflichtgefühl, keine Liebe mehr zur Mutter, da diese Gustav vorwirft, ein Versager zu sein.
Genauso sieht sie aber Susannes Mann ebenfalls als Versager an. Auch er verhindert den Aufstieg aus dem Proletariat. Alice ist enttäuscht über die nicht erfüllten Hoffnungen, die sie und ihr Mann in Susanne gesetzt haben. Die Pianistenkarriere ihrer Tochter, und damit der soziale Aufstieg, wird durch die Heirat mit einem Arbeiter und die Geburt der Enkelin unmöglich gemacht. Folglich mißbilligt sie auch die Geburt des zweiten Enkelkindes. Diese enttäuschten Erwartungen sind es hauptsächlich, die ihr emotionslose Haltung verursachten.
Den Enkeln gegenüber ist sie recht hart. Alice erzieht sie streng und empfindet sie eher als störend und lästig.

In ihrer Jugend war sie einmal glücklich mit Gustav, doch heute leidet sie nur stumm. Erst als ihr Mann stirbt, löst sich ihre Starre und macht vorübergehend der "Zärtlichkeit ihrer Mädchenjahre" Platz (S.72).


© Zugeschickt von Daniel "Obi" Oberbillig im Dezember 1999

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