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Schwerpunktthema Mannheim |
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Woher kommt die Mannheimer Justitia? |
N&N 4/95 |
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Eine steinerne Frauengestalt in einer Nische des östlichen
Ehrenhofflügels im Mannheimer Schloß gab den Denkmalpflegern
Rätsel auf. Anlaß war der Wunsch, an der Skulptur die fehlende
linke Hand zu ersetzen. Die Haltung der Hand deutete darauf hin, daß
die Figur in der linken Hand eine Waage hielt, ein Teil des Schwertes in
der Rechten ist noch vorhanden. Es handelt sich also um eine Darstellung
der Justitia, der nur die Augenbinde als drittes der her-kömmlichen
Attri-bute fehlt.
Die folgende Recherche ergab, daß es sich um das Original der Justitia handelt, die der Bildhauer Sebastian Götz aus Zizers (Graubünden) 1604/05 für die Nord- (Stadt-)seite des Friedrichsbaus im Hei-delberger Schloß herge-stellt hatte. Sie wurde im Zuge der "Restaurierung" des Friedrichsbaus um 1897 durch eine Kopie ersetzt und zunächst im Friedrichsbau, dann im Ruprechtsbau aufgestellt, schließlich zwischen 1945 und 1970 zur Zierde des Mannheimer Landgerichts in den Mannheimer Schloßhof gebracht. Die erste Überlegung war, einerseits eine Ergänzung der fehlenden Teile am Original zu unterlassen, andererseits jedoch die auf Fußgängerhöhe aufgestellte Figur vor mutwilliger Beschädigung zu schützen. |
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Kathrin Ungerer-Heuck: Justitia und die Spätfolgen des Heidelberger Schloßstreits. Bericht aus dem konservatorischen Alltag. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 23(1994) S. 163-167 |
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Im weiteren Verlauf jedoch wurde die Figur wieder an ihren Ursprungsort
zu-rückgebracht. Sie steht heute im "Lapidarium" des Heidelberger Schlosses.
So weit, so gut, das "Lapidarium" ist jedoch eine ziemlich ungeordnete Ansammlung
von Architekturteilen im Keller des Gläsernen Saalbaus und im ehemaligen
Zeug-haus. Dort sind sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Es wäre zu überlegen, ob nicht diese originalen Architekturteile einen würdigeren Platz erhalten könnten, damit man sie aus der Nähe (und nicht, wie die Kopien an den Gebäuden, mit gerecktem Hals oder dem Fernglas) betrachten kann. Die Figuren von Ottheinrichs- und Friedrichsbau stehen ja in den Bauten selbst, aber der Rest ist eben "deponiert". Nur: wo sollte das sein? Im Schloß selbst ist kein Raum zur Verfügung, der Friedrichsbau ist selbst ein Museum für sich, der Königssaal ist Festsaal, im Ruprechtsbau sitzt die Verwaltung, der Ottheinrichsbau ist der einzige Saal für gelegentliche Ausstellungen. Guter Rat ist teuer - oder wissen Sie einen? Ein Schloßmuseum wäre eine feine Sache. Eine Auskunft aber kann die Badische Heimat Frau Ungerer-Heuck nach Karls-ruhe schicken. Sie fragte in ihrem Aufsatz: Außerdem: Welche Bewandtnis hat es mit Justitias Augenbinde? Diese Antwort kann gegeben werden: Die Augen-binde kommt überhaupt erst um 1520 zu den beiden Attributen Schwert und Waage dazu, das christliche Mittelalter kennt nur die sehende Justitia. Wir haben also hier einen Typus vor uns, der nicht der neuzeitlichen, sondern der christlich-mittelalterlichen Justitia entspricht. Ende des 15. Jahrhunderts war die Augenbinde noch als Spott gemeint: Spott für die Blindheit der Justitia. Erst im 16. Jahrhundert erhält sie die Bedeutung der Unparteilichkeit. |
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LCI - Lexikon der christlichen Ikonographie. Bd. 2: Allgemeine Ikonographie. F - K, sp. 466ff. s.v. Justitia |
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