Dazu gehören
auch Teile der kurfürstlichen Hühnervogtei, die in den Brandschatzungen
des Dreißigjährigen Krieges in Schutt und Asche fiel. In der Parzelle
Hauptstraße 214 konnte 1996 eine gemauerte Abfallgrube mit Gewölbeabschluss
ausgegraben werden, die zur Hühnervogtei gehörte. Die Latrine
enthielt neben einer stark verdichteten Fäkalienschicht Hausrat
der Zeit um 1600. Eine darüber abgelagerte Bauschuttfüllung beendet
den Nutzungszeitraum.
Unter dem reichhaltigen Fundmaterial befand sich auch eine eiserne
Geldkassette, die im Zuge der Plünderungen aufgebrochen und später,
da nun unbrauchbar, in dem aufgegebenen Latrinenschacht „entsorgt“
worden war. Von den damaligen kriegerischen Auseinandersetzungen
zeugen die Musketenkugeln, mit denen die Kassette beschossen wurde
und die heute noch in deren Wand stecken, besonders aber ein Vorderladergewehr.
Aufgrund der Lagerungsbedingungen waren alle Fundstücke mit dicken
Agglomeratschichten verkrustet, in denen auch Glasscherben und
Ziegelbruch steckten.
Im
Röntgenbild zeigt sich der Radschloss-mechanismus des Gewehrs,
das heute noch gespannt und mit drei Kugeln geladen ist. In mehrere
Teile zerbrochen, konnte die Waffe zu einer Länge von noch 57,5
cm zusammengesetzt werden. Insgesamt errechnet sich eine Länge
von 114,0 cm; der Lauf allein betrug 76,0 cm. Das Laufkaliber
liegt bei 13 bis 16 mm, das Kugelkaliber 1-2 mm darunter. Es handelt
sich also nicht um die bei der Infanterie gebräuchliche schwere
Muskete, die nur mit Stützgabel bedient werden konnte, sondern
um eine kurze, leichte Radschlosspistole, die Arkebuse.
Im Gegensatz zu dem recht umständlichen, nur mit beiden Händen
und im Stehen zu handhabenden Luntenschloss war das Laden der
Radschlosspistole auch zu Pferd möglich. So wurde die Arkebuse
im Verlauf des 16. Jahrhunderts vorwiegend von der leichten Kavallerie
verwendet, die sie am Sattelknauf mit einem Karabinerhaken an
einem Bandelier mitführte.
Das Prinzip des Radschlosses beruht
auf dem Reiben von Stein auf Stahl. Ein geriffeltes Rad wurde
mit einem dazugehörenden Spannhebel aufgezogen und ein Hahn, dessen
Lippen ein Stück Schwefelkies hielten, drückte gegen dieses Rad.
Beim Betätigen des Abzuges öffnete sich der Pfannendeckel, das
Rad drehte sich in die Ausgangsstellung und erzeugte durch Reiben
Funken, die das Pulver auf der Pfanne entzündeten.
Das Röntgenbild war bei der Freilegung in der Restaurierungswerkstatt
zwar eine große Hilfe, es zeigt jedoch nicht, auf welchem Niveau
bzw. auf welcher Seite sich die Einzelteile des Mechanismus befinden.
Das mechanische Freilegen der Oberflächen erfolgte mit verschiedenen
Schleifkörpern in unterschiedlichen Körnungen am Hängebohrmotor.
Wichtig ist dabei ein flächiges Vorgehen. Geringe Farbunterschiede
im Schleifstaub sowie auf der Oberfläche sind oft die einzigen
Merkmale zwischen Korrosionsausblühungen und Originaloberfläche.
Beim Herauspräparieren der Arkebuse aus den Korrosionsschichten
zeigten sich immer wieder in unregelmäßigen Abständen und Häufungen
kirschkerngroße Rostblasen, die beim Aufbrechen innen hohl waren.
Ob es sich hierbei um organische Bestandteile handelt, kann bislang
noch nicht gesagt werden. Einige „Blasen“ sind als Probe entnommen
und müssen noch untersucht werden.
Bedingt durch die jahrhundertlange Bodenlagerung in der Latrine
erschwerte eine dünne schwarzgraue Farbschicht das Freilegen.
Viele Bereiche waren mit dieser Schicht überzogen, die sich als
wesentlich härter erwies als die darunter liegende Holzoberfläche.
Um Beschädigungen am Original zu vermeiden, musste an den organischen
Bestandteilen diese Korrosionsschicht stellenweise belassen bleiben.
Da zur Herstellung einer Waffe mehrere Holzarten verwendet werden
konnten, wurden von der Arkebuse Holzproben entnommen. Eine Probe
stammt von der Unterseite des Griffes. Die andere ist an der Unterseite
des Laufes vom Ladestock entnommen. Die Holzproben wurden mit
einem Skalpell vorsichtig abgespant, bevor mit einer Konservierung
begonnen wurde, da eindringende Chemikalien die Probenanalysen
verfälschen.
Danach war die Waffe selbst aus Rotbuche (Fagus sylvatica), der
Ladestock aus Spätholz, vermutlich Esche (cf. Fraxinus excelsior)
gefertigt. Während der Freilegung musste mit Epoxydharz, einem
Zweikomponentenkleber, nachgeklebt werden. Mit Lösemittel verdünnt
diente das Harz zur Tränkung von brüchigen Eisenteilen und begünstigte
ein Verkleben in tieferen Schichten. Mit Talkum und Aerosil zu
einer zähen Masse angedickt und mit entsprechenden Farbpigmenten
eingetönt, wurde das Epoxydharz als Ergänzungsmaterial verwendet.
Im letzten Restaurierungsschritt wurde die Arkebuse mit einem
3%igen Acryllack konserviert, um diese vor Temperaturschwankungen
und zu hoher Luftfeuchtigkeit zu schützen. Dennoch muss ein Umgebungsklima
von über 30 – 40 % Luftfeuchte vermieden werden.
Renate
Ludwig, Barbara Cüppers
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